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STRAFRECHT/328: Verschärfung des Jugendstrafrechts ungeeignet (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 21. Januar 2008

Anwälte und Richter fordern Stärkung der Justiz durch bessere Ausstattung und Selbstverwaltung

- DAV und DRB gegen populistische Vorschläge im Bereich der Jugendkriminalität -


Berlin. Die weiterhin diskutierte Verschärfung des Jugendstrafrechts lehnen der Deutsche Anwaltverein (DAV) und der Deutsche Richterbund (DRB) als ungeeignetes Mittel zur Bekämpfung der Jugendkriminalität ab. "Rohheitsdelikte" sind spontane Handlungen und lassen sich nicht durch höhere Strafandrohungen vermeiden. Für jugendliche Straftäter ist es viel abschreckender, wenn die "Strafe auf dem Fuße" folgt. Beide Verbände fordern daher eine bessere sachliche und personelle Ausstattung der Justiz, um vor allem zeitnahe Verurteilungen zu erreichen sowie die Selbstverwaltung der Justiz, um deren Unabhängigkeit und Leistungsfähigkeit zu stärken.

"Wer Stellen in der Justiz streicht oder keine neuen schafft, kann nicht gleichzeitig eine effektivere Bekämpfung der Jugendkriminalität durch schnellere Verurteilung jugendlicher Täter fordern," so Christoph Frank, Vorsitzender des DRB. Die Politik müsse mit ihren eigenen Forderungen ernst machen und die Anzahl der Richter und Staatsanwälte erhöhen. "Die derzeitige Diskussion offenbart dagegen erneut, dass es den in Sparkonzepte nach dem Rasenmäherprinzip eingebundenen Justizministerinnen und Justizministern nicht gelingt, den von Ihnen selbst ermittelten, der Sicherheit der Bevölkerung geschuldeten Personalbedarf der Dritten Gewalt im Kabinett durchzusetzen," erklärt Frank. Der Bedarf werde bislang nicht von denen festgesetzt, die ihn aus der eigenen täglichen Arbeit kennen. Die Justiz sei vielmehr sowohl bei der Zuweisung oder Streichung von Stellen und Haushaltsmitteln als auch bei der Einstellung und Beförderung vom Wohlwollen der Justizverwaltungen und der Finanzminister abhängig.

"Wenn die Justiz ihren Bedarf selbständig anmelden könnte, hätten wir nicht 4.000 Richter und Staatsanwälte zu wenig in Deutschland. Wir fordern deshalb die Selbstverwaltung der Justiz", so Frank.

"Bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität gibt es keine Patentrezepte", so Rechtsanwalt Hartmut Kilger, Präsident des DAV. Neben einer Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch Selbstverwaltung und einer besseren personellen Ausstattung seien ambulante Maßnahmen hilfreich. Die Rückfallquote von inhaftierten jugendlichen Kriminellen liege bei 70 %. Beispielsweise bei dem "Kölner Intensivtäterprojekt" blieben aber 60 % der Teilnehmer nach einem Jahr nach der Entlassung aus dieser Maßnahme straffrei. Im Übrigen sei zu beachten, dass lediglich 5 % der jugendlichen Kriminellen so genannte Intensivtäter seien. Hier pauschale Strafrahmenerhöhungen zu fordern, wäre kontraproduktiv.

"Gefragt sind umfassende Erziehungs- und Bildungsangebote, die Perspektiven eröffnen", so Kilger weiter. Es gehe nicht um militärischen Drill, sondern um das Erlernen eines sinnvollen Umgangs mit Aggressionen und der Gestaltung der zur Verfügung stehenden Zeit.

Der beste Opferschutz sei es, wenn straffällige Jugendliche nicht erneut straffällig würden, betonen DAV und DRB. Es ist ein Irrglaube, Verrohungserscheinungen allein mit den Mitteln der Strafjustiz entgegensteuern zu können. Im Koalitionsvertrag habe die Regierung deshalb zurecht auf eine Verschärfung des Jugendstrafrechts verzichtet.


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 03/08 vom 21. Januar 2008
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
Tel. 030/72 61 52-1 29, Fax 030/72 61 52-1 93
Internet: www.anwaltverein.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Januar 2008