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ASIEN/050: Südkorea und seine christlichen Kirchen (Herder Korrespondenz)


Herder Korrespondenz
Monatshefte für Gesellschaft und Religion - 1/2014

Ein Ausnahmeland
Südkorea und seine christlichen Kirchen

Von Georg Evers



Südkorea ist jüngst durch die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in den Blickpunkt der kirchlichen Öffentlichkeit gerückt (vgl. HK, Dezember 2013, 614 ff.). In dem Land stellen die Christen den größten Bevölkerungsanteil, wobei die katholische Kirche im Unterschied zu den protestantischen Denominationen weiter wächst. Südkorea ist auch längst in der christlichen Mission aktiv.


Bei den am 19. Dezember 2012 durchgeführten Präsidentschaftswahlen in Südkorea siegte die jetzige Amtsinhaberin Park Geun-hye mit 51,5 Prozent der abgegebenen Stimmen äußerst knapp gegen Moon Jae-in, den katholischen Kandidaten der Demokratischen Partei, der auf 48 Prozent kam. Der Wahlkampf war gezeichnet von einer starken Polarisierung, bei der Park Geun-hye, die Tochter des ehemaligen Militärdiktators Park Chung-hee, stark umstritten war, da ihr vorgeworfen wurde, sich nie von ihrem Vater emanzipiert und die Menschenrechtsverletzungen, die während seiner Herrschaft begangen wurden, nicht eindeutig verurteilt zu haben. Hinzu kam, dass das von ihr vorgestellte Wahlprogramm einseitig auf die Förderung von Wirtschaft und Industrie ausgerichtet war, aber keine Initiativen auf dem Sektor der Sozialpolitik aufwies.

Damit knüpfte sie an die Politik ihres Vaters an, durch die Südkorea zwar zu einer der führenden Industriemächte in Asien geworden ist, die Einhaltung der Menschenrechte aber auf der Strecke blieb. An den ersten Teil dieser Erfolgsgeschichte erinnerte die Kandidatin Park Geun-hye gerne, während sie die Opfer, die diese rigoros nur auf wirtschaftliche Entwicklung und Wachstum ausgerichtete Politik forderte, unerwähnt ließ. Im Februar 2013 wurde Präsidentin Park Geun-hye ins Amt eingeführt.


Im Herbst 2013 begannen zunächst katholische Pro-Demokratie-Gruppen, später unterstützt von buddhistischen Religionsführern und zuletzt auch von führenden Personen der protestantischen Kirche, eine Kampagne gegen die amtierende Präsidentin, in der sie ihren Rücktritt fordern. Begründet wird diese Forderung damit, dass der Ausgang der Präsidentschaftswahl am 19. Dezember 2012 durch Manipulationen des Nationalen Geheimdienstes zugunsten der jetzigen Amtsinhaberin verfälscht worden sei, die deshalb zurücktreten müsse. Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsdienstes werden beschuldigt, sich als Hausfrauen, Studenten oder einfache Angestellten ausgegeben und mehr als eine Million Twitter-Mitteilungen an Wähler verschickt zu haben, in denen sie für die konservative Kandidatin geworben und den Kandidaten der Demokratischen Partei als Vaterlandsverräter und Parteigänger Nordkoreas diffamiert hätten.


Katholiken protestierten gegen das Wahlergebnis

Bei dem knappen Wahlausgang sei durch diese Manipulation der Wahlausgang zu Gunsten der jetzigen Präsidentin beeinflusst und verfälscht worden. Auch eine Abteilung im Verteidigungsministerium, die eigentlich für die Abwehr von Angriffen auf das Internet seitens Nordkoreas gebildet wurde, soll sich an den Manipulationen im Internet zugunsten der Präsidentin beteiligt haben. Die Benutzung der sozialen Netzwerke zum Zweck der Beeinflussung potenzieller Wähler ist in Südkorea im besonderen Maß effektiv, weil dort Handys, Smartphones und andere elektronische Kommunikationsmedien wie in kaum einem anderen Land verbreitet sind und genutzt werden. Aufgedeckt wurden die Manipulationen von der Staatsanwaltschaft, die aber bald in ihren Ermittlungen seitens der Regierung behindert wurde.


Der leitende Staatsanwalt wurde durch gegen ihn erhobene Vorwürfe eines unsittlichen Lebenswandels - er soll mit einer Prostituierten ein Kind haben - zum Rücktritt gezwungen. Der Justizminister steht unter dem Verdacht, die Staatsanwaltschaft unter Druck gesetzt zu haben, die von den Oppositionsparteien eingereichte Klage wegen der Verletzung des Wahlkampfgesetzes nicht weiter zu verfolgen. Präsidentin Park erklärte, von den Machenschaften des Geheimdienstes nichts gewusst zu haben und streitet jede Beteiligung an ihnen ab.


Nach Bekanntwerden der Wahlmanipulationen hat es eine Vielzahl von Protesten, begleitet von Demonstrationen seitens der Opposition, der Gewerkschaften und der im Land vertretenen Religionsgemeinschaften gegeben. Ausdruck der Missbilligung ist der weitverbreitete Slogan: "Nicht meine Präsidentin!", der bei den seit einigen Monaten stattfindenden Demonstrationen zusammen mit brennenden Kerzen von den Demonstrierenden benutzt wird. Die Demonstranten fordern dabei den Rücktritt der Präsidentin, deren Präsidentschaft durch die Manipulationen ihre Legitimation verloren habe.

Ein Manifest, in dem die Überprüfung des Wahlergebnisses gefordert wird, wurde von allen 15 Diözesen des Landes unterzeichnet und die bischöfliche Kommission für Gerechtigkeit und Frieden beauftragt, dieses Manifest an die Regierung weiterzuleiten. Am 22. November 2013 hat der katholische Priester Park Chang-shin von der Diözese Jeonju, der Mitglied der "Organisation katholischer Priester für Gerechtigkeit" ist, in einer Predigt in einem Gottesdienst in Jeonju sowohl die Wahlmanipulationen angeprangert als auch Verständnis für den Beschuss der Insel Yeonpyeong durch nordkoreanisches Militär gezeigt, das damit auf Manöver südkoreanischer und amerikanischer Militäreinheiten im Seegebiet dieser nahe an der Grenze zu Nordkorea liegenden Insel reagiert habe.

Die südkoreanische Regierung reagierte mit Empörung auf diese Äußerungen und drohte gerichtliche Schritte gegen den Priester an. Ministerpräsident Chung Hong-won beschuldigte ihn, sich der Unterstützung des Feindes schuldig gemacht zu haben, während der Verteidigungsminister ihn einen "Feind der Nation" nannte. Die konservative Saenuri-Partei der Präsidentin rief zu Demonstrationen vor der Myondong-Kathedrale auf, die zentral in Seoul gelegen, auch in der Vergangenheit immer wieder der Schauplatz von Demonstrationen und zugleich Zufluchtsort für politisch Verfolgte gewesen ist. Die meisten der 700 Demonstranten gehörten zur Koreanischen Veteranen-Organisation, die bei dem Versuch, in die Kathedrale zu gelangen, von der Polizei, die das Gebäude umringte, gestoppt wurden.


Zwei Tage vor der Demonstration hatte es eine Bombendrohung gegen die Myondong-Kathedrale gegeben, die sich zwar letztlich als bloße Ankündigung herausstellte, aber doch die vorsorgliche Schließung der Kathedrale für eine längere Zeit zur Folge hatte. Erzbischof Andreas Yeom Soo-jung von Seoul versuchte, die Wogen zu glätten, indem er auf der einen Seite festhielt, dass Christen sich politisch engagieren und betätigen sollen und dürfen. Zugleich machte er aber auch deutlich, dass Priester sich nicht direkt in politische Auseinandersetzungen einmischen dürften, sondern für Verständigung und sozialen Frieden in der Gesellschaft tätig sein sollten.

Auch Buddhisten schlossen sich den Protesten an. Am 27. November nahmen mehr als tausend buddhistische Mönche des Jogye-Ordens an einem Protestmarsch durch Seoul teil, der von der Polizei gewaltsam aufgelöst wurde. In einem in der buddhistischen Zeitschrift "Lotus-Welt" veröffentlichten Manifest, das von 1012 Mönchen unterzeichnet wurde, warnen sie vor der Gefährdung der Demokratie und fordern eine gerichtliche Überprüfung der Präsidentenwahl. Am gleichen Tag tagte das Komitee, das von 29 protestantischen Gruppierungen und der katholischen Priestervereinigung für Gerechtigkeit gebildet wird, die sich zur Aufklärung der Wahlfälschungen zu einem Bündnis zusammengeschlossen haben.


In Bezug auf das Wachstum des Christentums ein asiatisches Ausnahmeland

Die Bevölkerung Südkoreas lag bei der jüngsten Volkszählung von 2010 bei ziemlich genau 50 Millionen Einwohnern. Da die Geburtenrate nur bei 1,05 Prozent liegt, wird die Bevölkerung in der Zukunft abnehmen, was mit dem damit verbundenen Problemen von Überalterung und Mangel an Arbeitskräften sich auch negativ auf die Wirtschaft auswirken wird. Die Lebenserwartung ist in den letzten Jahren ständig gestiegen und liegt gegenwärtig bei 75,5 Jahren bei Männern und 82,5 Jahren bei Frauen. Dramatisch hoch ist in Südkorea jedoch die Selbstmordrate, die mit 33,5 auf 100.000 Einwohner die höchste in Asien ist. Jeden Tag nehmen sich in Südkorea durchschnittlich 43 Menschen das Leben, was auf das Jahr umgerechnet sich auf mehr als 15.000 Selbsttötungen addiert. Die Mehrheit dieser Selbsttötungen betrifft Männer in der Altersgruppe von 20 bis 30 Jahren. Eine mehrjährige Kampagne der Regierung, diese Zahlen zu verringern, hat sich als wirkungslos erwiesen.

Aus dem Konfuzianismus stammende Wertvorstellungen, bei denen persönlicher Erfolg im Schul- und Berufsleben einen hohen Platz einnimmt, lassen die Selbsttötung als Ausweg aus Misserfolg und persönlichem Versagen erscheinen. Auch der wachsende Trend zum Single-Bleiben wirkt sich negativ auf die Bevölkerungsstatistik aus. Nach Angaben der Regierung liegt der Anteil der männlichen Bevölkerung, die keine Ehe eingehen wollen, gegenwärtig bei 20 Prozent und der von Frauen bei 15 Prozent. Als Begründung für die Absage an Familienleben und Nachwuchs werden persönliche Gründe, vorrangig die Sicherstellung des persönlichen Fortkommens im Beruf, genannt.

Die katholische Kirche bemüht sich aktiv, mit Aktionen für das Leben, für Familie und Nachwuchs diesen negativen Trends zu begegnen. In allen Diözesen des Landes gibt es "Pro-Leben"- und "Pro-Familie"-Aktivitäten und Schulungen. Die katholische Kirche arbeitet auf dem Gebiet der Familienförderung und des Schutzes des Lebens mit den anderen Kirchen und Religionen zusammen. Gemeinsam mit Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften beteiligte sie sich an einem Marsch für das Leben, der am 8. Juni 2013 in Seoul stattfand und bei dem die Regierung aufgefordert wurde, Maßnahmen gegen Abtreibungen und für den Schutz des Lebens zu ergreifen.


Südkorea ist in Asien ein Ausnahmeland, was das Wachstum des Christentums angeht. In Südkorea selbst ist das Christentum seit einigen Jahren mit 34 Prozent Anteil an der Bevölkerung die zahlenmäßig stärkste Religionsgemeinschaft, wobei der Anteil der protestantischen Kirchen bei 23,8 Prozent und der katholischen Kirche Ende des Jahres 2012 bei 10,3 Prozent liegt, was einer Steigerung um 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die 5,3 Millionen Katholiken sind auf 15 Diözesen verteilt. Südkorea ist nach den Philippinen und Osttimor in Asien das Land mit dem größten Anteil von Christen an der Gesamtbevölkerung. Während die katholische Kirche weiterhin wächst, weisen die protestantischen Kirchen gegenwärtig kaum noch Zuwachs auf. Gründe für diese Stagnation liegen sicher in erster Linie in der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes und der damit verbundenen materialistischen Lebenseinstellung. Andererseits ergab eine Umfrage aus dem Jahr 2005, dass der Katholizismus als die vertrauenswürdigste Religion in Korea gilt, während der Protestantismus als am wenigsten vertrauenswürdig eingestuft wurde.

Gründe für den Sympathieverlust der protestantischen Kirchen liegen in der Zersplitterung in viele Denominationen, aber auch in der Orientierung vieler Pfarrer, die nur die Steigerung der Mitgliedszahlen und die damit verbundenen finanziellen Gewinne im Sinn haben. Noch gravierender ist aber das unter fundamentalistischen protestantischen Christen weitverbreitete Ausschließlichkeitsdenken, das die anderen Religionen als Irrlehren bezeichnet und radikal ablehnt. Konfrontative und aggressive Formen von Missionierung, bei denen etwa selbst ernannte christliche Missionare in buddhistische Tempel eindringen, den Buddhismus als falsche Religion verunglimpfen und das Christentum als die einzig wahre Religion verkünden, bringen dieses in der weltanschaulich und religiös pluralistischen Gesellschaft in Südkorea generell in Misskredit.


Schamanistische Vorstellungen sind weit verbreitet

Zum Buddhismus bekennen sich 23,7 Prozent der Bevölkerung, während die Zahl der sich als religionslos bezeichnenden Südkoreaner 31 Prozent beträgt. Zum Schamanismus, der traditionell in Südkorea vorherrschenden Religionsvorstellung, bekennen sich 7 Prozent der Bevölkerung, wobei zu berücksichtigen gilt, dass schamanistische Praktiken und Vorstellungen auch weiterhin unter vielen Südkoreanern verbreitet sind, die sich offiziell als zu anderen Religionen zugehörig bezeichnen. In schwierigen Lebenssituationen, wie Krankheiten, berufliche und persönliche Misserfolge suchen viele Zuflucht und Unterstützung in Ritualen des Schamanismus. Von den christlichen Kirchen wird der Schamanismus eher als Überbleibsel von Praktiken der Volksfrömmigkeit denn als eigenständige Religion gesehen.

Die Teilnahme von Christen an den schamanistischen Zeremonien - Kut genannt - bei denen in der Regel Frauen die Rolle von Priesterinnen ausüben, wird als mit dem christlichen Glauben unvereinbar abgelehnt. Allerdings hindert dies nicht, dass in Notsituationen Christen dennoch die Dienste der Schamaninnen in Anspruch nehmen. Schließlich finden sich viele schamanistische Einflüsse auf die Frömmigkeitsformen in den christlichen Kirchen in Korea. In den ekstatischen Gebetsformen, in der überragenden Bedeutung des Segens und im Verständnis der Rolle von Priestern und Pfarrern in den christlichen Kirchen sind solche Einflüsse greifbar.

Auch wenn der Konfuzianismus in Südkorea nicht als Religionsgemeinschaft gilt und auftritt, prägen konfuzianistische Lebens- und Verhaltensregeln bis heute das Menschenbild der Koreaner und sind bestimmend für das Verhalten in Familie und Gesellschaft geblieben. Von koreanischen Frauen, die als christliche Theologinnen oder Vorkämpferinnen für die Emanzipation der Frauen tätig sind, werden die konfuzianistischen Vorstellungen von der Rolle der Frau als Hindernis für eine Verbesserung der Rolle der Frauen in der koreanischen Gesellschaft angesehen und abgelehnt.


In Südkorea gibt es einen "Gesprächs- und Begegnungskreis der Religionen", in dem die wichtigsten Religionen des Landes vertreten sind. Allerdings leidet die Arbeit dieses Gremiums daran, dass es häufig Spannungen zwischen einzelnen Religionsgemeinschaften gibt. Der Vorsitzende der Kommission für den interreligiösen Dialog und Ökumene in der südkoreanischen Bischofskonferenz, Igino Kim Hee-yong, beklagte kürzlich, dass diese Spannungen in der Regel aus Missverständnissen herrührten, die deutlich machen, dass die Religionen oft sehr wenig voneinander wüssten. Der Austausch von Glückwünschen, wie sie von den christlichen Kirchen zum zentralen buddhistischen Feiertag Vesak gemacht werden, die wiederum seitens der Buddhisten mit guten Wünschen zu Weihnachten beantwortet werden, hätten eher etwas von Pflichtritualen, als dass sie tatsächliche Hochachtung und Anerkennung der jeweils anderen religiösen Überzeugung ausdrückten.

Das ständige Wachstum der christlichen Kirchen, die im Land den Buddhismus als die führende Religion verdrängt haben, wird von den Buddhisten als bedrohliche Entwicklung und Verdrängungswettbewerb gesehen. In den letzten Jahren gab es einige Spannungen im christlich-buddhistischen Verhältnis. Seitens der Buddhisten wurde kritisiert, dass durch die Regierung von Präsident Lee Myung-bak, selbst protestantischer Christ, die christlichen Belange übermäßig berücksichtigt worden seien.


Es wurde daher als ein Zeichen der Entspannung gesehen, dass Patriarch Chin Jin-An, der Leiter des Jogye Ordens, der größten buddhistischen Gemeinschaft in Südkorea, im November 2013 einen Besuch an den Gräbern von fünf koreanischen Laien, die als Gründer der koreanischen katholischen Kirche gelten, gemacht hat. Die fünf konfuzianischen Gelehrten gehören zu den 103 Märtyrern, die Johannes Paul II. bei seinem Besuch 1984 in Südkorea heiliggesprochen hat. Bei seinem Besuch würdigte der Patriarch die große Statue von Maria, "Königin des Friedens", die gerade eingeweiht worden war, und bezeichnete Maria als "Werkzeug des Friedens für die Welt".

Auch von Mönchen des Won-Buddhismus, einer anderen starken Gruppierung in Korea, gibt es positive Äußerungen zu den christlichen Märtyrern. Buddhisten entdecken in der Hingabe und der Selbstlosigkeit von christlichen Märtyrern bei ihrem Widerstand gegen die Versuche, sie von ihrem Glauben abzubringen und in ihrer Bereitschaft, dafür ihr Leben zu geben, Parallelen zu buddhistischen Haltungen des Verzichts auf Besitz und Selbstbehauptung.


Eine "Kirche der Märtyrer"

Die koreanische Kirche ist immer stolz darauf gewesen, eine "Kirche der Märtyrer" zu sein. Die Heiligsprechung der 103 Märtyrer wurde von den koreanischen Katholiken mit großer Anteilnahme und Freude gefeiert. In der südkoreanischen Kirche wird der Monat September als "Monat der Märtyrer" mit dem Gedenktag an die Märtyrer am 20. September mit Prozessionen zu den Gräbern und anderen Gedenkfeiern gedacht. Im Juli 2013 hat die Erzdiözese Seoul einen "Rosenkranz-Marathon" gestartet, um die Heiligsprechung des Priesters Choi Yang-oeb, von Paul Yin Ji-chung und der 122 Märtyrer zu erreichen, die mit ihnen im 18. beziehungsweise 19. Jahrhundert als Zeugen des Glaubens hingerichtet worden sind. Ziel der Kampagne ist es, 100 Millionen Gesätze des Rosenkranzes für jeden der Märtyrer zu rezitieren, was sich dann in der Summe auf 12,3 Milliarden Gesätze addieren würde.

Die Gruppe dieser Märtyrer wurde im Jahr 2003 von Johannes Paul II. zwar schon zu "Dienern Gottes", eine Vorstufe im Selig- und Heiligsprechungsprozess erklärt. Danach ist der Prozess aber ins Stocken geraten und soll jetzt mit diesem Rosenkranz-Marathon wieder in Gang und zur Vollendung gebracht werden. Der Bischof von Daejon, Lazarus You Heung-sik, hat für den Fall, dass die Heiligsprechung stattfinden soll, schon einmal vorsorglich Papst Franziskus nach Korea eingeladen. In der katholischen Kirche Südkoreas gibt es nur wenige Stimmen, die sich kritisch mit der so weit verbreiteten Verehrung der christlichen Märtyrer auseinandersetzen.

Wie in Japan, Vietnam und China war es schließlich das von Rom erlassene Verbot, das Christen von der Teilnahme an den Riten der Ahnenverehrung ausschloss, das die Regierung in Korea, aber auch in den anderen Ländern dazu brachte, so restriktiv gegen die Christen vorzugehen. In den Augen der in diesen Ländern Regierenden stellte die aus dem Westen gekommene Religion des Christentums wesentliche Grundlagen der in ihren Staaten vorherrschenden und etablierten Gesellschaftsordnung radikal in Frage.


Wenn man ferner berücksichtigt, dass die Verurteilung der Riten der Ahnenverehrung in den dreißiger Jahren von Rom zurückgenommen wurde, müsste eine theologische Neubewertung des Martyriums sich eigentlich aufdrängen. Die Begründung seitens der römischen Stellen bei der Aufhebung des Verbots, dass die Riten im Laufe der Zeit sich so verändert hätten, dass sie heute als rein zivile und nicht länger als religiöse Rituale anzusehen seien, ist historisch nur schwer zu belegen. Schließlich hat während der Auseinandersetzungen um die Ahnenverehrung der chinesische Kaiser Kangxi schon damals genau diese Feststellung gemacht, als er den zivilen Charakter der Ahnenverehrung betonte.


Evangelikale gegen den interreligiösen Dialog

Die protestantischen Christen in Korea sind in eine verwirrende Zahl von verschiedenen Kirchen und Denominationen aufgeteilt, die oft andere Konfessionen nicht anerkennen und selbst untereinander nicht kooperieren. Christen in den evangelikalen Kirchen Südkoreas verurteilen nicht nur den interreligiösen Dialog, sie sind auch innerchristlich wenig zur ökumenischen Zusammenarbeit mit anderen christlichen Kirchen bereit. Von diesen Gruppen wird die katholische Kirche so gut wie nicht wahrgenommen, oder wegen ihrer angeblichen Irrlehren abgelehnt. Wie in anderen asiatischen Ländern auch werden offiziell die "protestantischen Kirchen" und die "katholische Kirche" als zwei verschiedene Religionsgemeinschaften anerkannt und in der Gesellschaft auch so wahrgenommen.


Die "Presbyterianische Kirche von Korea" (PCK), die 1912 unter dem Namen "Chosun Presbyterian Church" gegründet wurde, ist mit 2,8 Millionen Mitgliedern die größte presbyterianische Kirche in Südkorea. Allerdings besteht die PCK aus einer Vielzahl von Kirchen, die sich alle als "Presbyterianische Kirche von Korea" (PCK) bezeichnen, aber nicht alle Mitglied im Nationalen Kirchenrat (NCCK), oder im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) sind. Im NCCK sind neben den beiden presbyterianischen Kirchen die Methodisten, die Lutheraner, Anglikaner, die Heilsarmee, die Orthodoxen, die Evangeliumskirche und die "Koreanische Kirche des vollen Evangeliums" Mitglieder. Die PCK war eine führende Kraft im Kampf für Demokratie und Menschenrechte während der Zeit der Militärdiktatur im Lande. Engagiert ist die PCK heute stark auf dem Gebiet der Evangelisation und der Weltmission.

Ein anderes wichtiges Anliegen, das sie mit vielen anderen christlichen Kirchen im Lande teilt, sind die Bemühungen um die Wiedervereinigung. 2012 haben die Presbyterianer eine "Dekade für Heilung und Versöhnung" ins Leben gerufen, in der die Anstrengungen um die Wiedervereinigung und Abrüstung verstärkt werden sollen. Die PCK ist auf dem missionarischen Sektor stark engagiert und hat gegenwärtig etwas über 1000 Missionare, die in 82 Ländern tätig sind.


Nach Ende des Koreakrieges und wegen theologischer und sozialethischer Differenzen hat sich 1953 die presbyterianische Kirche der Republik Korea (PROK) von ihr abgetrennt. Bei den theologischen Differenzen ging es um die Übernahme der historisch-kritischen Bibelauslegung, für die die PROK votierte und die von den fundamentalistischen Presbyterianern abgelehnt wurde. Mit 340.000 Mitgliedern gehört sie zu den kleineren Kirchen im Lande. Auch die PROK war im Kampf gegen die Militärdiktatur und den Bemühungen um Demokratisierung stark beteiligt gewesen. Dabei kamen ihr die vielen ökumenischen Verbindungen mit Kirchen weltweit zugute.

Heute ist die PROK stark auf dem Gebiet der Ökologie tätig. Der rasante wirtschaftliche Aufschwung hat in Südkorea viele Umweltschäden mit sich gebracht. 2008 hat die PROK ein Ökologisches Zentrum gegründet, das Initiativen entwickelt, den verheerenden Umweltschäden Einhalt zu gebieten und durch Schulungen und andere Initiativen einen Bewusstseinswandel herbeizuführen, durch den die Achtung vor der Schöpfung gestärkt werden soll. Beide presbyterianische Kirchen sind Mitgliedskirchen in der 2012 gegründeten "Evangelischen Mission in Solidarität", wie das bis dahin als "Evangelische Missionswerk in Süddeutschland" sich jetzt nennt.


In der Mission sehr aktiv

Nach Angaben des "Koreanischen Weltmissionsverbandes" (Korean World Mission Association) waren Anfang 2010 ausgesandt von 196 Missionsorganisationen 20.840 Missionare aus Südkorea in 169 Ländern tätig. In koreanischen Missionskreisen ist die Vorstellung weit verbreitet, dass Korea das letzte Land sei, welches von Gott berufen wurde, die christliche Missionsarbeit fortzuführen und zur Vollendung zu bringen. Evangelikale Kirchen Südkoreas sind inzwischen zu einer starken Kraft in der Missionsarbeit der evangelikalen Kirchen in der Welt geworden. Dafür bezeichnend ist, dass das "Forum für Asiatische Kirchenführer" (Asian Church Leaders Forum) vom 25. bis 28. Juni 2013 in Seoul stattfand.

Dieses Treffen, an dem mehr als 300 evangelikale Kirchenführer aus fast allen asiatischen Länder teilnahmen, war das Nachfolgetreffen des im Jahr 2010 in Kapstadt abgehaltenen Internationalen Kongresses für Weltevangelisation der Lausanner Bewegung. In Seoul war eine starke Gruppe von 100 Leitern von Hauskirchen aus der Volksrepublik China vertreten, die erstmals nach 60 Jahren an einer internationalen Konferenz der evangelikalen Kirchen teilnehmen konnten, nachdem es ihnen 2010 verwehrt gewesen war, in Lausanne dabei gewesen zu sein. Die Vertreter der chinesischen Hauskirchen, die es in Festland-China oft schwer haben, offizielle Anerkennung zu finden, da viele von ihnen nicht im Christlichen Kirchenrat (China Christian Council) registriert sind, traten in Seoul mit großem Selbstbewusstsein auf.


Chinesische Christen aus den Hauskirchen wollen sich in der Zukunft an den Missionsanstrengungen der evangelikalen Christen aktiv beteiligen. Mit großem Optimismus setzten sie sich in der Erklärung "2030 Mission China" das ehrgeizige Ziel, bis zum Jahr 2030 die Zahl von 20 Missionaren zu erreichen, die aus der Volksrepublik China in die Welt gesandt werden sollen. An der Konferenz der asiatischen Kirchenführer in Seoul war kein Vertreter des Chinesischen Christenrates, der offiziell vom chinesischen Staat und den Religionsbehörden des Landes anerkannten Dachorganisation der protestantischen Christen in China, anwesend.


Die protestantischen Kirchen in Südkorea waren stolz, die 10. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), die vom 30. Oktober bis zum 8. November 2013 in Busan stattfand, ausrichten zu dürfen. Korea erinnert sich an den 60. Jahrestages des Waffenstillstands, der nach dem Koreakrieg die Teilung des Landes am 38. Breitengrad bis heute festgeschrieben hat. Daher spielte das Thema der Wiedervereinigung von Süd- und Nordkorea eine wichtige Rolle. Eine besondere Initiative des ÖRK war der "Zug für den Frieden", der von Berlin aus nach Busan fahren und am 28. Oktober 2013 zu Beginn der Vollversammlung eintreffen sollte. Die 120 Teilnehmer, die diese 10.500 Kilometer lange und 20 Tage dauernde Reise auf sich nahmen, fuhren mit der transsibirischen Bahn und der transchinesischen Bahn von Berlin aus über Moskau und Irkutsk nach Beijing.

Von dort sollte die Reise eigentlich mit dem Flugzeug nach der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang weitergehen. Nordkorea verweigerte aber die dafür notwendigen Visa. Dafür ging die Reise mit dem Zug weiter nach Dandong, einer chinesischen Stadt direkt an der Grenze zu Nordkorea. Dort wurde ein Gottesdienst mit chinesischen und dort lebenden koreanischen Christen gefeiert. Die Reise war als Ausdruck von Solidarität und Unterstützung der Bemühungen um Wiedervereinigung der beiden koreanischen Staaten als Beitrag der weltweiten christlichen Ökumene konzipiert und durchgeführt worden.


Für die Teilnehmer an der Vollversammlung wurden darüber hinaus Besuche an der auf beiden Seiten militärisch stark gesicherten Grenze zwischen den beiden Staaten organisiert, bei denen ihnen die immer noch und immer wieder gespannten Beziehungen zwischen den verfeindeten Bruderländern realistisch nahegebracht wurden. In einer von der Vollversammlung verabschiedeten Erklärung wird festgehalten, dass nach 60 Jahren Waffenstillstand die Zeit für den Abbau der bestehenden Spannungen und für Neuverhandlungen auf dem Weg zur Herstellung der nationalen Einheit in Korea gekommen sei. Verbunden damit ist ein Appell an die Weltgemeinschaft, der notleidenden Bevölkerung in Nordkorea humanitäre Hilfe zu leisten. Die Kirchen werden aufgefordert, für die Wiedervereinigung zu beten, ihre jeweiligen Regierungen aufzufordern, alle Friedensinitiativen zu unterstützen und alle Initiativen zur Abrüstung auf der koreanischen Halbinsel zu unterstützen.


Georg Evers (geb. 1936) promovierte bei Karl Rahner über Theologie der Religionen. Von 1979 bis 2001 war er Asienreferent im Missionswissenschaftlichen Institut Missio (Aachen). In dieser Eigenschaft unternahm er zahlreiche Reisen in asiatische Länder und wirkte bei wichtigen theologischen Konferenzen im Rahmen der Vereinigung Asiatischer Bischofskonferenzen (FABC) mit. Zahlreiche Veröffentlichungen zum interreligiösen Dialog und zur Theologie der Mission.

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Quelle:
Herder Korrespondenz - Monatshefte für Gesellschaft und Religion,
68. Jahrgang, Heft 1, Januar 2014, S. 49-53
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juli 2014