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PRESSE/677: Titel und Anrede im Zen-Buddhismus (Zenshin)


ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 2/07

Titel und Anrede im Zen-Buddhismus

Von Dorin Genpo


Seit einigen Jahren hatte ich bereits auf Wunsch der Lotusblätter-Redaktion einen Artikel zum Thema "Titel und Anreden im Zen-Buddhismus" verfasst. Mein Beitrag sollte dazu dienen, den Mitgliedern der Deutschen Buddhistischen Union, die verschiedenen buddhistischen Traditionen angehören, Titel und Anreden vorzustellen, die im authentischen Zen-Buddhismus benützt werden. Damals nahm ich an, dass damit auch ein wenig Klarheit und Korrektheit in die westliche "Zen-Szene" einkehren würde. Doch immer noch ist festzustellen, dass anscheinend manche "Zen-Leute" entweder aus Unwissenheit oder aus anderen Gründen sehr unbekümmert mit buddhistischen Titeln und Anreden umgehen. So ist es oft nicht so einfach zu erkennen, ob jemand Titel oder Namen rechtmäßig führt, sprich, eine entsprechende Ausbildung und Lehrbefugnis erhalten hat. Vermutlich ist dieses Phänomen im Westen jedoch nicht nur in den Zen-Schulen anzutreffen.

Nun möchte ich an dieser Stelle noch einmal versuchen, in aller Kürze, die wichtigsten Titel, Anreden und Zen-Ausdrücke vorzustellen:

In Japan gibt es drei Zen-Schulen: Soto, Rinzai und Obaku. Das System der Soto-shu unterscheidet sich auch bei Namen und Titeln ein wenig von dem der Rinzai- und Obaku-shu. Die im Westen so aktive wie verbreitete "Sanbokyodan" spielt in Japan keine Rolle. Sie ist eine kleine Laienorganisation, eine Mischung aus Soto- und Rinzai-Zen, die ein eigenes System entwickelt hat. In kürzester Zeit ist es dort möglich Ausbildung und Koan-Schulung zu absolvieren und wohlklingende Titel zu erhalten. U. a. scheint sich die Sanbokyodan darauf spezialisiert zu haben, christlichen Geistlichen buddhistische Titel zu verleihen. Meines Erachtens hat dies mit authentischem Zen-Buddhismus und entsprechender Zen-Schulung nichts zu tun. So möchte ich mich an dieser Stelle nur mit den drei traditionellen Zen-Schulen beschäftigen.

Hier die wichtigsten Titel, Namen und Begriffe in Kürze:

HO-MYO (Dharma-Namen): Schüler(innen), die zu Buddha, Dharma und Sangha Zuflucht genommen haben, erhalten von ihrem Lehrer oder Meister einen 'buddhistischen Taufnamen'. Dieser Name sagt nichts über Ausbildung oder Qualifikation aus. In Japan erhalten die "Laien"/Gläubigen diesen Namen erst nach dem Tod. Mit dem Dharma-Namen wird das Bestreben des Gläubigen bestätigt, die Lehre praktiziert und die Silas eingehalten zu haben.

KANCHO: Oberhaupt einer Hauptlinie des Zen (Myoshin-ji, Tenryu-ji, Tofuku-ji, Nanzen-ji...

NISO: Bezeichnung für Nonnen und weibliche buddhistische Geistliche (verwendet frau nicht für sich selbst)

ORDENSNAMEN: Nonnen und Mönche erhalten von ihrem Meister einen Namen, der mindestens eine Silbe (ein Schriftzeichen) aus dem Namen ihres Meisters enthält. Mit der 'Selbständigwerdung' und Anerkennung durch den Meister erhält Mönch oder Nonne einen zweiten Namen.

OSHO/DAI-OSHO (Hochwürden): Dieser Titel wird Mönchen und Nonnen nach ihrer Ausbildung im Kloster verliehen, wenn sie die Lehrerlaubnis erhalten und/oder mit der Leitung eines Tempels oder einer Gemeinde beauftragt werden. Wird auch für Zenmeister und Patriarchen der Dharmalinie benutzt. Ein(e) Osho wird normalerweise nicht 'Sensei', sondern 'Osho' angesprochen. In schriftlichen Texten ist dann z.B. Dorin Genpo Osho die korrekte Bezeichnung, während Döring Osho "falsch" ist, allenfalls die Kombination Döring Genpo Osho wäre möglich. Da alle glattrasierten, in schwarzer Robe herumlaufenden, buddhistischen Geistlichen schwer zu unterscheiden sind, ist es in Japan jedoch üblich jeden Mönch oder Nonne mit Osho anzusprechen. Z.B. Osho-san oder Osho-sama (sehr höflich).

ROSHI/ROTAISHI: 'alter (Zen-)Meister'. Wird im Rinzai-Zen nur nach Absolvierung der traditionellen Klosterausbildung und Überprüfung und Anerkennung (der Erleuchtung) durch andere Roshi verliehen und bestätigt. Im Rinzai-Zen ist der Roshi Dharmalinienhalter. Man kann sich nicht selbst zum Roshi ernennen. Ein Roshi wird normalerweise nicht mit Sensei angesprochen, sondern mit Roshi. Die korrekte Anrede in der Öffentlichkeit oder in der Schriftform ist der ganze Name, z.B. Hozumi Gensho Roshi. In der Soto-Schule hat der "Roshi" eine andere Bedeutung und Gewichtung. Jeder ältere Geistliche, ob Mönch, Nonne oder Respektsperson wird Roshi angesprochen oder genannt.

SENSEI: Frau Lehrerin, Herr Lehrer. Anrede für Respektspersonen, wie Ärzte, Professoren, aber auch für die Kindergärtnerin, einen alten Mann oder den Sport-Trainer. Man bezeichnet sich selber nicht als Sensei. Sensei ist kein Titel, der verliehen werden kann, und wird auch nicht auf dem Briefkopf verwendet.

SORYO/BOZU (OBOSAN) Bezeichnung für Mönche und buddhistische Geistliche (verwendet man nicht für sich selbst)

UNSUI: Novize/Mönch in der Ausbildung, lebt im Kloster. Ist kein Titel und wird auch nicht zur Anrede benützt.

ZENJI: In der Rinzai-Schule: der 'unterste Grad' sagt aus: dieser Mönch gehört zur Rinzai-shu. Der 'höchste Grad' wird für Zen-Meister und Patriarchen der Dharmalinie benutzt. Diesen Ehrentitel benutzt man als Anrede für andere, hauptsächlich im schriftlichen Umgang, aber nicht für sich selbst. In der Soto-Schule wird der Titel Zenji nur für das amtierende Oberhaupt und seine Vorgänger benützt.

ZENNI: wie oben. Jedoch für Nonnen benützt.

Sensei und Roshi sind im Westen wohl die bekanntesten Titel und vermutlich deshalb die Bezeichnungen, die gerne und häufig benutzt werden. Mich wundert es immer wieder, dass Buddhisten, die sich mit der Lehre vom "Nicht-Selbst" beschäftigen (sollten), so viel Wert auf Titel und Kittel legen und dabei gelegentlich das Maß der Bescheidenheit und Redlichkeit außer Acht zu lassen scheinen. Ich halte es im Gegensatz dazu für sinnvoller), wenn sich die Buddhisten im Westen nicht immer gleich "duzen" oder anderen ihr "Du" aufdrängen und sich statt dessen (erstmal) mit "Sie" und "Herr oder Frau Soundso" ansprechen. So wäre es dann gelegentlich nicht so peinlich, wenn jemand vor allen Leuten fragt oder sagt: "Ich kenne mich mit buddhistischen Titeln und Anreden nicht aus, darum weiß ich nicht, wie ich dich ansprechen soll .............".


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Quelle:
ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 2/07, S. 43-44
Herausgeberin: Hakuin Zen Gemeinschaft Deutschland e.V. (HZG)
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Redaktion: Nanshu Susanne Fendler / Bunsetsu Michael Schön
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ZENSHIN erscheint halbjährlich.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. März 2008