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ÖFFENTLICHES RECHT/115: Deutscher Anwaltverein kritisiert Neubestimmung des Bleiberechts (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 30. Juni 2015

Deutscher Anwaltverein kritisiert Neubestimmung des Bleiberechts

Potential von zuwandernden Menschen nicht ausreichend wertgeschätzt


Berlin (DAV). Am 1. und 2. Juli 2015 finden die abschließenden Beratungen des Gesetzesentwurfs zur Neubestimmung des Bleiberechts und Aufenthaltsbeendigung im Innenausschuss und im Plenum des Deutschen Bundestages statt. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) kritisiert den Gesetzentwurf. So gelingt es ihm nicht das Potential von zuwandernden Menschen wertzuschätzen und ein gedeihliches Zusammenleben in Deutschland zu fördern. Begrüßenswert ist aber die Bemühung des Parlaments, sich mit der vielfältigen berechtigten Kritik an diesem Gesetzentwurf auseinandersetzen. Nicht nur der DAV hatte sich insbesondere gegen die vorgesehenen Regelungen zum Ausweisungsrecht, zu Einreise- und Aufenthaltssperren und zum Haftregime gegen Flüchtlinge gewandt. Ein Haupt-Kritikpunkt waren die inkonsequenten Vorschläge zu einer stichtagslosen Bleiberechtsregelung.

"Insgesamt erweist sich der Gesetzentwurf als Kompromiss, der jedoch weiterhin wenig gelungen ist", so Rechtsanwältin Gisela Seidler, Vorsitzende des Ausländer- und Asylrechtsausschusses des DAV. Der Gegensatz zwischen der Einführung neuer ordnungspolitischer Instrumente und einer migrationspolitisch notwendigen Öffnung der Aufenthaltsmöglichkeiten sei nicht beseitigt oder abgemildert worden.

Die geplante Umstrukturierung des Ausweisungsrechts wird den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht gerecht. Dies hätte eine umfassende Abwägung aller für und gegen eine Ausweisung sprechenden Umstände im Einzelfall verlangt. Die gewollte Schematisierung dieser Abwägung ist eine Verschärfung des Ausweisungsrechts, die zu großen Unsicherheiten führen wird. Es bleibt zudem bei der weitestgehend neuen "kleinen Ausweisung" durch erhebliche Erweiterung von Sperren für die Erteilung von Aufenthaltstiteln (§ 11 AufenthG). "Bemühungen um eine erleichterte Integration werden damit konterkariert", so Seidler weiter.

Als vollständig misslungen beschreibt der Anwaltverein das Abschiebungshaftrecht. Die Haftgründe und deren - teilweise zu offen formulierten - Kriterien werden noch unüberschaubarer. Dies wird weiterhin zu vielen falschen Haftentscheidungen führen. Völlig unakzeptabel ist die ausdrückliche Einführung der sog. Dublin-Haft. "Wir befürchten, dass diese Regelungen zum Vorwand genommen werden, praktisch jeden neu einreisenden Asylsuchenden in Abschiebungshaft zu nehmen" ergänzt Rechtsanwalt Rolf Stahmann vom DAV-Ausschuss. Dies sei umso bizarrer, als wir gerade den Zusammenbruch des Dublin-Regimes in Europa erleben.

Eine Regelung für ausreisepflichtige Auszubildende ist zwar zu begrüßen. Dem DAV erschließt sich allerdings nicht, warum der Gesetzgeber in Anbetracht des Fachkräftemangels lediglich eine Duldung vorsehen will und keinen rechtmäßigen Aufenthalt. Weshalb die Ausbildung vor dem 21. Geburtstag aufgenommen sein muss, ist ebenso unverständlich wie der Plan, Staatsangehörige sog. "sicherer Herkunftsländer" von der Regelung auszuschließen. Auch die Bleiberechtsregelung führt aufgrund ihrer zu niedrigen Altersgrenzen zu nicht nachzuvollziehenden Ausgrenzungen.

Die Durchsuchung von Laptops und Smartphones von Flüchtlingen begegnet weiterhin erheblichen datenschutzrechtlichen Bedenken.

Letztlich wird sich auch die nun vorgesehene Härtefallregelung zu den Sprachkenntnissen als Voraussetzung für den Ehegattennachzug als europarechtswidrig erweisen.

Nach wie vor ist der Gesetzentwurf weit davon entfernt, das Potential von zuwandernden Menschen wertzuschätzen und ein gedeihliches Zusammenleben in Deutschland zu fördern.

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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 24/15 vom 30. Juni 2015
Deutscher Anwaltverein (DAV)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juli 2015

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