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PRESSE/701: Selbstläuterung durch Dienen und Geben (Buddhistische Monatsblätter)


Buddhistische Monatsblätter Nr. 3/2008, Juli-September
Buddhistische Gesellschaft Hamburg e.V.

Selbstläuterung durch Dienen und Geben
Eine buddhistische Betrachtung

Von Wolfgang Krohn


Was bedeutet Dienen? Jemand ordnet sich einem Höheren unter oder hat Wertschätzung für etwas der Unterstüzung Würdiges, d.h. er erbringt unentgeltliche Dienste zum Wohle der Allgemeinheit oder für dem Ich übergeordnete Wesen und Dinge. Ein guter Christ dient Gott, ein guter Muslim Allah und ein guter Buddhist dem Buddha oder Dhamma. Ein spirituell Strebender scheut keine Mühe, heilige Stätten aufzusuchen, unentgeltlich zu arbeiten oder zu geben. Inbegriff des Dienens bedeutet selbstlos handeln!

Wer der Lehre Buddhas folgt, muss wegen der Selbstläuterung unentwegt praktizieren. Grundlage hierfür sind die im Palikanon überlieferten Lehrreden, die unzählige Möglichkeiten bieten, das Leben zu verändern. Ganz besonders geht es um die Geistesklarheit, die in unserem heutigen Leben immer mehr verloren geht. Begehrlichkeit, übles Denken und Verblendung dominieren den Geist des modernen Menschen. Wer nur wenige Kenntnisse des Palikanons besitzt, wird schon nach einigem Lesen zwei Namen kennenlernen, die am häufigsten vorkommen. Nämlich Gautama Buddha und sein ständiger Begleiter Ananda. Der Buddha hat, nachdem er den 8-Pfad wiederentdeckt hatte, die nach Wahrheit suchenden Menschen, Götter und Geister ohne Einschränkung und jederzeit belehrt. Damit ist er der höchste Diener in der spirituellen Welt. Einen ihm Gleichen hat es bis heute nicht gegeben, abgesehen von den Buddhas früherer Weltzeitalter.

Wenden wir uns nun Lehre des Buddha zu. Wirken in Gedanken, in Worten und Taten bestimmen die Entwicklung des Menschen. Damit sind für uns drei Stufen des Dienens erkennbar, die unser diesseitiges und jenseitiges Wohl weitgehend bestimmen. Wie können wir nun tätig werden? Aus Mitempfinden! Wir sehen die Not und Bedürftigkeit unserer Mitmenschen. Das ist der Grund, den Leidenden Hilfe und Unterstützung durch Spenden oder unentgeltliche Dienstleistungen zukommen zu lassen. Wer kennt nicht die kleinen täglichen Dienste, wie Nachbarschaftshilfe, Krankenbesuche, Sterbebegleitung, alleinstehenden Müttern bei der Erziehung ihrer Kinder behilflich sein. Wir können aber auch mit unseren eigenen geistigen Erkenntnissen anderen etwas geben, das ihnen im täglichen Leben helfen kann. Der Buddha nennt die geistige Gabe, nämlich die Darlegung der Weisheit. als die höchste vor jeder materiellen, In unserer heutigen Zeit steht das Verdienen im Vordergrund; d.h. man erbringt nur eine Leistung, wenn man auch etwas dafür bekommt. Da unsere Bedürfnisse ständig wachsen, benötigen wir immer mehr Geld und Zeit, was zur Folge hat, dass wir mehr arbeiten müssen. Es verbleibt also immer weniger Zeit, selbstlos zu wirken. Außerdem sind wir vermehrt auf der Suche nach Genuss, was sehr zeitaufwendig ist. Unbewusstes Denken, unentwickeltes Mitempfinden und Handeln weben sich mehr und mehr in unseren Geist ein. Je mehr wir dagegen unser Denken und Mitempfinden entwickeln, um so mehr zeigt sich auch bei uns die Hilfsbereitschaft.

Unsere Motivation des Dienens kann auch aus einer gütigen und freudigen Geistesverfassung kommen. Der Buddha sagt: Wenn ich mein eigenes Leben und das des Anderen verbessern kann, so soll ich dem dienen, durch den ich das erreichen kann, wenn nicht, dann ist Dienen nicht angesagt. (Lehrrede M 96 Esukari). Je mehr Bedürfnisse der Mensch hat, desto weniger kann er selbstlos tätig werden. Ananda hat dem Buddha sehr lange, bis zu seinem Tode, gedient. Das war für ihn selbst sehr heilsam, denn während er den Buddha umsorgte, belehrte der Buddha ihn gleichzeitig.

In der Vergangenheit übernahmen bei uns die Kirchen und christlichen Einrichtungen die soziale Betreuung der Menschen, doch gab es auch immer wieder einzelne vermögende Persönlichkeiten, die im großen Stil durch ihre Spenden Witwen- und Kinderheime sowie andere soziale Einrichtungen schufen. In den letzten zwei Jahrhunderten waren Stiftungen Hauptträger für solche Projekte, die die Not der Menschen lindern sollten Aktuell sind heute viele gemeinnützige Vereine oder Stiftungen Träger sozialer Dienste. Ohne sie hätte der Staat viel mehr zu tun, und ob er es überhaupt leisten könnte, ist sehr fraglich. In den meisten der gemeinnützigen Einrichtungen wird in großem Umfang ehrenamtliche Arbeit geleistet. Müssten diese Dienste bezahlt werden, wäre schon so mancher gemeinnützige Verein eingegangen. Unentgeltliches Dienen im Denken, in Worten und Werken ist nach der Lehre des Buddha Ausgangspunkt der Selbstläuterung. Durch dieses Prinzip entwickelte sich ein gut funktionierender Sangha, der bis heute noch in vielen Teilen Asiens besteht. Heute glauben viele Menschen, wenn sie ohne Bezahlung arbeiten oder ohne eine Gegenleistung spenden, würden sie arm werden. Den unentgeltlichen Diensten und Spenden wohnt jedoch eine seltsame Kraft inne, die zu dem umgekehrten Effekt führt: Dienen macht stark und Geben macht reich, was alle Religionen bestätigen können. Ein genügsamer, mitempfindender Mensch kann viel leichter dieses Prinzip anwenden, da er mehr Zeit hat als ein begehrlicher, bedürftiger, der sich fortwährend mit sich selbst befassen muss. Weg vom Ich oder Selbst ist die Forderung des Buddha. Je reiner das Handeln, desto glücklicher das Dasein.

Der Buddha lehrt die Befreiung vom Leiden durch Selbstläuterung, indem die Geistestrübungen, die in Gier, Hass und Wahn wurzeln, angegangen werden. Unser Ich wird stark aus diesen drei Grundlagen genährt und gefestigt. Unser ständiges Wünschen wird durchkreuzt von vielen Ereignissen, gegen die wir nur schwer etwas tun können. Nur wenig Glück und Freude wird uns dadurch zuteil. Die meisten unserer Anliegen werden überhaupt nicht oder nur in unzureichend erfüllt. Wenn wir vorübergehend unsere Ich-Position im Verkehr mit anderen Menschen vergessen, werden viel mehr Wünsche erfüllt, als wir denken. Sich selber vergessen! Keinen Nutzen suchen, sondern absichtlos wirken, kann für unseres tägliches Wohlbefinden sehr hilfreich sein. Der Buddha war selbstlos. Vor seiner Erleuchtung nutzte er z.B. die fünf Kräfte (Bala), die ihn befähigten, sein Ziel zu erreichen. Er hatte Vertrauen, Tatkraft, Achtsamkeit, Sammlung und Weisheit. Er scheute keine Mühe, auch im hohen Alter, die Menschen an entlegenen Orten aufzusuchen und zu belehren. Er war ein genügsamer Mensch mit geringen Bedürfnissen. Warum sollten wir in der heutigen Zeit nicht auch solche Eigenschaften hervorbringen, zum Wohle aller Wesen? Keine Zeit, Keine Kraft, Kein Geld, Keine Lust? Weg mit all diesem Unsinn! Arbeiten ohne Entgelt oder irgendeine andere Gegenleistung, spenden, Zeit haben für andere. Darin liegt ein großes Freude- und Glückspotential. Selbstloses Wirken macht frei von den Geistestrübungen (Kilesas). Es wurzelt nämlich in Begehrenslosigkeit, Güte und Mitempfinden.

Der Buddha zeigt uns einen weiteren Weg der geistigen Vervollkommnung: Meditation (Bhavana). Mit Hilfe der Achtsamkeitsmeditation (Satiphatthana) können wir unsere Energien so effizient einsetzten, daß wir mühelos ein viel größeres Pensum an Arbeit bewältigen können, als wenn wir aus einem zerstreuten Geist heraus handeln oder unnötigen Aktivitäten nachgehen. Die Satiphattana-Methode (M 10 und M 118) ist die Grundlage geistigen Ringens, die gesamte Erscheinungswelt zu durchdringen und umfassende Einsicht in alle Daseinserscheinungen zu erhalten. Wir können eben auch großen Nutzen im praktischen Leben, wie selbstloses Handeln (Dienen) aus ihr ziehen, ohne diese Form der Meditation zu missbrauchen. Die Reinheit unseres Denkens und Handelns bestimmt den Grad unseres eigenen Wohlbefindens.

Wenn man dient, ohne eine Gegenleistung zu erwarten, kommt Freude auf, die ein guter Energieträger ist. Mit Freude und Gelassenheit kann man viel mehr Gutes bewirken, als wenn man ständig aus Zwang heraus handelt. Aus dem Geisteszustand der Unlust und Selbstsucht wird der Dienende nur wenig erfolgreich sein. Harmonie, Vitalität, Glück. Das alles erlebt der Selbstlose.


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Quelle:
Buddhistische Monatsblätter Nr. 3/2008, Juli-September, Seite 6-8
Herausgeberin: Buddhistische Gesellschaft Hamburg e.V.
Beisserstr. 23, 22337 Hamburg
Tel.: 040/6313696
E-Mail: bm@bghh.de, buddha-hamburg@gmx.de
Internet: www.bghh.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juli 2008