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PRESSE/578: Karmapas Buddha-Aktivität (Buddhismus heute)


Buddhismus heute 42 - Winter 2006/07

Das Diamantweg-Magazin der Karma-Kagyü-Linie

Karmapas Buddha-Aktivität

Von Lopön Tsechu Rinpoche
Hamburg, 1991


Der Name "Karmapa" bedeutet, dass er die Aktivität aller Buddhas ist. Er verkörpert die Aktivität von allen Verwirklichten in allen zehn Richtungen. Karmapa ist der Mann der Buddhaaktivität und auch ein Ausdruck der höchsten Weisheit aller Buddhas. Es ist nicht möglich, die Qualitäten von seinem Körper, seiner Rede und seinem Geist zu erklären, denn sie gehen weit über das hinaus, was man mit Worten ausdrücken kann.

Karmapa ist die Aktivität aller Buddhas und zugleich eine Ausstrahlung des großen Bodhisattvas "Liebevolle Augen" (skt. Avalokiteshvara). Ihr habt vielleicht gehört, dass auch der Dalai Lama eine Ausstrahlung von "Liebevolle Augen" ist, und manche zweifeln dann vielleicht und denken, "Wie kann das sein, dass beide Ausstrahlung von dem gleichen Bodhisattva sind?" Aber Buddhaaktivität hat in ihrem Ausdruck keinerlei Begrenzung. Es gibt unzählige Ausstrahlungen von Buddhas und Bodhisattvas, und so auch unzählige Ausstrahlungen von dem Bodhisattva "Liebevolle Augen".

Es wird übrigens auch gesagt, dass Karmapa und Guru Rinpoche ein und der gleiche sind.

Was bedeutet es, eine Ausstrahlung oder eine Inkarnation zu sein? Im Grunde genommen sind wir alle Inkarnationen, denn wir sind ja alle wiedergeboren worden. Ob wir eine Geburt unter guten oder unter ungünstigen Umständen bekommen, ist das Resultat unserer früheren Handlungen. Das Besondere an einer bewussten Inkarnation - einem so genannten Tulku - ist, dass dies keine karmische Geburt ist, sondern dass sie entsprechend den Bedürfnissen der Wesen geschieht. Solange Samsara besteht, werden immer wieder Wesen geboren, deren Aktivität anderen Wesen zu helfen ist. Sie werden immer in einer Weise und an einer Stelle geboren, dass sie den Wesen helfen können. Ihr Körper entsteht nicht aufgrund von Karma.

Im alten Indien gab es die Tradition der Aufhndung der Tulkus - der bewusst Inkarnierten - noch nicht. Sie wurde erst in Tibet etabliert. Die erste bewusste Inkarnation war damals in Tibet der Karmapa.

Ein früherer Karmapa sagte einmal, "Ich bin Buddha, ich bin Yidam, ich bin Dakini, ich bin Dharma-Schützer - ich verkörpere alle." Er prophezeite auch, "Meine Aktivität wird solange weitergehen, bis die 1000 Buddhas unseres Zeitalters erschienen sind."

Wenn ich von allen Karmapas, vom ersten bis hin zum 16. Karmapa, erzählen sollte, so wäre das gar nicht möglich, denn ihre Qualitäten sind jenseits davon, dass man sie beschreiben könnte. So werde ich nur ein bisschen über den 16. Karmapa und über einige besondere Dinge, die ich bei ihm erlebt habe, erzählen.

Es eignete sich damals in Nepal etwas, das deutlich zeigte, dass Karmapa einen Ausstrahlungskörper hatte. Es geschah als der 16. Karmapa bei Vollmond in Boudha eine große Zeremonie leitete. Er hatte tausend Butterlampen und viel kostbaren Stoff für den Stupa geschenkt und eine Langlebens-Ermächtigung gegeben. Ebenso wurden an Swayambu Lichter geschenkt und der Stupa gesegnet. Zu dieser Zeit wohnte der 16. Karmapa in der Innenstadt von Kathmandu in einem Privathaus. Auch dort hat eine Zeremonie mit ihm stattgefunden. Das Spezielle daran war nun, dass dies alles gleichzeitig geschah!

An allen drei Stellen gab es Leute, die Karmapa dort sahen und die Ermächtigung von ihm bekamen. Sie waren sich alle ganz sicher, dass es genau zum gleichen Zeitpunkt geschah. Als dies später herauskam, dachten alle, dass die anderen sich in der Zeit zu der das alles geschehen sein sollte, irrten. Dann stellte sich aber heraus, dass die Ereignisse tatsächlich an allen drei Plätzen gleichzeitig stattgefunden hatten. Das ist ein Beispiel dafür, welche Fähigkeiten ein Tulku hat und was ein Karmapa tun kann.

In Patan bei Kathmandu gibt es eine sehr heilige Buddhastatue. Auch dort war Karmapa zum gleichen Zeitpunkt. Ich selbst war damals bei dem Ereignis in Boudha dabei.

Karmapa ist eine Ausstrahlung des Bodhisattvas "Liebevolle Augen". Solche Ausstrahlungen erscheinen in einer Weise, wie die Wesen es brauchen. Wo sie Wesen helfen können, dort manifestieren sie sich.

Ich möchte eine weitere Geschichte erzählen, die ich mit Karmapa erlebt habe und die zeigt, was ein Bodhisattva tut.

Einmal fuhr ich mit dem 16. Karmapa von Kathmandu aus nach Indien. An der Grenze zwischen Nepal und Indien ist ein Dschungel, und es war unerträglich heiß. Einige von euch haben das vielleicht schon einmal erlebt. Wir mussten dort einen Tag und eine Nacht verbringen, und es gab kaum Häuser. Wir schliefen in kleinen Hütten, und es war wirklich sehr unangenehm. Es gibt dort auch viele besonders giftige Moskitos. Ein Stich von ihnen tut sehr weh, und in der Gegend ist Malaria sehr verbreitet. Normalerweise benutzt man Moskito-Netze und versucht natürlich sein Bestes um sich zu schützen. Karmapa zog sich in der Nacht ganz aus und ließ bewusst alle Moskitos zu sich kommen und trinken. Er wollte nicht, dass irgendjemand etwas tut, um sie von ihm fernzuhalten. Es kamen sehr viele und er saß einfach nur da."

Einige von euch haben ja vielleicht noch den 16. Karmapa getroffen. Aber ihr alle habt ja bestimmt gehört, dass er sogar Vögel in Meditation unterrichtet hat. Wenn diese Vögel später starben, gingen sie dabei in Vertiefung.

Er hatte immer sehr viele Vögel um sich, und die Menschen wunderten sich, dass er - wo er auch hinkam - Vögel kaufte. Manchmal waren sie sehr teuer. Er wusste immer genau, wo die Vogel-Geschäfte waren und welche Vögel er kaufen würde. Der Grund dafür war, dass er diesen Vögeln tatsächlich Meditation beibrachte. Viele haben beobachtet, dass diese Vögel im Moment des Sterbens in tiefe Meditation gingen.

Ich möchte noch eine Geschichte als Beispiel für Karmapas besondere Aktivität erzählen.

Einmal begleitete ich Karmapa auf einer Pilgerreise in Indien und wir waren auf dem Weg von Patna nach Bodhgaya. Wir kamen in ein Dorf und sahen dort in einem Privathaus zwei weiße Affen. Sie waren sehr dünn und sahen sehr krank aus. Bei unserem kurzen Halt hatte uns jemand von diesen zwei Affen erzählt, und Karmapa bestand darauf sie zu sehen. Wir gingen also dort hin, und Karmapa sagte, er wolle die zwei Affen kaufen und mitnehmen. Unsere anderen Reisebegleiter sagten, "Ja natürlich, wir tun alles was du wünschst. Wenn du möchtest, kaufen wir sie. Aber eigentlich werden wir jetzt viel im Zug fahren und in Indien ist es vielleicht nicht so leicht Affen im Zug mitzunehmen." Die Affen waren wirklich groß, nicht diese kleine Sorte.

Die Leute fragten Karmapa mehrmals, "Meinst du das ernst? Willst du sie wirklich kaufen?" Karmapa antwortete immer, "Ja!" Es war so, er wollte sie kaufen. Der Besitzer bekam ungefähr 7000 Rupien pro Affe, Karmapa zahlte einfach, was er forderte.

Karmapa ließ zwei große Holzkäfige herstellen, so dass die Affen im Zug und überall hin mitkommen konnten. Sie kamen mit nach Bodgaya, dann nach Kalkutta. Von dort wurden sie nach Rumtek geschickt. Karmapa tat alles für sie, er füttert sie usw.

Die Affen wurden dann nach Rumtek vorausgeschickt, und Karmapa gab genaue Anweisungen, was mit ihnen geschehen solle, wie sie zu behandeln wären, dass man wirklich gut auf sie aufpassen solle usw.

Karmapa kam dann später von dieser Reise nach Rumtek zurück, ich war damals bei ihm. Ein paar Tage vor Karmapas Ankunft waren die Affen gestorben, und niemand traute sich, es Karmapa zu erzählen. Ich fand heraus, was geschehen war, und sagte an einem Tag zu Karmapa, "Weißt du, die Sache mit den beiden Affen da, die war vielleicht doch nicht so sinnvoll. Vielleicht sind sie schon gestorben". Karmapa antwortete, "Was?" und ließ denjenigen holen, der auf sie aufpassen sollte. Karmapa fragte ihn, ob sie gestorben wären, und der Mann sagte "Ja!". Karmapa fragte ihn, "Und, was ist passiert?", und der Mann sagte, "Sie sitzen in Meditation." Damit war ja alles in Ordnung.

Sie waren tatsächlich in voller Meditation sitzen geblieben, genau wie große Meditierende nach dem Sterben. Sie fielen nicht um und auch nach mehreren Tagen rochen die Leichen nicht. Das war wirklich ein tiefer Samadhi.

Das waren nur ein paar kleine Beispiele von Karmapas Aktivität. Wir als Buddhisten und Praktizierende haben mit dem Karmapa eine starke Verbindung. Wir haben Vertrauen in ihn, denn wir wissen, wie großartig er ist. Ganz gleich, was die Menschen sonst über Karmapa denken, ob sie ihn für einen großen Lehrer halten oder ihn schlecht finden - es spielt keine Rolle, Karmapa ist einfach wie er ist. Was die Leute über ihn denken, spielt keine Rolle für seine Qualitäten. Aber für uns macht es schon einen Unterschied, denn je mehr Vertrauen wir in ihn haben können, je mehr wir von seiner Größe sehen können, desto besser ist es für uns. Dann werden wir mehr von seinem Segen empfangen können. Aus diesem Grund habe ich diese Beispiele erzählt.

Aus dem Tibetischen in Englisch: Unbekannt

Ins Deutsche von Claudia Knoll und Detlev Göbel


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Quelle:
Buddhismus heute 42, Winter 2006/07, Seite 18
Herausgeber:
Buddhistischer Dachverband Diamantweg der Karma Kagyü
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veröffentlicht im Schattenblick am 22. Januar 2007