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PRESSE/814: Antwort auf einen "Brief von 138 muslimischen Theologen" (Zenshin)


ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 2/09

Vortrag von Dorin Genpo Zenji
9. Juli 2009

Interreligiöse Gemeinschaft für Frieden

Jahresthema 2009
Religionen reagieren auf einen "Brief von 138 muslimischen Theologen" an die religiösen Führer des Christentums:
Ein Wort, das uns und Euch gemeinsam ist
(http://www.warda.info/EIN_WORT_DAS_UNS_UND_EUCH_GEMEINSAM_IST.pdf)


Meine Antwort aus buddhistischer Sicht auf den "Brief der 138 muslimischen Theologen"

Sehr verehrte Damen und Herren,
Sehr geehrter Herr Prof. Börngen,
ich freue mich sehr hier vor Ihnen sprechen zu können und bedanke mich deshalb sehr herzlich für die freundliche Einladung.

Herr Professor Börngen hatte vor mehreren Monaten Kontakt mit mir aufgenommen und mir den "Brief der 138 muslimischen Theologen" zur Kenntnis gebracht. Gerne möchte ich aus Sicht eines Buddhisten darauf antworten.

Alles, was zu mehr Frieden, Harmonie und Gerechtigkeit auf dieser Erde beitragen kann, wird von uns Buddhisten unterstützt und mitgetragen. Dabei begrüßen wir die verschiedenen Initiativen anderer Menschen und anderer Religionen auf dem Weg zum Weltfrieden. Von ganzem Herzen möchten die Buddhisten ebenfalls ihren Teil dazu beitragen.

Buddhas Lehre gründet auf Einsicht in die Wirklichkeit, auf Mitgefühl und allumfassende Liebe, auf den Weg zur Befreiung vom Leiden und auf Gewaltlosigkeit. In Buddhas Lehre finden wir kein Alibi für Gewalt und religiöse Intoleranz.

Mit meiner Antwort möchte ich anstoßen, auch anecken und so zu konstruktiver Diskussion anregen. Es ging mir in meiner langjährigen Tätigkeit im interreligiösen Dialog noch nie um unverbindliches "Friede, Freude, Eierkuchen", egal, was dabei herauskommt. Echter Dialog erfordert Zuhören, Geduld, voneinander Lernenwollen, Klischees und Vorurteile über Bord werfen, freundlich miteinander umgehen. Frieden kann nicht nur in Lippenbekenntnissen beschworen werden. Frieden muss im Alltag gelebt und umgesetzt werden. Es geht doch letztendlich um das friedliche Zusammenleben der gesamten Menschheit, nicht nur um die abrahamitischen Religionen. Die friedliche Gesinnung des Einzelnen, Respekt, Toleranz und Akzeptanz anderer Meinungen, Kulturen und Religionen tragen wesentlich zum Frieden bei. Offener Austausch und aufrichtiger Umgang religiöser Menschen unterschiedlichster Prägung sind unter anderem sehr hilfreich für ein vertrauensvolles und friedliches Miteinander. So können sie auch für nicht-religiöse Menschen positives Vorbild sein.

Menschen betrachten sich gerne als die "Krone der Schöpfung". Doch diese "Krone der Schöpfung" ist verantwortlich für Krieg, Gewalt, Umweltzerstörung und unsägliche Leiden auf dieser Welt. Menschen haben für sich Religionen erfunden und berufen sich auf einen Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat. Sie suchen Heil und Glück bei ihm und handeln trotz besseren Wissens gegen seine Gebote und seinen Willen. Menschen bewerten andere Menschen nach deren Religionszugehörigkeit, schauen auf andere Kulturen, andere Hautfarben, andere Sitten und Gebräuche herab. Religionen, welche eigentlich zu Frieden und Wohlergehen beitragen wollen und sollen, sind seit Urzeiten auch Grund für Streit, Diskriminierung, Krieg und Zerstörung. Warum ist das so?

Der Buddha erklärt dies anschaulich:
Der Mensch ist mit seinem Dasein letztlich nicht zufrieden, er leidet an der Vergänglichkeit und möchte alles in seinem Sinne verändern. Der Mensch hat Angst vor dem Tod und spekuliert auf das ewige Leben.

Gier, Hass und Ignoranz sind die Ursachen für dieses Leiden. Jeder Mensch trägt diese Geistesgifte in sich. Wer etwas zum Frieden beitragen möchte, beginnt deshalb bei sich selbst, um etwas zu verändern.

Wir Menschen haben alle denselben Ursprung (und benennen ihn mit verschiedenen Namen). Ich persönlich z.B. lehne das Wort "Rasse" für die Menschheitsfamilie ab. Für mich gibt es nur eine Menschheit oder eine Rasse Mensch. Und weder Hautfarbe, weder Religion, weder Kultur, weder Alter, weder Bildung noch Reichtum machen den wahren Wert eines Menschen aus. Kommt es doch auf seine Herzensbildung an.

So ist es die Gier, die den Menschen treibt. Dabei ist klar, ohne Antrieb, ohne etwas erreichen zu wollen, hätte sich der Mensch natürlich nicht weiterentwickelt. Deshalb ist Begierde eigentlich nichts Schlechtes. Doch der Mensch ist nicht immer in der Lage, seine Gier zu beherrschen und verfällt leicht in Extreme. Seine Gier kann sich ins Grenzenlose steigern. Immer mehr, immer höher, immer weiter, immer reicher führt zu Unzufriedenheit und verursacht noch mehr Leiden. Die Symptome dieses ständigen Habenwollens zeigen sich in Ausbeutung, Missbrauch, Weltwirtschaftskrise, Armut, Krankheit, Hunger und mangelnder Ausbildung, etc.

Egoloses, altruistisches Denken und Handeln sind nicht so einfach zu erlernen. Doch wenn Einsicht in die Weltzusammenhänge eintritt, beginnt sich das Verhalten des Menschen zu verändern. Er erlebt, dass alles mit allem verbunden ist. Nichts kann alleine leben. Wir sind Kinder dieser Erde und sind untrennbar mit ihrem Schicksal verbunden. Die Erde ist eigentlich ein Paradies. Eine Symbiose verschiedenster Elemente, Lebens- und Existenzformen. Pflanzen, Tiere, Menschen könnten harmonisch zusammenleben. Doch der Mensch handelt gegen die Naturgesetze. Das Gesetz von Ursache und Wirkung ist unpersönlich, gerecht und unparteiisch. So ist es also die Aufgabe der Menschen sich so zu verhalten, dass das Gleichgewicht des Lebens nicht gestört wird. Ein Naturgesetz lautet, dass nichts beständig ist, alles ist in ständiger Veränderung. Der Prozess des Werdens und Entwerdens findet seit anfangsloser Zeit statt und ein Ende ist nicht erkennbar.

Ein Ende der Form dieser Erde und dieses Sonnensystems kann jedoch bereits wissenschaftlich ziemlich genau bestimmt werden.

Weil Hass der Erde Elend bringt, kennt der Weise keinen Hass. Wer Frieden erfahren möchte, entwickelt in sich selbst ein friedliches Herz. Er lenkt sein Denken und seine Gesinnung in heilsame Richtung.

Aus Hass entsteht Nichtmögen, Vorurteil, Klischee, Ablehnung, Rechthaberei, Dogmatismus, Egoismus, Streit und Krieg. Hass macht blind und jähzornig.

Ignoranz beschreibt das Verhalten der Menschen am deutlichsten. Trotz besseren Wissens verhalten wir uns unheilsam. Wir wissen, dass fühlende Wesen nicht beleidigt, nicht verletzt, nicht getötet werden möchten. Wir wissen, dass fühlende Wesen Glück und Wohlsein anstreben. Wir wissen, wie es um uns selbst bestellt ist, dass wir Lob und Anerkennung lieber haben als Kritik und Beleidigung.

Wir kennen die Goldene Regel. Doch wenden wir sie, wie folgt, an: Was Du nicht willst, das man dir tu, das Lüge schnell dem andern zu.

Wie anders erscheinen uns die Aussprüche von Jesus Christus: Liebet Eure Feinde! Tut Gutes denen, die Euch hassen! Was Ihr dem Geringsten unter Euch tut, das tut Ihr mir!

Buddha sagt: Niemals kann Hass durch Hass besiegt werden. Nur Liebe besiegt den Hass. Das ist ewiges Gesetz!

Wenn Menschen streiten und Kriege fuhren, ist das schon sehr schlimm. Doch das Schlimmste sind religiöse Menschen, die sich streiten und im Namen ihrer Religion Krieg führen. Noch schlimmer sind Religionen und religiöse Führer, die ihre Gläubigen dabei unterstützen oder sogar anleiten. Dabei möchte ich uns Buddhisten selbstverständlich nicht ausnehmen.

Es ist an der Zeit, dass sich die verschiedenen Religionen, vertreten durch ihre Angehörigen und ihre Geistlichkeit, auf gleicher Augenhöhe begegnen und sich als gleichwertig anerkennen. Die globalen Probleme und Herausforderungen, vor denen die Menschheit steht, können weder von einer Person, einer Konfession oder Religion, einer Organisation oder einem Staat gelöst werden. Nur in Zusammenarbeit aller Menschen, auf allen Ebenen und allen Bereichen des Lebens, können wir diese Erde friedlich und lebenswert gestalten. Die Zukunft der Menschheit hängt davon ab.


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Quelle:
ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 2/09, S. 4-6
Herausgeberin: Hakuin Zen Gemeinschaft Deutschland e.V. (HZG)
Burggasse 15, 86424 Dinkelscherben
Redaktion: Nanshu Susanne Fendler / Bunsetsu Michael Schön
Übelherrgasse 6, 89420 Höchstädt a.d.D.
E-Mail: s-fendler@t-online.de / schoen-bio@gmx.de
Internet: www.shoboji.de

ZENSHIN erscheint halbjährlich.
Einzelheft 7,50 Euro inklusive Versand


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Januar 2010