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VERKEHR/621: 54. Deutscher Verkehrsgerichtstag - Dashcam - Datenschutz contra Beweisführung? (DAV)


Pressemitteilungen der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) - Berlin/Goslar, 26. Januar 2016
54. Deutscher Verkehrsgerichtstag in Goslar vom 27. bis 29. Januar 2016

Arbeitskreis VI: Dashcam

Datenschutz contra Beweisführung?
Rechtsprechung hängt technischen Möglichkeiten hinterher


Goslar/Berlin (DAV). Kleine Kameras auf dem Armaturenbrett, sogenannte Dashcams, können Unfälle aufzeichnen. Damit bieten sie die Möglichkeit, strittige Sachverhalte im Straßenverkehr besser zu beweisen. Denn häufig stellen die beteiligten Parteien die Vorgänge, die zu Schäden geführt haben, unterschiedlich dar. Doch die kleinen Kameras dienen nicht nur der Beweisführung. Allerdings berühren sie auch die Persönlichkeitsrechte von anderen Fahrern oder Fußgängern, die zufällig aufgezeichnet werden. Datenschutzrechtlich stellen sie damit ein Problem dar. Die Rechtsprechung hat diesen Widerspruch - Beweisführung auf der einen und Datenschutz auf der anderen Seite - noch nicht geklärt. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) verlangt die Einhaltung des Datenschutzes und des verfassungsrechtlich garantierten Schutzes der informationellen Selbstbestimmung. Dies müsse der Gesetzgeber klarstellen und garantieren.

"Das informationelle Selbstbestimmungsrecht, das Recht am eigenen Bild und die Würde des Menschen sind unveräußerliche Rechtsgüter. Gerade der dauerhafte Einsatz von Dashcams, also das ständige Filmen von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern, verletzt deren Rechte", gibt Rechtsanwalt Andreas Krämer von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins zu Bedenken. Auch die uneingeschränkte Zulassung als Beweismittel sei daher nicht mit dem Datenschutz vereinbar.

Das datenschutzrechtliche Problem bei Dashcams entsteht vor allem dadurch, dass die Aufnahme permanent erfolgt und nicht anlassbezogen. Die Kameras filmen neben möglichen Unfallteilnehmern auch Unbeteiligte. Denn in der Regel schalten die Besitzer die Dashcams ein, wenn sie in ihr Auto steigen und losfahren. Jeder Verkehrsteilnehmer, ob nun Fußgänger, Fahrrad- oder Autofahrer muss damit rechnen, von unzähligen Kameras gefilmt zu werden. Darüber hinaus existieren zahlreiche Beispiele von privaten Filmaufnahmen, die auf youtube und ähnlichen Portalen zu sehen sind. Der von Dashcams Gefilmte kann mittlerweile gar nicht mehr feststellen, ob die Aufzeichnungen mit ihm über das Internet verbreitet werden. Der Gesetzgeber erachtet aus diesen Gründen private Aufnahmen mit solchen Kameras als nicht zulässig. Sie verstoßen unter anderem gegen Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes. In einem Urteil des Landgerichts Heilbronn (AZ: I 3 S 19/14) lehnten die Richter eine zivilrechtliche Verwertbarkeit ab, weil das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Gefilmten Vorrang hat.

Doch gibt es eine Einschränkung: Im Einklang mit der sonstigen Rechtsprechung zur heimlichen Überwachung verwies das Landgericht Heilbronn darauf, dass es regelmäßig auf den Einzelfall ankomme. Wenn ein Autofahrer die Kamera auf einen konkreten Anlass hin einschaltet, kann zumindest strafrechtlich eine Verwertbarkeit möglich sein. Auch die Ermittlungsbehörden können das Filmmaterial nutzen. Wenn sie dem Kamerabesitzer durch dessen eigene Aufnahmen ein Fehlverhalten nachweisen können, ist das Filmmaterial als Beweis grundsätzlich verwertbar.

Beispiele für strittige Situationen im Straßenverkehr mit schwieriger Beweisführung gibt es hingegen viele. Spurwechselunfälle und plötzlich geöffnete Fahrzeugtüren, die aber angeblich schon minutenlang offen gestanden haben sollen, sind hier zu nennen. Auch das vorherige Rückwärtsfahren des Vordermannes bei Auffahrunfällen beschreiben die streitenden Parteien oft unterschiedlich. Besonders interessant sind die Aufnahmen von Dashcams bei Unfällen mit Fahrradfahrern. Deren Fehlverhalten ist meist schwer zu belegen.

Rechtsanwalt Krämer betont daher: "Die Einzelfallprüfung, wie sie die Rechtsprechung heute zurückhaltend vornimmt, sollte aber im Rahmen einer Güterabwägung und nach Ausschöpfung sämtlicher sonstiger Beweismittel möglich sein". Anlassbezogene Filmaufnahmen könnten als Beweismittel zulässig sein.

Da Rechtslage und Rechtsprechung uneinheitlich sind, ist der Gesetzgeber gefordert, Rechtssicherheit zu schaffen und den Schutz der Rechte der Betroffenen zu wahren. Dies ist auch mit Blick auf die technischen Entwicklungen dringend geboten. Viele Fahrzeuge werden in Zukunft mit Fahrassistenzsystemen und damit mit vielen Kameras ausgestattet sein. Damit die Halter der Fahrzeuge dann die technischen Innovationen auch nutzen können, sollten die rechtlichen Aspekte geklärt sein.

Ein Filmbeitrag zu Dashcams ist unter folgendem Link zu finden:
https://anwaltauskunft.de/videos/mobilitaet/dashcams-sind-ein-rechtliches-risiko/

Außerdem sind unter https://anwaltauskunft.de/magazin/mobilitaet/verkehr/745/dashcams- im-auto-beweismittel-vs-datenschutz/ weitere interessante Informationen zu dem Thema nachzulesen.

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Quelle:
Pressemitteilung VGT 6/16 vom 26. Januar 2016
Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
PR-Referat
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2016

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