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REDE/018: Zypries zum Lebenspartnerschaftsgesetzergänzungsgesetz, 21.06.07 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Bulletin vom 26. Juni 2007

Rede der Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries, zum Lebenspartnerschaftsgesetzergänzungsgesetz vor dem Deutschen Bundestag am 21. Juni 2007 in Berlin


Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Kolleginnen und Kollegen!

Zunächst einmal meinen herzlichen Dank an die Regie von Bundestagspräsidium und Ältestenrat. Wir haben heute die Gelegenheit, drei Gesetzentwürfe von drei Oppositionsparteien auf einmal zu behandeln. Daran können wir sehen, wie sich die Opposition einen Wettlauf um die Gunst der Betroffenen liefert. Aber das ist nicht das, um was es geht. Es geht nicht darum, schöne Anträge zu schreiben, zumal nicht zu Gegenständen, die man hätte behandeln können, als man selbst jahrelang an der Regierung war. Es geht vielmehr darum, etwas für die Menschen zu tun. Was man da erreicht, zeigt sich im Bundesgesetzblatt und nirgendwo anders.

Wir haben bei den Verhandlungen mit der Union im Koalitionsvertrag festgeschrieben:

"Unsere Gesellschaft ist toleranter geworden. Sie nimmt auf Minderheiten Rücksicht. Sie akzeptiert unterschiedliche Lebensentwürfe. Unsere Rechtspolitik wird diese Entwicklung weiter begleiten und fördern."

Diese Verpflichtung aus dem Koalitionsvertrag nehmen wir wie auch den gesamten Vertrag sehr ernst.

Wir haben mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz im vergangenen Jahr eindeutig festgestellt, dass auch Diskriminierungen wegen der sexuellen Identität unzulässig sind. Das betrifft das Arbeitsrecht, aber auch die zivilrechtlichen Massengeschäfte und die privatrechtlichen Versicherungen. Wir haben damit die eindeutige Botschaft ausgesandt: Bei uns herrscht Chancengleichheit.

Diese Entscheidung der Koalition ist insbesondere einem Koalitionspartner weiß Gott nicht leichtgefallen. Aber wir haben sie getroffen. Ich habe mich gefreut, dass die Kollegin Granold in diesem Zusammenhang konstatiert hat: Wir leben in einer Zeit, in der sich die Lebensentwürfe geändert haben. Sie begrüßt, wenn sich Menschen dazu entschließen, füreinander einzustehen.

Dazu gehört dann auch, dass es eine Gesprächsbereitschaft bei der Union, wenigstens in Teilen der Union, gibt, damit es im Steuer- und Beamtenrecht gegebenenfalls zu Verbesserungen für die Lebenspartnerschaften kommen kann. Das hat ein bisschen auch mit den rechtlichen Voraussetzungen zu tun. Den Disput darüber haben wir eben hier verfolgen können. Das hat auch etwas damit zu tun, ob man bereit ist, einen Schritt weiterzugehen. Ich glaube, es ist wichtig, dass die Union sagt, dass sie bereit ist, darüber zu reden und gegebenenfalls noch zu Ergebnissen zu kommen. Das ist besser, als hier Schaufensterreden zu Anträgen zu halten, von denen jeder weiß, dass es für sie aus naheliegenden Gründen keine Mehrheiten gibt.

Frau Leutheusser-Schnarrenberger, Sie haben vorhin kritisiert, dass man unter Rot-Grün nicht mehr machen konnte. Ich frage mich, was Sie für die Gleichstellung von Schwulen und Lesben unter Schwarz-Gelb gemacht haben. Solange Sie in der Regierung waren, gab es keinen einzigen Fortschritt. Was hier dargestellt wird, ist sehr an den Haaren herbeigezogen. Wenn man die Gelegenheit hat zu regieren, sollte man sie nutzen. Denken Sie an die Vergangenheit.

Wir setzen uns ich als Vertreterin des Justizbereichs ganz besonders beim Steuer-und beim Beamtenrecht konsequent für die Gleichstellung von Lebenspartnerschaften ein. Es ist ein besonderes Ärgernis das sehe ich ganz genauso , dass Lebenspartner zwar ein gesetzliches Erbrecht und ein gesetzliches Pflichtteilsrecht haben, dass sie steuerrechtlich im Erbfall aber als Fremde behandelt werden. Es ist auch wenig konsequent, dass wir die Lebenspartner zwar in die Hinterbliebenenversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung einbezogen haben, nicht aber in die Beamtenversorgung. Deswegen teile ich die Einschätzung, dass wir den Weg, den wir mit der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft beschritten haben, konsequent weitergehen sollten.

Es ist nicht so, dass wir in dieser Legislaturperiode neben dem AGG keine weiteren Erfolge erzielt hätten. Wir haben beispielsweise mit der Reform des Personenstandsrechts, die wir im Dezember 2006 verabschiedet haben, eine alte Forderung endlich verwirklicht: Das Standesamt für alle. Das Bundesrecht sieht vor, dass Lebenspartnerschaften künftig genauso wie Ehen in allen Bundesländern vor dem Standesamt geschlossen werden. Es ist Sache der FDP, dafür zu sorgen, dass in den Ländern, in denen sie mitregiert, nicht von diesem Bundesrecht abgewichen wird. Das können die Länder nämlich nach der Föderalismusreform. Das ist eine echte Aufgabe zur Verwirklichung der Gleichbehandlung. Mit dieser Regelung des Personenstandsrechts setzen wir das fort, was wir mit dem Lebenspartnerschaftsrecht 2001 begonnen haben. Wir schaffen ein solides rechtliches Fundament, um Lebensentwürfe zu verwirklichen und Diskriminierungen zu verhindern.

Dieses solide Fundament muss man, so meine ich wenigstens, im Rahmen der Diskussion über das Adoptionsrecht erschaffen. Wir haben bereits die Stiefkindadoption. Dagegen wird beim Bundesverfassungsgericht geklagt. Deswegen, so glaube ich, kann auch im Hinblick auf die gesellschaftlichen Verhältnisse so leicht niemand sagen, dass man die Adoption von Kindern durch ein lesbisches oder schwules Paar generell erlauben sollte. Einer der Einwände besteht darin, dass die Erziehungssituation so kompliziert ist. Deswegen haben wir jetzt einen Forschungsauftrag erteilt, um wissenschaftliche Erkenntnisse über die Situation in Regenbogenfamilien zu gewinnen. Dieses Forschungsvorhaben wird im Laufe der Legislaturperiode beendet sein. Ich hoffe sehr, dass wir dann eine rationale Debatte auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Forschung führen können. Man muss schon konstatieren, dass es diesbezüglich keine einhellige Überzeugung gibt. Die Ansicht des Herrn Bundespräsidenten, der gesagt hat, dass die Vorbereitung der Kinder auf das Leben auch in Familien von Homosexuellen gelingen kann, wird weiß Gott noch nicht von allen Menschen geteilt.

Das europäische Übereinkommen über die Adoption von Kindern haben wir inzwischen geändert. Das heißt, die rechtlichen Voraussetzungen für eine Adoption durch Lesben und Schwule sind inzwischen auf internationaler Ebene gegeben. Dieses Übereinkommen muss jetzt von Deutschland gezeichnet und ratifiziert werden.

Dieses letzte Beispiel zeigt, wie weit wir bei der rechtlichen Gleichstellung von schwulen und lesbischen Menschen schon gekommen sind. Es bedarf, so meine wenigstens ich, keiner symbolischen Debatte mehr, um Tabus zu brechen oder um Weckrufe hören zu lassen. Wir sind längst bei der gesetzgeberischen Kärrnerarbeit angekommen. Das wird sich bei der anstehenden Debatte über das Erbschaftsteuerrecht bald wieder zeigen. Ich persönlich werde mich dafür einsetzen, dass wir auch da an der rechtlichen Gleichstellung schwuler und lesbischer Menschen weiterarbeiten.


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Quelle:
Bulletin vom 26. Juni 2007
Rede der Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries, zum
Lebenspartnerschaftsgesetzergänzungsgesetz vor dem Deutschen Bundestag
am 21. Juni 2007 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juni 2007