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PRESSE/697: Indologe und Buddhist - Dr. Hans Wolfgang Schumann (DMW)


Der Mittlere Weg - Nr. 2, Mai - August 2008
Zeitschrift des Buddhistischen Bundes Hannover e.V.

Ein Indologe und Buddhist
Zum 80. Geburtstag von Dr. Hans Wolfgang Schumann

Von Axel Rodeck


Es ereignete sich ein heiteres, aber auch aussagekräftiges Geschehnis, als H.W. Schumann von mir erstmals durch die Räume unseres BBH geführt wurde. Es klingelte an der Tür und ein fremder junger Mann erschien: Er wolle sich bei uns weiter über den Buddhismus informieren, ein gutes Grundwissen habe ihm schon "der Schumann" verschafft. Überraschtes Staunen und großes Gelächter, als ich ihm sagte, "der Schumann" stehe wenige Schritte neben ihm.

Mann und Werk bilden also bereits die Institution "Der Schumann". Der 80. Geburtstag von Dr. Hans Wolfgang Schumann, den er am 31. Januar dieses Jahres in seinem Heimatort Königswinter beging und zu dem wir alles Gute für das neue Lebensjahr und -Jahrzehnt wünschen, soll Anlaß sein, sich mit Leben und Lebenswerk des Jubilars zu beschäftigen. Wie kann es kommen, dass jemand geradezu zum "Markenzeichen" der deutschen Buddhologie geworden ist?


Die Weiche wird gestellt

In den Nachkriegswirren des Jahres 1945 mit all ihren Erscheinungen wie Hunger, Zerstörungen und menschliches Elend stieß der damals 17-jährige Hans Wolfgang Schumann im Elternhaus eines Freundes auf Bücher mit Versen, die ihm nicht aus dem Sinn gingen und die er später als Verse aus dem Pali-Kanon erkannte. Insbesondere ein Vers schien der auch in seiner Heimatstadt Düsseldorf erlebten deutschen Katastrophe angemessen:

Das ganze Sein ist flammend Leid.
Wer dies mit weisem Sinne sieht,
wird bald des Leidenslebens satt.
Das ist der Weg zur Läuterung.

Schumanns Interesse war geweckt und er schloß sich 1947 einer von Walter Persian, einem Journalisten mit Spezialisierung auf Asien, geleiteten Düsseldorfer buddhistischen Gruppe an. 1948, im Jahre der Währungsreform, machte der Schüler Schumann sein Abitur und begann im nächsten Jahr eine Lehre als Verlagsbuchhändler, was ihm ermöglichte, systematisch nach damals noch recht knapper buddhistischer Literatur zu suchen.

Als Walter Persian sich von der Buddhismus-Arbeit zurückziehen musste, weil die größte lokale, damals streng katholisch orientierte Zeitung dieses Engagement beanstandete und mit Auftragsentzug drohte, fanden die buddhistischen Treffen in der Wohnung der ehemaligen Tänzerin Inja Berndt ("Sumuttika" = die Schöngestaltige) und ihrem Ehemann statt. Der junge Schumann übte sich nun schon in der Auslegung buddhistischer Texte. Es scheint eine ungezwungene, fruchtbare Zeit gewesen zu sein.

Schon während seiner Buchhandelslehre hatte Schumann die Überzeugung gewonnen, dass eine tiefere Kenntnis des Dhamma die Beherrschung des Pali voraussetzt. Nachdem er 1951 seine Lehre abgeschlossen hatte, nahm er daher an der Universität Bonn das Studium der Indologie auf. Dort waren zunächst die Professoren Kirfel und Losch (der erstaunlicherweise im Telefonbuch als "Kammersänger" ausgewiesen war), ab 1955 Paul Hacker seine Lehrer, und am 3. Juli 1957 legte er bei dem Indologen Hacker, dem Völkerkundler Trimborn und dem bekannten Religionswissenschaftler Gustav Mensching seine Doktorprüfung ab. Thema der Doktorarbeit war "sankhara", die Geistesregungen und Tatabsichten.


Hinaus in die Welt

Im Jahre 1960 faßte H.W. Schumann den Entschluß, für den Deutschen Akademischen Auslandsdienst als Lektor für die deutsche Sprache nach Indien an die Hindu-Universität in Benares zu gehen und dabei seine Buddhismuskenntnisse zu vertiefen. Seine früheren akademischen Lehrer schüttelten darob den Kopf, denn, so meinten sie, Buddhismusstudien betreibe man besser in den Bibliotheken des Westens, in Indien sei, es dagegen schmutzig und heiß und die Leute hätten keine Ahnung. Dennoch betrat Schumann noch in diesem Jahr in Indien erstmals den Boden eines Buddhalandes. Dass es am Ende zwölf Jahre in Indien und weitere acht Jahre in den buddhistischen Ländern Burma und Ceylon (Sri Lanka) werden würden, hätte niemand vorauszusagen gewagt.

Die Aufenthalte, seit 1964 als Angehöriger des Auswärtigen Dienstes der Bundesrepublik Deutschland, ermöglichten es Schumann, sich gründlich mit dem buddhistischen Denken in diesen Ländern vertraut zu machen. Er hatte die Gelegenheit, alle historischen Stätten des Buddha mehrfach zu besuchen. Als Diplomat konnte er mit hohen Politikern Gespräche über "Land und Leute" führen, vor allem aber beeindruckten ihn Begegnungen mit Buddhisten wie dem burmesischen Meditationslehrer U Ba Khin, dem Bhikkhu Nyanaponika auf Ceylon oder mit Lama Anagarika Govinda. Von 1988 bis zu seiner Pensionierung 1993 war Schumann deutscher Generalkonsul in Bombay und danach bereiste er als kundiger Reiseleiter mehrfach Indien, Nepal, Tibet und Bhutan.

So sammelte Schumann zu dem studierten Wissen einen ungeheuren Erfahrungsschatz, den er - hier dem Buddha nicht unähnlich! - nicht für sich behalten, sondern einem großen Kreis Interessierter zugänglich machen wollte. Folgerichtig war daher die Erfüllung eines Lehrauftrages für Buddhismus während einer "Heimatstationierung" 1985/86 an der Universität Bonn. Das Ergebnis sind aber auch von tiefgründigem Wissen geprägte Bücher, die dann die eingangs genannte Institution "Der Schumann" begründeten.


Das (Lebens-)Werk

B.W. Schumann hat zehn buddhismuskundliche Bücher geschrieben, von denen die meisten als Grundlagenwerke bezeichnet werden können. Zu erwähnen sind zunächst das 1976 erschienene Werk "Buddhismus - Stifter, Schulen und Systeme" und insbesondere die Buddhabiographie von 1982 "Der historische Buddha - Leben und Lehre des Gotama". Diese erschien in 13 Auflagen und 7 Sprachfassungen und führte zusammen mit dem Werk "Die großen Götter Indiens" zur Auszeichnung des Autors mit dem Rabindranath-Tagore-Literaturpreis der Deutsch-Indischen Gesellschaft. Die realistische Darstellung des Lebens Buddha Gautamas frei von legendarischen Verzerrungen ist eine objektive Basis für jeden, der sich mit dem Buddhismus und seinem Stifter wissenschaftlich oder als Buddha-Schüler befassen will. Der Leser ahnt kaum, welche Mühen es kostete, beispielsweise die soziale Herkunft der Laienbekenner aus den vorhandenen Texten zu eruieren (S. 216 der 3. Aufl. 1994).

Nur kurz erwähnt werden können Schumanns bekannte Standardwerke "Mahayana-Buddhismus", "Buddhistische Bilderwelt", "Auf den Spuren des Buddha Gotama" und "Der Buddha erklärt sein System". Hervorzuheben ist dagegen jenes Buch, das als Krönung des Schaffens unseres Jubilars angesehen werden kann und in anschaulicher Form den schon in den anderen Büchern bearbeiteten Stoff erweitert und neu gestaltet: Das "Handbuch Buddhismus". Hier versteht es der Verfasser, mit einem Grundlagenwerk zum Buddhismus in allen seinen Ausprägungen einen zuverlässigen Führer durch die originale Lehre des Buddha vorzulegen. Wer das "Handbuch" in seinem Regal stehen hat, kann sich über alle zentralen Lehren des Buddhismus sachlich informieren und, wenn er möchte, zu weiterführender Literatur (oder zum Praktizieren!) übergehen. (Die 2. aktualisierte Auflage ist im Februar 2008 bei Diederichs im Heinrich Hugendubel Verlag erschienen - zeitgerecht zum Geburtstag unseres Jubilars.)


Der Indologe/Buddhist

H.W. Schumann hatte das ungewöhnliche Glück (das gute Karma?), Beruf und Neigung in exotischer Ferne optimal miteinander verbinden zu können. Zur Seite stand ihm in allen diesen Jahren seine Frau Gerdi - die zum Schrecken ihrer Eltern dem jungen Indologen vertrauensvoll in eine fremde Welt gefolgt war. Der häufig gestellten Frage, ob er denn Buddhist sei, entzieht sich Schumann mit diplomatischem Geschick unter Hinweis auf das Dilemma: Bekennt er sich als "Buddhist", zweifeln die Kollegen Indologen an seiner wissenschaftlichen Objektivität, bezeichnet er sich als "Indologe", wird von den Buddhisten sein inneres Erleben in Abrede gestellt.

H.W. Schumann vereint preußische Exaktheit mit rheinischem Humor. Er ist ein begnadeter Erzähler, seine Ausführungen sind treffend, aber nicht verletzend. So weist er in der "Seelenproblematik" mit Bestimmtheit alle diejenigen zurück, die hinter den "Skandhas" doch irgendeine Art "Seele" annehmen wollen. Und mit sanfter Ironie bedenkt er die Mahayanins, die Gautamas "anatta" zur "Leerheit" substantiviert und diese zum Absoluten erklärt haben. Treffsicher werden von ihm die westlichen Buddhisten kritisiert, die sich meist ohne weiteres Nachdenken derjenigen Buddhismusrichtung anschließen, der sie durch irgendeinen Zufall zuerst begegnet sind.

Auch im neuen Lebensjahr will "der Schumann", unermüdlich wie immer, nicht ruhen. Ein neues Buch ist in Vorbereitung - und vielleicht erleben wir auch einen von ihm geprägten Film über den Buddha, der uns das Leben des Meisters ganz mit Schumannscher Sachlichkeit und fundiertem Wissen vor Augen führt.


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Quelle:
Der Mittlere Weg - majjhima-patipada
40. Jahrgang, Mai - August 2008/2552, Nr. 2, Seite 30-32
Herausgeber: Buddhistischer Bund Hannover e.V.
Drostestr. 8, 30161 Hannover,
Tel. und Fax: 05 11/3 94 17 56
E-mail: info@buddha-hannover.de
Internet: www.buddha-hannover.de

"Der Mittlere Weg - majjhima-patipada" erscheint
nach Bedarf und ist für Mitglieder kostenlos.


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Mai 2008