Schattenblick →INFOPOOL →RECHT → FAKTEN

SOZIALRECHT/035: "Angemessen" heizen bei Hartz IV (SoVD)


SoVD-Zeitung - Sozialverband Deutschland
Nr. 2/Februar 2008 - Ausgabe Schleswig-Holstein

Hartz IV: "Angemessene" Heizkosten werden bezahlt, aber...
Unwirtschaftliches stimmt den Fallmanager kühl

Von Wolfgang Büser und Maik Heitmann


"Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht (...)." Ein einfacher Satz aus dem Hartz IV-Gesetz - wenn da nicht noch dieser Nebensatz folgen würde "(...), soweit diese angemessen sind". Wie fühlt sich "angemessenes Heizen" an? Die Sozialrichter drehen permanent am Heizungsregler. Urteile zum Thema:

Eine Agentur für Arbeit wollte die Heizkosten einer Hartz IV-Empfängerin nicht übernehmen, weil die Rechnungen des Versorgers "unangemessen hoch" gewesen seien und sie das Heizverhalten der Arbeitslosen - gemessen am Durchschnittsverbrauch des Hauses - für unwirtschaftlich hielt. Es ging um 550 Euro, die sich über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren angesammelt hatten, so dass die Rechnungen des Versorgers um mehr als 50 Prozent über dem Durchschnitt lagen. Da die Arbeitsagentur es jedoch versäumt hatte, die Arbeitslose vorab darüber zu informieren, nur "wirtschaftliches Heizen" zu unterstützen, musste sie die vollen Kosten übernehmen. (Sozialgericht Dortmund, S 32 AS 114/07)

Grundsätzlich sind Zuschüsse zu den Heizkosten von Arbeitslosengeld II-Empfängern in tatsächlicher Höhe zu bewilligen; eben "soweit diese angemessen sind". Pauschalierungen sind unwirksam, wenn dadurch die "Umstände des Einzelfalles" nicht hinreichend berücksichtigt werden. Ein solcher Umstand kann zum Beispiel das Alter des Gebäudes, die bauliche Isolierung oder das Lüftverhalten des Bedürftigen sein. In einem Fall vor dem Landessozialgericht Bayern ging es um die Heizkosten eines Mannes, der in einem rund 100 Jahre alten Haus wohnte. Als ein Mitarbeiter der ARGE zum Kontrollbesuch ins Haus kam, war nur ein Fenster gekippt. Es fiel auf, dass der Arbeitslose nicht ausreichend lüftete. Und da zum "wirtschaftlichen Heizen" auch eine vernünftige Lüftung der Räume gehört, entschied der Fallmanager, dass es bei den von der ARGE festgelegten Pauschalen bleibt - zu Recht, wie auch die Richter schließlich feststellten. (AZ: L 7 B 110/07 AS ER)

Den gleichen Hintergrund hatte ein Fall vor dem Sozialgericht Lüneburg - allerdings mit umgekehrtem Ergebnis. Arbeitsagenturen dürfen sich bei der Feststellung, ob die Heizkosten eines Arbeitslosen angemessen sind, nicht schematisch an Durchschnittswerten orientieren. Beispielsweise sei es zu berücksichtigen, wenn eine Wohnung über drei Außenwände verfüge, das Haus in einem schlechten baulichen Zustand ist und eine der - insgesamt in den Räumen lebenden - drei Personen schwer behindert ist - was dazu führte, dass sie durch wenig Bewegung nur einen geringen körpereigenen Grundumsatz an Körperwärme hatte. Dementsprechend war mehr zu heizen. Auf der anderen Seite seien die Leistungsempfänger verpflichtet, den Verbrauch unter anderem dadurch zu senken, dass sie "eine den Jahreszeiten angemessene Bekleidung" tragen. Das Gericht verurteilte die Arbeitsagentur dennoch, die - wenn auch hohen - Heizkosten von 1,25 Euro pro Quadratmeter anzuerkennen. (AZ: S 24 AS 1312/06 ER)


Heizöl nach Bedarf

Auch Heizkosten, die dadurch entstehen, dass die Wohnung mit Öl gewärmt wird, sind von der Agentur für Arbeit zu übernehmen - und, falls nötig, auf einen Schlag. Ein Arbeitsloser muss monatliche Pauschalen nicht akzeptieren. Solche einmaligen Kosten "zur Beschaffung von Heizmaterial" müssen demnach beglichen werden - immer vorausgesetzt, sie sind angemessen. Das Bundessozialgericht stellte in einem Fall fest, dass das beim Kauf eines normalen Heizölvorrats der Fall sei. Hier wollte sich der Langzeitarbeitslose 750 Liter Heizöl liefern lassen, was ihm von der Arbeitsagentur nicht genehmigt worden ist; sie billigte ihm 40 Euro pro Monat mit der Begründung zu, dass "das Hamstern von Heizöl während einer gerade gegebenen Bedürftigkeit dem Prinzip der Absicherung des Existenzminimums" widerspreche. Die Kasseler Richter waren anderer Meinung und urteilten, dass "selbst wenn das Öl erst später gebraucht wird, monatliche Heizkostenpauschalen schon deshalb nicht zweckmäßig sind, weil die Gefahr groß ist, dass das Geld in der warmen Jahreszeit für andere Zwecke ausgegeben wird und dann - wenn die Kälte kommt und die Heizrechnung beglichen werden muss - nicht mehr da ist". (AZ: B 7b AS 40/06 R)


Heizkostenschulden

Weil die Arbeitsagenturen ALG II-Empfängern Leistungen für Unterkunft und Heizung bezahlen, die auch Heizkosten-Abschlagszahlungen umfassen, müssen sie nicht zusätzlich für Rückstände aus derartigen Abschlagszahlungen aufkommen, die bei einer AlG II-Empfängerin aufgelaufen sind. Es handelt sich dabei nicht um Mietschulden, die übernommen werden könnten. Droht keine "Wohnungslosigkeit", könne allenfalls das Sozialamt helfen, "die weitergehenden Schulden als Hilfe zum Lebensunterhalt" zu begleichen, so das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz. (AZ: L 3 ER 41/06 AS)


*


Quelle:
SoVD-Zeitung des Sozialverband Deutschland (SoVD)
Nr. 2/Februar 2008 - Ausgabe Schleswig-Holstein, S. 11
Herausgeber: Bundesvorstand des Sozialverband Deutschland e.V.
Stralauer Str. 63, 10179 Berlin
Tel.: 030/72 62 22-0, Fax: 030/72 62 22-145
E-Mail: redaktion@sovd.de
Internet: www.sovd.de

Die SoVD-Zeitung erscheint am 1. eines jeden Monats.
Der Bezugspreis wird im Rahmen des Verbandsbeitrages
erhoben.


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2008