Schattenblick →INFOPOOL →RELIGION → BUDDHISMUS

PRESSE/606: Will uns der Dalai Lama nicht? (Buddhistische Monatsblätter)


Buddhistische Montsblätter Nr. 3/2007, Juli - September

Will uns der Dalai Lama nicht?

Von Gino Leineweber


Vom 21. bis 27. Juli 2007 wird der Dalai Lama Hamburg besuchen. In einem Spiegel-Interview sagte er, die Menschen mit christlichem Hintergrund sollten besser bei ihren Wurzeln bleiben. Einige Bemerkung dazu.

Hamburg freut sich auf den Besuch des Dalai Lama, und es darf vorausgesetzt werden, besonders die hier lebenden Buddhisten aller Traditionen. Ich auch.

Unter dem Motto 'Frieden lernen' wird er am Wochenende (21./22.7) Vorträge zu diesem Thema halten. Vom 23. bis 27. Juli erläutert Seine Heiligkeit Belehrungen über Buddhistische Philosophie und Praxis: Aryadevas 400 Verse.

Die Buddhistische Gesellschaft Hamburg (BGH) wird, gemeinsam mit dem "Haus der Stille", Roseburg, während des Besuchs mit einem Informationsstand auf sich aufmerksam machen. Ich selbst habe die große Ehre und Freude, die begleitende Ausstellung buddhistischer Thankas und Statuen zu eröffnen (siehe dazu unser Interview mit Manoj Rauniar)

Der Dalai Lama hat dem Magazin DER SPIEGEL in seiner Ausgabe 13/2007 ein Interview gegeben, über die Faszination des Buddhismus, sein schwieriges Verhältnis zu Chinas KP-Chefs und die Chancen, im Exil über seine Nachfolge zu entscheiden. Gleich zu Anfang des Interviews macht er deutlich, dass es ihm gar nicht so recht ist, dass in Europa und den USA immer mehr Menschen Buddhisten werden, und begründet das folgendermaßen: "Es ist besser, wenn jeder Mensch seiner eigenen Tradition folgt. Sie im Westen haben einen jüdisch-christlichen Hintergrund, es ist besser, wenn Sie bei Ihren Wurzeln bleiben."

Wie bitte?, dachte ich. Der Dalai Lama ist doch eine spirituell und intellektuell herausragende Persönlichkeit unserer Zeit. Sollte er glauben, die Lehre des Buddha sei nicht für alle Menschen geschaffen? Kann es sein, das Ziel der Leidvermeidung, die Vier Edlen Wahrheiten, gäbe es nur für Menschen, die den mythologisch-religiösen Hintergrund des Fernen Ostens haben? Das würde mich sehr wundern.
Was aber ist der Grund für diese nicht überraschende Aussage, die ich in der Tat schon früher von ihm gehört habe?

Es könnte sein, dass er den jüdisch-christlichen Hintergrund allein in seiner Bildhaftigkeit versteht. Den Sündenfall als Metapher für den Verlust der Reinheit, die eine Variante der überall bekannten "Trennung von Himmel und Erde" ist, und mit der dargestellt wird, dass der Mensch das Bewusstsein für das ewige Leben verloren hat und nunmehr sein Verstand und Geist in der Welt des Vorstellungen gefangen ist. Die Metapher der Erlösung mit dem Erscheinen des Heilands, im Christentum durch die Geburt Jesu Christi, verweist darauf, dass den Menschen das intuitive Wissen um die Identität der Zeit und ihrer Eigenschaften einerseits und dem ewigen Leben andererseits wiedergegeben wird. Auch die Schöpfungsgeschichte und damit der Schöpfer, Gott, wird ebenfalls metaphorisch gemeint sein. Dass der Dalai Lama das so meint, könnte sein.

Dann hätte er allerdings vorausgesetzt, bei uns Menschen mit jüdisch-christlichem Hintergrund, wir würden es ebenfalls als Metapher verstehen. Das wäre dann auf einer intellektuellen Ebene nachvollziehbar, übersieht aber die Wirklichkeit, die, im jüdisch-christlichen Weltbild, den Metaphern Realität verleiht, und beispielsweise in Gott eine klar umrissene Gestalt sieht. Dies lässt aus meiner Sicht allerdings keinen Vergleich mehr mit der Lehre des Buddha zu, und wenn ich mich der einen Auffassung zuneige, das heißt, Buddhist sein will, dann nur noch Christ sein kann, wenn ich reale Betrachtungsweisen, wie die der Erschaffung der Welt, wieder durch das ersetze, was sie ursprünglich waren, nämlich erklärende Bilder für spirituelle Wahrheiten, die anders nicht zu erfassen sind.

Der Dalai Lama, den ich vorstehend als spirituell und intellektuell bezeichnet habe, ist aber auch noch etwas anderes, nämlich friedvoll. Mit seiner Äußerung könnte er deshalb vermeiden wollen, im Westen einen Eindruck von "Missionierung" zu erwecken. Jeder, der mit der Lehre des Buddha vertraut ist, wird wissen, dass das Wort "Missionierung" im Dhamma keinen Platz hat. Aber das wissen diejenigen, die im Westen das wachsende Interesse am Buddhismus argwöhnisch verfolgen, nicht unbedingt.

Diesen Grund für die Interview-Äußerung kann ich mir, bei der sanften und friedvollen Art, die der Dalai Lama vermittelt, noch am besten vorstellen, zumal er davon ausgehen kann, dass diejenigen, die die Lehre des Buddha für sich entdeckt haben, ihn durchschauen, wissen sie doch, dass Teil des Dhamma das "Loslassen" ist. Bei seinen "Wurzeln (zu) bleiben", würde eher der Aufforderung nach "Anhaftung" entsprechen.

Wie auch immer, genau weiß ich nicht, was der Dalai Lama meinte oder warum er es sagte. Aber vielleicht läuft er mir in Hamburg über den Weg, und ich könnte ihn direkt danach fragen... Wäre doch schön.

Weiter Informationen erhalten Sie auf der Website:
www.dalailama-hamburg.de
per E-Mail: info@dalailama-hamburg.de
oder per Post:
Der Dalai Lama in Hamburg
Postfach 10 02 07, 20001 Hamburg


*


Quelle:
Buddhistische Montsblätter Nr. 3/2007, Juli - September, Seite 6-7
Herausgeberin: Buddhistische Gesellschaft Hamburg e.V.,
Beisserstr. 23, 22337 Hamburg
Tel.: 040 / 6313696, Fax: 040 / 6313690
E-Mail: bm@bghh.de
Internet: www.bghh.de

Die Buddhistischen Monatsblätter erscheinen
vierteljährlich.
Abonnementspreis: 20,-- Euro jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2007