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REDE/037: Heiko Maas - Konsequenzen aus den Ereignissen von Köln und anderen Großstädten, 13.1.16 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Deutscher Bundestag
Rede des Bundesministers der Justiz und für Verbraucherschutz, Heiko Maas, in der vereinbarten Debatte zu den Konsequenzen aus den Ereignissen von Köln und anderen Großstädten in der Silvesternacht vor dem Deutschen Bundestag am 13. Januar 2016 in Berlin


Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Mit Blick auf die Ereignisse in der Silvesternacht in Köln will ich Folgendes feststellen:

Erstens. Niemand darf sich in Deutschland über Recht und Gesetz stellen, und zwar völlig unabhängig davon, welchen Pass er hat oder ob er überhaupt einen Pass hat.

Zweitens. Für sexuelle Übergriffe auf Frauen gibt es keine Rechtfertigung und auch keine Entschuldigung. Auch ein möglicher kultureller Hintergrund entschuldigt nichts. Ganz im Gegenteil: Er ist noch nicht einmal als Erklärung akzeptabel.

Drittens. Kriminelle müssen für ihre Taten konsequent zur Rechenschaft gezogen werden. Bei kriminellen Ausländern ist auch die Ausweisung eine solche Konsequenz.

Ausländer, die sich in Deutschland strafbar machen, werden wir nach Umsetzung der Vorschläge, die Herr de Maizière und ich gestern unterbreitet haben, in Zukunft schneller ausweisen können. Sie werden auch schneller ihre Anerkennung als Flüchtling verlieren können. Die Änderungen im Ausweisungsrecht, die wir vorgeschlagen haben, sind nach meiner festen Überzeugung nicht nur angemessen, sondern sie sind auch notwendig.

Wir befinden uns zurzeit in einer kritischen Phase, in der sich viele Bürgerinnen und Bürger Sorgen um die Handlungsfähigkeit des Staates machen. Das dürfen wir nicht zulassen. Das gilt im Übrigen auch für diejenigen, die sich in den letzten Wochen und Monaten sehr engagiert für Flüchtlinge eingesetzt haben. Ja, das gilt auch für Flüchtlinge. Ich habe mit Flüchtlingen gesprochen, die mir gesagt haben: Sorgen Sie dafür, dass diese Menschen hart bestraft werden, und schicken Sie sie dann weg. Denn wir wollen wegen diesen Kriminellen nicht in Verruf geraten.

Es kommt auf zwei Dinge an: Ja, Recht ist nur so viel wert, wie es durchgesetzt wird. Wir müssen - unabhängig von den Abläufen in der Silvesternacht - die Behörden mit ausreichend Personal ausstatten, damit sie das Recht auch durchsetzen können. Darüber wird überall in den Ländern längst diskutiert. Auch die Bundesregierung hat bereits gehandelt. Nicht umsonst haben wir 3.000 zusätzliche Stellen für Bundespolizisten im Haushalt ausgewiesen.

Wenn notwendig, müssen wir auch Gesetze ändern. Wenn wir die Gesetze, wenn es notwendig ist, schnell ändern, hat das nichts mit einem Schnellschuss zu tun. Wir sind der Auffassung, dass für eine besondere Tätergruppe - wir machen das nicht pauschal für alle, sondern für diejenigen, die vorsätzlich Straftaten gegen Leib und Leben, gegen die körperliche Unversehrtheit, gegen die sexuelle Selbstbestimmung, gegen Vollstreckungsbeamte begehen, und auch für Serientäter bei Eigentumsdelikten - die Voraussetzungen abgesenkt werden sollten, um sie ausweisen zu können. Das wird dazu führen, dass es mehr Ausweisungen gibt. Das wird auch dazu führen, dass es in Zukunft mehr Abschiebungen gibt. Das sind wir nicht nur den Opfern der Silvesternacht in Köln schuldig, sondern das dient auch dem Schutz zukünftiger Opfer. Im Übrigen schützen wir damit Hunderttausende unbescholtene Flüchtlinge in unserem Land, die es nicht verdient haben, mit Kriminellen in einen Topf geworfen zu werden.

Wir ändern das Recht auch an einer anderen Stelle. Ja, es gibt im Gesetz Schutzlücken bei der sexuellen Nötigung und auch bei der Vergewaltigung. Deshalb hat die Bundesregierung schon im Dezember des letzten Jahres einen Gesetzentwurf in die Länder- und Verbändeanhörung eingebracht, mit dem wir diese Schutzlücken schließen wollen. Es ist bedauerlicherweise nun einmal so, dass die Rechtsprechung in der Vergangenheit nicht wegen Vergewaltigung verurteilen konnte, wenn sich ein Opfer nicht ausreichend zur Wehr gesetzt hat. Wir wissen aber, dass es Fälle gibt, in denen es dem Opfer durch ein Überraschungsmoment gar nicht möglich ist, sich zu wehren. Der Kölner Fall ist ein solcher Fall. Wenn viele Männer um Frauen herumstehen und die Frau gar nicht weiß, von wem sie angefasst wird, ist das nichts anderes als ein Überraschungsmoment. Die hier im Gesetz bestehende Schutzlücke schließen wir.

Wir schließen auch eine andere Lücke. Wenn Frauen auf Widerstand verzichten, weil sie sich ansonsten noch größerer Gewaltanwendung ausgesetzt sehen, dann hat auch das in der Vergangenheit dazu geführt, dass nicht bestraft werden konnte, zumindest nicht im Rahmen dessen, was nach Paragraf 177 Strafgesetzbuch möglich ist. Auch diese Schutzlücke schließen wir. Das heißt, wir werden - das ist ein Thema, mit dem wir uns schon länger beschäftigen - mit dem Gesetzentwurf, den die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, Frauen ganz massiv besser vor sexueller Gewalt schützen. Es ist bitter notwendig, dass wir das jetzt zügig umsetzen.

Ich möchte aber noch etwas anderes feststellen: Ja, es stimmt, dass viele Täter in Köln Migranten waren. Aber das Triumphgeheul der Populisten und der Rassisten sowie die pauschale Hetze gegen Flüchtlinge, die danach eingesetzt hat, sind widerlich. Die Krawalle von rechtsradikalen Hooligans am Montag in Leipzig sind genauso empörend wie die Vorfälle in Köln; auch diese verdienen eine Antwort.

Wir werden unsere Hilfe für Millionen Flüchtlinge in Not nicht dadurch infrage stellen lassen, dass einige Hundert von ihnen kriminell sind. Eines sollten wir auf jeden Fall deutlich sagen: Wir werden es nicht zulassen, dass Kriminelle den gesellschaftlichen Frieden in unserem Land dauerhaft kaputtmachen, und zwar ganz gleich, ob es straffällige Ausländer oder deutsche Rechtsradikale sind.

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Quelle:
Bulletin Nr. 04-2 vom 13.01.2016
Rede des Bundesministers der Justiz und für Verbraucherschutz, Heiko Maas,
in der vereinbarten Debatte zu den Konsequenzen aus den Ereignissen
von Köln und anderen Großstädten in der Silvesternacht
vor dem Deutschen Bundestag am 13. Januar 2016 in Berlin
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Januar 2016

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