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AFRIKA/023: "Frieden jetzt" - Appell an führende Politiker in Kenia (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Pressemitteilung vom 6. Februar 2008

"Frieden jetzt", appelliert internationale ökumenische Delegation an führende Politiker in Kenia


Zu einem Zeitpunkt, da die Vermittlungsversuche im Konflikt um die Wahlen in Kenia in eine kritische Phase eintreten, traf eine internationale ökumenische Delegation mit führenden Vertretern beider Parteien zusammen und appellierte an sie, den Wahlstreit hinter sich zu lassen und nach einer Kompromisslösung zu suchen.

Die siebenköpfige Gruppe von Kirchenvertretern/innen besuchte Kenia vom 30. Januar bis 3. Februar. Sie war vom Ökumenischen Rat der Kirchen im Rahmen der Initiative "Lebendige Briefe" entsandt worden, die das Ziel verfolgt, die Solidarität der internationalen ökumenischen Gemeinschaft mit Kirchen in Gewaltsituationen zum Ausdruck zu bringen.

Die Delegation führte Gespräche mit dem Vizepräsidenten des Landes, Kalonzo Musyoka - da Präsident Mwai Kibaki zu dem Zeitpunkt am Gipfeltreffen der Afrikanischen Union in Addis Abeba (Äthiopien) teilnahm - wie auch mit dem Parteichef und Präsidentschaftskandidaten der Orange Democratic Movement, Raila Odinga.

"Die Menschen in Kenia wollen, dass ihre politischen Führer sich zum Frieden bekennen und ihre Meinungsverschiedenheiten beilegen, und dafür ist ein politischer Kompromiss nötig" - lautete die Botschaft von Kanonikus Peter Karanja, dem Generalsekretär des Nationalen Kirchenrates von Kenia (NCCK), der Gastgeber der ökumenischen Delegation war.

"Es stimmt, dass es keinen Frieden ohne Gerechtigkeit gibt, aber genauso richtig ist, dass es keine Gerechtigkeit ohne Frieden gibt", erklärte der Leiter der Gruppe, Parrer Clifton Kirkpatrick, der Generalsekretär der Presbyterianischen Kirche in den USA und Präsident des Reformierten Weltbundes.

Obwohl beide Parteien ihre volle Unterstützung für den vom ehemaligen UNO-Generalsekretär Kofi Annan geleiteten Vermittlungsprozess der Afrikanischen Union zum Ausdruck brachten, bekräftigten sie auch jeweils - wie nicht anders zu erwarten war - ihren Sieg in den Präsidentschaftswahlen vom 27. Dezember und legten der Delegation Dokumente vor, die ihren Anspruch untermauern sollten.

"Wir sind nicht hier, um über die Wahlergebnisse zu urteilen", betonte Kirkpatrick. "Diese Dokumente helfen aller Wahrscheinlichkeit nach niemandem weiter", fügte Karanja hinzu. "Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist wichtig, dass wir Fragen, bei denen es um Leben und Menschenwürde geht, von der Suche nach politischer Gerechtigkeit trennen."

Die ökumenische Delegation machte sich zum Fürsprecher all jener Menschen, die die Hauptlast der Krise tragen. "Unter denen, die am meisten unter der Gewalt und den Zwangsvertreibungen leiden, sind viele Frauen und Kinder", betonte Nyaradzai Gumbonzvanda, die Generalsekretärin des Weltbundes der Christlichen Vereine Junger Frauen (CVJF).

"Sie brauchen nicht nur Unterkunft und Nahrung, sondern müssen auch medizinisch betreut werden. Dazu gehören die Versorgung mit HIV/AIDS-Medikamenten, Sicherheit, Schutz vor sexuellem Missbrauch und Traumaberatung", fügte Gumbonzvanda hinzu.

Die Gewalt zwischen den verschiedenen Volksgruppen brach in Kenia nach der Ankündigung des Wahlsiegs von Mwai Kibaki aus, der von der Orange Democratic Movement nicht anerkannt wurde. Mehr als 800 Menschen haben seither ihr Leben verloren, Hunderttausende sind geflohen und haben Zuflucht in provisorischen Lagern gefunden, die über das ganze Land verteilt sind.

Während der jeweils mehr als zweistündigen Begegnung der ökumenischen Delegation mit den Vertretern beider Parteien kam es zu offenen und intensiven Gesprächen über die gegenwärtige Krise, aber auch zu Gebeten.

Die Delegation sprach sich nachdrücklich dafür aus, dass die kenianischen Kirchen im Vermittlungsprozess eine wichtige Funktion übernehmen. Ihre Gesprächspartner hingegen zeigten sich enttäuscht über deren Rolle im Wahlprozess. "Erst einmal müssen die Kirchen in Kenia sich selbst heilen". "Die Kirchen haben uns im Stich gelassen, sie haben Partei ergriffen." - So lauteten einige der Vorwürfe, die beide politische Parteien gegen die Kirchen erhoben.

Der Generalsekretär des NCCK räumte ein, dass es unter leitenden Kirchenleuten in dieser Frage ein Gefühl des Unbehagens gebe, bekräftigte aber auch, dass sie mittlerweile versuchten, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. "Nach den Wahlen hat ein tiefgreifender Prozess des Nachdenkens eingesetzt und im Angesicht der Krise rufen die Kirchen heute mit vereinter Stimme zu Frieden und Versöhnung auf", erklärte er.

Als Beispiel nannte Karanja einen Gedenkgottesdienst für die Menschen, die in der Kirche in Eldoret verbrannt waren. An diesem Gottesdienst, der am 15. Februar in Kitale stattfinden soll, werden Bischöfe beider betroffener Volksgruppen teilnehmen.

Die ökumenische Delegation wurde während ihres Besuchs auch über die tief verwurzelten geschichtlichen Ursachen informiert, die dem gegenwärtigen Konflikt zugrunde liegen. Zu den wichtigsten Problemen gehören ungerechte Landverteilung, Diskriminierung beim Zugang zu staatlichen Ressourcen, fehlende Chancengleichheit sowie vermeintliche oder reelle Privilegien für bestimmte ethnische Gruppen.

"In Kenia wird niemals dauerhafter Friede herrschen, wenn diese grundlegenden Fragen nicht geregelt werden", erklärte Karanja, "aber genau das ist in Wahlzeiten nicht möglich."

Weitere Informationen über den Besuch der "Lebendigen Briefe" in Kenia:
http://www.oikoumene.org/de/nachrichten/news-management/a/ger/article/1722/ kirchen-in-kenia-leisten.html

Nationaler Kirchenrat von Kenia:
http://www.ncck.org

Hintergrundinformationen über den Besuch der "Lebendigen Briefe":
http://overcomingviolence.org/?id=4104&L=2

Dekade zur Überwindung von Gewalt:
http://gewaltueberwinden.org/de.html

Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 347 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 L"ndern repr"sentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekret"r des ÖRK ist Pfr. Dr. Samuel Kobia, von der Methodistischen Kirche in Kenia. Hauptsitz: Genf, Schweiz.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 6. Februar 2008
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Februar 2008