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ÖFFENTLICHES RECHT/119: Änderungen im Asylrecht - Kein Beschleunigungsgesetz, sondern ein Asylbehinderungsgesetz (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 15. Oktober 2015

Änderungen im Asylrecht: Kein Beschleunigungsgesetz, sondern ein Asylbehinderungsgesetz


Berlin (DAV). Der Deutsche Anwaltverein (DAV) lehnt das vom Bundestag beschlossene eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes ab. Durch das Gesetzespaket werden Flüchtlinge letztlich abgeschreckt, in Deutschland Asyl zu suchen. Besonders bedenklich erscheinen das Arbeitsverbot für geduldete Ausländer, die Änderungen der Leistungen für Asylbewerber und Geduldete sowie das Verbot der Ankündigung einer Abschiebung. In der vom DAV kritisierten Eile des Gesetzgebungsverfahrens bleibt auch die notwendige Überprüfung der Situation in den neuen sogenannten sicheren Herkunftsstaaten aus. Bei der Bewertung der Situation in diesen Ländern werden bspw. geschlechtsspezifische Verfolgung oder die Kumulierung von diskriminierenden Maßnahmen gegenüber ethnischen oder sexuellen Minderheiten nicht berücksichtigt.

"Die Verschärfung des Asylrechts wird viel Leid für die Betroffenen bedeuten, den Zuzug von Schutzsuchenden aber nicht nennenswert reduzieren", so Rechtsanwältin Gisela Seidler, Vorsitzende des Ausländer- und Asylrechtsausschusses des DAV. Auch die Eile, mit der die gesetzlichen Reglungen umgesetzt werden sollen, ist der Sache nicht angemessen. Die einzige einer vordergründigen Opportunität geschuldete überhastete Vorgehensweise des Gesetzgebers sei mit einem demokratischen Gesetzgebungsprozess nicht mehr in Einklang zu bringen. "Ohne Not werden problematische, grundrechtsrelevante Weichenstellungen ohne die Möglichkeit einer sachlichen Diskussion durchgezogen", so Seidler weiter. Die Einschränkung der Leistungen für Geduldete unter das durch das Grundrecht auf Menschenwürde vorgegebene Existenzminimum steht zudem in klarem Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 18.07.2012, 1 BvL 10/10.

Der Gesetzgeber beabsichtigt, die Verpflichtung, in der Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, von drei auf sechs Monate zu verlängern. Dadurch wird auch die räumliche Beschränkung und das Arbeitsverbot der betroffenen Personen verlängert. Die Änderung ist aus Sicht des DAV deswegen schon nicht nachvollziehbar, weil die ohnehin knappen Wohnplatzressourcen in den Aufnahmeeinrichtungen damit weiter verknappt werden.

Der Gesetzgeber plant auch ein weitgehendes gesetzliches Arbeitsverbot für geduldete Ausländer bei gleichzeitiger Einschränkung gewährter Leistungen. Dies konterkariert zum einen die zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderungen im Aufenthaltsgesetz, wie auch in der Beschäftigungsverordnung zur Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung, insbesondere von jugendlichen und heranwachsende geduldeten Ausländerinnen und Ausländern. Zudem missachtet der Gesetzgeber grundlegende Aussagen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 18.07.2012. Massenhafte Rechtsmittelverfahren werden die Folge sein.

Bei dem Thema der sicheren Herkunftsstaaten verkennt der Entwurf, dass es neben dem Merkmal "staatliche Verfolgung" auch generell andere Asylgründe geben kann, wie etwa die Häufung von Diskriminierung von Minderheiten (Roma) oder grundrechtsspezifische Verfolgung. So hat der Europäische Gerichtshof erst am 07.07.2015 Belgien wegen der Abschiebung einer Roma-Familie nach Serbien wegen Verstoßes gegen das Verbot der unmenschlichen Behandlung (Art. 3 EMRK) verurteil (V.M. et autres c. Belgique, No. 60125/11).

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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 43/15 vom 15. Oktober 2015
Deutscher Anwaltverein (DAV)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Oktober 2015

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