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PRESSE/895: Rezitation und Glücksband (Buddhistische Monatsblätter)


Buddhistische Monatsblätter Nr. 1/2011, Januar - April
Vierteljahreszeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.

Rezitation und Glücksband

Von Bhante Devananda


In den buddhistischen Ländern ist es Tradition, Rezitationen zu zelebrieren. Die Lehre wurde damals vom Buddha in Sutten erklärt. Wenn der Ehrwürdige Ananda die Lehre hörte, konnte er sofort alles auswendig wiedergeben. Darum steht Ananda an der Spitze der wissensreichen Mönchsjünger als der Gedächtnisstarke.

Drei Monate, nachdem Buddha ins Parinibbana eingegangen war, fand die erste Versammlung von Mönchen statt. Das Ergebnis war, dass die ganze Lehre des Buddha in drei Teile (Körbe) unterteilt wurde. Vinaya (Korb der Ordensregeln), Sutta (Korb der Lehrtexte) und Abhidhamma (Korb der höheren Lehrreden). Zuerst wurden die Texte der drei Körbe nur mündlich vorgetragen und erst später auf Palmblätter geschrieben. Körbe heißt es deswegen,weil diese Palmblätter in Körben aufbewahrt wurden.

Der Korb der Sutten besteht aus fünf Teilen: Längere Sammlung (Dighanikaya), Mittlere Sammlung (Majjhima-nikaya), Angereihte Sammlung (Anguttara-nikaya), Gruppierte Sammlung (Samyutta-nikaya) und Kürzere Sammlung (Khuddaka-nikaya). Es gibt ein Suttenbuch Paritta,was auf Pali Schutz bedeutet. Hierin sind 29 Sutten aus dem Korb der Lehrreden und weitere 36 Sutten aus den Körben des Vinaya- und des Abhidamma enthalten. Die Rezitation von Sutten ist eine tausend Jahre alte Überlieferung im Theravada-Buddhismus. Alle buddhistischen Mönche müssen viele Sutten aus dem Paritta auswendig lernen und richtig rezitieren können.

Es gibt eine sichtbare und eine unsichtbare Welt. Wenn aus der unsichtbaren Welt durch Hungergeister, Teufel, Dämonen usw. eine Störung kommt, erhält man von diesen Sutten Hilfe.

Nicht nur von der unsichtbaren, sondern auch von der sichtbaren Welt kommen Störungen wie Krankheiten, Ängste, Streit und Unfälle. Auch bei solchen Anlässen werden Sutten rezitiert, um den Menschen zu helfen. In Sri Lanka ist es üblich, bei einer Frau, die ein Baby erwartet, ein Sutta zu rezitieren. Dadurch bekommen die Frau und ihr Baby sehr gute Energie (Kraft von Buddha,Dhamma und Sangha) und der Verlauf der Geburt wird erleichtert.

Bei Zeremonien rezitieren die Mönche meistens das Mangala-, das Ratana und das Metta-Sutta sowie noch ein paar weitere Texte. Diese Sutten werden dreimal zu Hause rezitiert, also morgens, abends und am nächsten Morgen oder man beginnt abends und rezitiert dann am nächsten Morgen und am nächsten Abend. Jede Rezitation dauert ca. 45 Minuten.

Wenn jedoch eine Familie eine Zeremonie in der Nacht zelebrieren möchte, also von abends ab ca. 20 Uhr durchgehend bis zum nächsten Morgen ca. 6 Uhr, dann müssen unbedingt 12 Mönche dazu eingeladen werden. Am Ende der Zeremonie erhalten alle Anwesenden heiliges Wasser und ein Glücksband.

Bei einer solchen Zeremonie dient als Symbol für Buddha eine kleine metallene Pagode (Stupa) mit Reliquien von Buddha oder von anderen Heiligen. Ein weißes Baumwollband wird mit den heiligen Reliquien, dem heiligen Palmbuch der Sutten und den Mönchen verbunden. Von diesem Band werden am Ende der Rezitation die Glücksbänder verschenkt. Diese Zeremonien werden auch im Tempel abgehalten. Bei besonderen Gelegenheiten dauert eine solche Zeremonie sogar sieben Tage, wobei die mönche sieben Tage und Nächte, einander abwechselnd, rezitieren.

Manchmal gibt es in den Lehrreden oder Kommentaren Hinweise, aus welchem Anlass der Buddha den Mönchen oder Laien ein bestimmtes Sutta gegeben hat. Als einmal eine Gottheit zum Buddha kam und ihn fragte, was für glückbringende Dinge es bei den Göttern und Menschen gäbe, rezitierte Buddha das Mangala Sutta, worin 38 glückbringende Dinge genannt werden.

Als die Bewohner der Stadt Vesali von einer schlimmen Augenkrankheit heimgesucht wurden und jeder, der einen Kranken nur ansah, selber krank wurde, starben dort sehr viele Menschen. Dies wiederum lockte viele Dämonen an. Das war eine große Katastrophe für die Menschen. Aber zum Glück schaute Buddha jeden Morgen mit dem "heiligen Sehen" in die Welt und sah,was in dieser Stadt passierte. Er ging mit dem Ehrwürdigen Ananda nach Vesali und rezitierte dort das Ratana Sutta. Danach wurde das heilige Wasser an die Menschen verteilt. Alle wurden gesund und diese Krankheit brach nie mehr aus.

Einmal wollte Buddha seinen Mönchen die Praxis der Meditation veranschaulichen und schickte sie in einen Wald,wo sie praktizieren sollten. Die ungefähr 500 Mönche nahmen in diesem Wald plötzlich einen sehr unangenehmen Geruch, grauenvolle Geräusche und Visionen wahr und konnten deswegen nicht mehr meditieren. Also gingen sie zum Buddha und berichteten ihm davon. Dieser Wald war einzigartig, weil dort viele Baumgötter wohnten. Diese dachten, die Mönche wollten sie aus ihren Wohnstätten vertreiben und verursachten deswegen so viele Störungen. Buddha jedoch schickte seine Mönche zurück in den Wald und gab ihnen das Metta-Sutta, über das sie meditieren sollten. Die Mönche sträubten sich zuerst, aber dann gingen sie doch in den Wald zurück und taten,wie der Buddha ihnen geheißen hatte. Die Baumgötter änderten daraufhin sofort ihre Haltung den Mönchen gegenüber, kümmerten sich um sie, beschützten sie und sorgten dafür, dass keinerlei Störungen mehr auftraten. Damit hatten die Mönche jetzt optimale Bedingungen für ihre Meditation geschaffen.

Wenn jemand das Metta-Sutta mit Hingabe praktiziert, kann er erleuchtet werden und wird nicht mehr wiedergeboren. So heißt es im Metta-Sutta. Wenn jemand wenigstens die drei Sutten (Mangala-, Ratana- und Metta-Sutta) rezitiert, so bekommt er viel Energie und Kraft und die Götter beschützen ihn, die Hungergeister (Peta) verlassen den Ort, die Dunkelheit verschwindet und der Ort wird hell und leuchtend.

Die Menschen müssen die Rezitation mit großem Vertrauen anhören und sich wünschen, durch diese Kraft von Krankheiten und Schwierigkeiten frei und glücklich zu werden. Die Mönche müssen die Sutten fehlerfrei aussprechen und sehr gut rezitieren, dann kommen die entsprechenden Ergebnisse.

Als der Ehrwürdige Girimananda krank war, rezitierte der Ehrwürdige Ananda im Auftrag des Buddha die zehn Betrachtungen und der Ehrwürdige Girimananda wurde auf der Stelle gesund.

Wer an einer Rezitationszeremonie teilnimmt, erhält ein Glücksband. Dadurch bekommt er viel Energie und wird frei von einigen Krankheiten und Störungen.

Während die mönche rezitieren, wird ein langes weißes Baumwollband in ihre Hände gelegt und dann an die Laien weitergereicht,wobei es den Boden nicht berühren darf. Beim Rezitieren bewegt sich die Energie über das Band zum Körper und Geist der Laien. Diese Energie fördert die Gesundheit, beseitigt schlechte Energien und hilft gegen Schwierigkeiten.

Wenn in Sri Lanka jemand krank ist, besucht er zuerst einen Allgemeinmediziner. Wenn das nicht hilft, sucht er einen Ayurveda-Arzt auf. Wenn auch das nicht hilft, lädt die Familie die Mönche zu sich nach Hause ein und es werden einige Sutten rezitiert. Am Ende der Rezitation wird das weiße Baumwollband um den Hals oder um das Handgelenk des oder der Kranken gebunden. Es ist schon sehr oft vorgekommen, dass danach der Patient vollkommen gesund wurde.

Solche Zeremonien werden in Sri Lanka bei Schwangerschaften, nach der Geburt eines Babys, für kranke Menschen, bei Geschäfts- oder Büroeröffnungen, zu Geburtstagen, bei Hochzeiten, Gedenkfeiern sowie gegen Unruhe und Unzufriedenheit in privaten Haushalten abgehalten.

Das heilige Band gewährt Schutz und bringt Glück. Manchmal hält es ein bis zwei Jahre. Wenn es irgendwann von selbst abfällt oder man es nach einiger Zeit abschneidet, weil es ausgefranst ist, darf man es nicht einfach in eine Mülltonne werfen, sondern sollte es zu Hause respektvoll auf einen erhöhten Platz legen oder der Natur wieder übergeben, indem man es zum Beispiel in einen alten Baum hinein hängt, einem Fluss oder dem Feuer übergibt.


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Quelle:
Buddhistische Monatsblätter Nr. 1/2011, Januar - April, Seite 18-21
Vierteljahreszeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2011