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PRESSE/751: Die Familie im Buddhismus (Zenshin)


ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 2/08

Die Familie im Buddhismus
Vortrag auf dem DBU-Kongress 2008 in Augsburg

Von Hozumi Gensho Roshi


Mein Name ist Hozumi Gensho, ich komme aus Japan. Es ist mir eine große Ehre, von der Deutschen Buddhistischen Union zu diesem Kongress eingeladen worden zu sein und hier vor Ihnen sprechen zu dürfen. Ich möchte mich dafür herzlich bedanken.

Buddhismus entstand in Indien. Danach breitete er sich in Asien aus und gelangte über China und Korea nach Japan. Zwischenzeitlich gibt es Buddhismus weltweit, so auch in Amerika und Europa.

Buddhismus steht für eine Geschichte von mehr als 2500 Jahren. Zu seiner Entwicklung, seinem Inhalt und Charakter haben verschiedene Zeiten, Völker und Kulturen beigetragen. Die buddhistische Lehre passte sich stets hervorragend in das Alltagsleben des jeweiligen Landes ein.

Buddhismus entwickelte sich so wie ihn die verschiedenen Völker praktizierten und ihn in ihre einheimischen Kulturen integrierten. Das gilt nicht nur für den Buddhismus, vermutlich fanden so alle Religionen zu ihrer jeweiligen Form.

Heute möchte ich jedoch die anderen Religionen bei Seite lassen und mit Ihnen über die Familie im Buddhismus nachdenken. Es gibt unterschiedliche buddhistische Ausprägungen und Traditionen, z.B. indischen Buddhismus, chinesischen Buddhismus, japanischen Buddhismus und andere. Im Laufe der Geschichte kam es zu grundlegenden Veränderungen. So komme ich zur Frage, was ist eigentlich Buddhismus? Was für eine Lehre ist das?

Anfänglich zielte die buddhistische Lehre darauf, den Menschen zum Erwachen zu leiten, ganz nach dem Vorbild des Buddha Shakyamuni, der auf Grund seiner asketischen Übung Erleuchtung erfahren hatte. Diese Erfahrung des Buddha Shakyamuni ist die Grundlage des Buddhismus. Kurz zusammengefasst: Nachdem man alles Unheilsame abgelegt hat und den Geist zum Guten geklärt hat, erfährt man Erleuchtung. Das ist das Wichtigste.

Die Buddha-Lehre zeigt einen Weg zur Befreiung dem der Buddhist folgen kann. Es geht darum, die eigene sinnliche Begierde zu besiegen, die drei Geistesgifte auszulöschen.

Der Buddha hat seine Lehre mit einem Satz erklärt: Schlechtes unterlassen und Gutes tun.

sabbapapassa akaranam
kusalassa upasampada
sacittapariyodapanam etam
buddhana sasanam
sabbapa passsa akaran
kusakassa upasampad
sacittapariyodapana
buddha na sana

Diesen Ausspruch finden wir im Dhammapada 183

"Gutes zu tun und Schlechtes zu unterlassen."

Eigentlich weiß das jeder. Und deshalb wird dann oft gesagt, das ist doch einfach. Die Frage ist jedoch, ob alle wissenden Leute tatsächlich nichts mehr Böses tun? Schaffen sie es, nur gut und heilsam zu handeln? Der Mensch tut sich jedoch sehr schwer damit, sein heilsames Wissen in die Tat umzusetzen.

Ein Buddhist sollte sich daran machen, das, was er als gut und heilsam erkannt hat, schließlich in die Praxis umsetzen. Es sollte nicht nur beim Wissen darüber bleiben.

Wir Menschen schaffen es nicht, nur immer Gutes zu tun. Wenn man jedoch einen Fehler gemacht hat, sollte man über sich und sein Verhalten nachdenken und bereuen. Das ist notwendig.

Im japanischen Buddhismus spricht man von "Zange". Bekenntnis und Reue unheilsamer Taten. Mit einem aufrichtigen, reuevollen Herzen kann man sich und sein Verhalten verbessern.

Die wichtigste Herausforderung für eine Buddhistin, einen Buddhisten ist es, die Lehre wirklich in die Tat umzusetzen. Nur mit Wissen, nur mit theoretischem Verständnis, nur mit dem Verstand alleine, schafft man es nicht, die Buddha-Lehre zu verstehen und zu verwirklichen. Ohne Praxis sind alle Theorien sinnlos.

Wie kann man die Buddha-Lehre in den Alltag integrieren, sie in die Praxis umsetzen? Das ist ein großes Thema.

Viele Menschen suchen im Buddhismus einen ganzheitlichen heilsamen Lebensstil, welchen sie in ihrem Leben verwirklichen und praktizieren können.

An erster Stelle sollte dabei das Familienleben stehen. Die Familie ist der wichtigste Punkt im Alltag - sie ist Heimat und Hafen.

In früheren Zeiten lebten die Japaner in Großfamilien zusammen. Verschiedene Generationen, Großvater, Großmutter, Vater, Mutter, Kinder und Enkelkinder wohnten unter einem Dach.

Nach dem zweiten Weltkrieg bis in die jüngste Zeit hinein veränderte sich das grundlegend. Die meisten Japaner leben heute nur noch in der Kernfamilie zusammen. Das heißt, nur noch Eltern und Kinder. Wenn die Kinder groß werden, gehen sie fort, dann bleiben die Eltern alleine zu Hause.

Die Familienverhältnisse in Japan sind zwischenzeitlich so ähnlich wie in Europa.

Doch egal wie klein die Familien auch sind, das Zusammenleben als Familie ist wichtig und prägend.

Die Kinder erleben zuerst ihre Familie, Vater, Mutter und Geschwister, dann kommt die Schulzeit mit Lehrern und Freunden. Mit ihren Erfahrungen aus der Familie und der Schulzeit finden sie sich in der Gesellschaft wieder. Um sich im Leben zurecht zu finden bildet das Familienleben einen sehr wichtigen Baustein der persönlichen Entwicklung.

Aber gerade in der wichtigen Gemeinschaft Familie kann es vorkommen, dass durch egoistische Verhaltensweisen das friedliche Zusammenleben zerstört wird. Ein egozentrischer Geist verursacht Unruhe. In der letzten Zeit haben solche Fälle zugenommen.

Wir Menschen können nicht alleine leben. Wir sind auf gute Zusammenarbeit und wohlwollende gegenseitige Unterstützung angewiesen. In der Familie ist es genau so. Wertschätzung und Geborgenheit fördern Dankbarkeit und Vertrauen.

Es gibt nichts Wichtigeres als die Familie. Denken wir doch einmal über den Sinn und Zweck der Familie nach und erforschen unser Verhalten im Zusammenleben!

Wenn ich das eigene Dasein wichtig nehme, dann möchte ich ein erfülltes Leben führen. Als Mensch geboren zu sein ist ein großes Glück und ich muss meinen Eltern dankbar sein für ihre Fürsorge und Verantwortung. Ohne sie könnte ich nicht leben.

Der Mensch kommt nie alleine von sich aus auf die Welt. Alle Menschen haben Eltern. Diese Eltern haben auch Eltern.

Großvater und Großmutter hatten auch Eltern. Das Leben vieler Menschen hat dazu beigetragen, das ich, dieses jetzige Selbst, heute existiere.

Als Mensch geboren zu werden ist aber auch schwierig. Nach der Geburt ist der Mensch völlig hilflos. Daran sollten wir denken und den Eltern und den Personen die uns großgezogen haben mit einem dankbaren Geist gegenüber treten. So fängt Friede an.

Aber auch die Eltern müssen dankbar sein, dass sie ein Kind bekommen haben. Das ist auch nicht selbstverständlich. Ohne Kinder können sie nicht Eltern werden. Eltern und Kinder zu werden geschieht gleichzeitig.

Gibt es ein engeres Beziehungsband als das zwischen Kindern und Eltern? Die Verbindung der Eltern zu ihren Kindern ist direkt und unmittelbar. Es ist etwas Besonderes. Deshalb entsteht eine Atmosphäre der gegenseitigen Zuneigung, des Mitgefühls und der Dankbarkeit! Das ist die Grundlage für den Frieden in der Familie, hier fängt er an. Nicht nur die eigene Meinung äußern und durchsetzen, sondern sich gegenseitig Verständnis entgegen bringen. Auch in der Ehe gilt das! Wenn sich die Eltern verstehen und miteinander kommunizieren erleben das die Kinder. Man möchte gerne in einer Familie leben, deren Mitglieder sich wertschätzen und lieben.

Wenn man auf Reisen ist, freut man sich, schon bald nach Hause zurück zu kehren. Der Angestellte in der Firma sieht Sinn in seiner Arbeit, weil er ein Haus hat in das er zurückkehren

kann. Man findet Seelenruhe im Alltagsleben, weil man eine Familie hat in der man sich geborgen fühlt.

Zu Hause warten die Personen mit denen man zusammen sein möchte. Das ist Familie. Es ist darum notwendig, dass die Lebensgemeinschaft Familie beschützt und gefördert wird!

Um in solcher Sicherheit und Seelenruhe in der Familie zu leben, kann jeder etwas dazu beitragen, man wird einander helfen und vieles gemeinsam unternehmen. So wünscht man sich harmonisches Familienleben.

Gegenseitige Aufmerksamkeit und liebevolle Zuwendung ist dabei ausschlaggebend! Im Buddhismus spricht man von "JIHI", Barmherzigkeit oder Mitgefühl.

Barmherzigkeit ist das Herz des mitfühlenden Menschen. Wir Buddhisten können unser Mitgefühl bereits in der Familie praktizieren und verwirklichen.

Dieses einmalige Leben, wir sollten lernen es zu achten! Jedes Leben wertschätzen und achten! Dabei dankbar sein für dieses Leben, jeden Tag. Es gibt nichts Besseres für unsere Zukunft.

Als Familienmitglied, als vollwertiges Mitglied der Lebensgemeinschaft dieser Erde, kann man seinem Leben Sinn geben und die vor uns liegenden Herausforderungen und Aufgaben mit aufrichtigem Herzen meistern.

Ich bete für Sie und wünsche ihnen allen ein erfülltes und friedliches Leben. Herzlichen Dank für ihre freundliche Aufmerksamkeit!


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Quelle:
ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 2/08, S. 4-8
Herausgeberin: Hakuin Zen Gemeinschaft Deutschland e.V. (HZG)
Burggasse 15, 86424 Dinkelscherben
Redaktion: Nanshu Susanne Fendler / Bunsetsu Michael Schön
Übelherrgasse 6, 89420 Höchstädt a.d.D.
E-Mail: s-fendler@t-online.de / schoen-bio@gmx.de

ZENSHIN erscheint halbjährlich.
Einzelheft 7,50 Euro inklusive Versand


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2009