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PRESSE/576: Der Sinn des Lebens (Der Mittlere Weg)


Der Mittlere Weg - Nr. 1, Januar - April 2007
Nachrichten des Buddhistischen Bundes Hannover e.V.

Der Sinn des Lebens

Von Ulrike Hecker


"Das Leben macht keinen Sinn mehr!" Dieser Satz einer Freundin, deren Mann gestorben war, hatte mich wach gerüttelt. Meistens schiebt man ja den Gedanken an den Sinn weit von sich, denkt fast nie drüber nach. Nun meine ich hier nicht, warum es überhaupt Leben gibt und was der Sinn dahinter ist. Ich denke, dass das zu den Dingen gehört, wozu sich der Buddha nicht geäußert hat, weil er uns auf dem Weg nicht weiter bringt. Da wir nun aber da sind, so können wir uns auch mit dem Sinn dieses einen Lebens auseinandersetzen. Und vielleicht sollte ich den Titel des Aufsatzes in "Der Sinn des Weiterlebens" umbennen.

Hier nun meine sehr persönliche Meinung zum Sinn des Lebens.

Wann habe ich mich in meinem Leben mit dem Sinn auseinandergesetzt?

- Während des Studiums, als ich die Perspektivlosigkeit meines Tuns ahnte.

- Als ich das Gefühl hatte, dass sich nichts mehr tut, dass egal, was ich mache, immer neue Probleme auf mich zu kommen.

Am erschreckendsten war der Moment, als ich dachte, dass mir das Leben nichts mehr bietet, dass ich irgendwie schon alles gesehen und erlebt hatte, was ich mir je erträumt hatte. Als ich feststellte, dass ich keine Träume mehr hatte.

Immer waren diese Gefühle mit Suizid-Gedanken verbunden. Und das einzige, was ich dann begriff, war, dass das Sterben, der Freitod, keinen Sinn machte.

Also: der Freitod, das Sterben macht keinen Sinn. Aber welchen Sinn hat das Leben. Macht es nur Sinn als Gegensatz zum Sterben?

Ich habe mich auf die Suche gemacht, auf die Suche nach meinen Träumen, auf die Suche nach dem Sinn.

Im Buddhismus heißt es, dass Träume nur eine Sehnsucht nach Möglichkeiten in der Zukunft sind, von denen man nicht weiß, ob sie sich erfüllen. Deshalb ist es ein schädliches Habenwollen, das einen vom Weg abbringt oder aufhält. Man sollte mit größter Achtsamkeit im Hier und Jetzt leben. Das schafft Zufriedenheit und inneren Frieden.

Soweit bin ich noch nicht. Deshalb hier meine kurzfristigen Ziele und Träume: Inneren Frieden zu erreichen, mit Meditation auf diesem Weg weiterzugehen. Damit ist es der Sinn meines Lebens, Zufriedenheit zu erreichen. Und: mit meinem Verhalten niemanden zu verletzen, ein Vorbild zu sein und meinen Platz auszufüllen. Der Sinn meines Lebens ist es auch, für andere da zu sein, das Leben anderer zufriedener und sinnvoller zu machen.

Wie sieht es aus mit dem Sinn, wenn man Insekt oder Alge ist? Ich komme zu dem Schluss, dass es der Sinn jeden Lebens ist, seinen Platz auszufüllen, hilfreich für sich und andere zu sein. Jedes Wesen hat seinen Platz auf dieser Welt, wenn es nicht da ist, dann fehlt etwas.

Einfaches Beispiel: In Peking hatte man in den 50er Jahren eine Kampagne gestartet, alle Vögel in der Stadt zu vernichten, da diese Krankheiten übertragen und Dreck machen. Das gelang weitestgehend. Doch dann musste man feststellen, dass Insekten sich stark vermehrten und zur Plage wurden. So hatte es also doch einen Sinn, dass es die Vögel gibt, die Insekten fressen.

Jeder sollte einmal überlegen, was wäre, wenn er nicht existieren wurde. Da gibt es doch diesen wundervollen alten Spielfilm "Ist das Leben nicht schön!" mit James Stewart, wo dieses "Was wäre, wenn" einmal ausgemalt wurde. Sicher ist jeder irgendwie ersetzbar, aber die Welt wäre eine andere, wenn ich nicht existieren würde.

Ich weiß, dass ich für ein paar Menschen ein Vorbild bin. Meine Handlungen haben ihre beeinflusst. Und vielleicht war ich auch schon mal ein gutes Vorbild. Ich kann mich nicht alleine betrachten, sondern muss mich immer im Zusammenhang mit anderen sehen.

Das ist der Sinn meines Daseins, dass ich ein Rädchen im Weltgefüge bin.

Da ich mir nun bewusst bin, dass mein Verhalten Einfluss auf das Verhalten anderer hat, so bin ich verpflichtet, mich so gut wie möglich zu verhalten, damit andere davon profitieren können.

Und wie zur Bestätigung meiner Worte habe ich folgende Verse Shantidevas gefunden:

Wann immer jemand mich wahrnimmt,
möge dies unweigerlich bedeutsam sein und
des Betreffenden Glück zur Folge haben.

Falls jemand mich wahrnimmt
und dabei Wut oder Bewunderung empfindet,
möge gerade dies die andauernde Ursache
für das Erreichen all seiner Ziele sein.

Jene, die mich verleugnen und die
Mir irgendein Leid zufügen
oder mir eine Beleidigung an den Kopf werfen,
mögen alle dadurch glückliche Erleuchtung erlangen.

Möge ich den Schutzlosen ein Beschützer,
denen, die sich auf den Weg gemacht haben,
ein Führer,
denen, die hinüber (an das andere Ufer) wollen,
eine Fähre, ein Boot oder eine Brücke sein.

Denen, die eine Insel suchen, eine Insel,
denen, die Licht brauchen, eine Leuchte,
denen, die einer Rast bedürfen, eine Bleibe,
und allen, die einen Diener benötigen, ein Sklave.

Möge ich allen Wesen
ein Wünsche erfüllendes Juwel,
ein vortreffliches Gefäß,
ein wirksames Mantra, eine starke Medizin,
ein Wünsche erfüllender Baum,
eine Wünsche gewährende Kuh sein.

(Aus Shantidevas Anleitungen auf dem Weg zur
Glückseligkeit.)


*


Quelle:
Der Mittlere Weg - majjhima-patipada
39. Jahrgang, Januar - April 2007/2550, Nr. 1, Seite 22
Herausgeber: Buddhistischer Bund Hannover e.V.
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"Der Mittlere Weg - majjhima-patipada" erscheint
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den 18. Januar 2007