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BERICHT/235: Um Gottes willen (welt der frau)


welt der frau 5/2007 - Die österreichische Frauenzeitschrift

Um Gottes willen

Von Christine Haiden


Es kommt schon einem kleinen Wunder gleich, wenn eine junge Frau sich heute für ein Ordensleben entschließt. Drei, denen dieses Wunder geschehen ist, erzählen von ihren Erfahrungen.


Was ein Luftfilter beim Auto ist und wo man ihn findet, weiß Schwester Johanna Pobitzer ganz genau. "Wenn der nicht funktioniert, hat man den Schlamm von der Straße im Auto." Die oberösterreichische Ordensfrau brettert mit ihrem russischen Lada oft über die Straßen Kasachstans, und die sind so postsowjetisch wie die Gesellschaft auch. Vor fünf Jahren hat Schwester Johanna die Koffer gepackt und ist aus Österreich nach Kasachstan aufgebrochen. Der Grund war ein sehr grundsätzlicher: Eines Tages hatte die heute 37-jährige Franziskanerin das Gefühl, in ihrem Job als Lehrerin an der Kindergartenschule in Salzburg "auf der falschen Seite" zu sein. "Alles war gemütlich und hat gepasst", aber war doch zu wenig, um ein Ordensleben sinnvoll zu machen. Heute hat es Schwester Johanna viel weniger gemütlich. Sie lebt mit einer weiteren Schwester in einem abgelegenen Dorf in Kasachstan. Menschen, die dort geboren wurden, schauen, dass sie irgendwie wegkommen. Die Schwestern sind zugezogen, "um den Menschen zu zeigen, dass ihr Dorf nicht gottverlassen ist".


Was für den Orden spricht

Wer heute noch Ordensfrau wird, muss dafür gute Gründe haben. Denn näher als die Sympathie für diesen Lebensweg liegt den Mitmenschen der Verdacht, dass irgendetwas mit der jungen Frau nicht stimmen kann. Eine Flucht vor der Verantwortung für sich selbst? Eine unglückliche Liebe? Kein Selbstwert als Frau? Schwester Ruth Pucher findet diese Fragen gar nicht so abwegig. "Deswegen hat man im Noviziat und durch die befristeten Gelübde auch lange Zeit, um sich gründlich zu fragen, ob das der richtige Weg ist." Schwester Ruth ist 33, gelernte Kirchenmalerin und Kunsthistorikerin und seit mehreren Jahren "Missionarin Christi". Eigentlich hatte sie geplant, mit 25 ihren langjährigen Freund zu heiraten und "fünf bis sieben" Kinder zu bekommen. Doch dann ging die Beziehung in die Brüche und ein Suchen setzte ein. Bei einem Studienaufenthalt in Frankreich faszinierte sie die Lebensweise der Mönche von Citeaux. "Das war aber vor allem ästhetisch sehr schön, die Gebete, die Einfachheit und Klarheit der Lebensweise." Erst später realisierte sie, dass diese Schönheit nicht trägt. "Als der Abt mir sagte, die größte Herausforderung am Ordensleben ist, jeden Tag neu zu lieben, Gott und die Menschen, habe ich erst verstanden, worum es wirklich geht."


Der Sehnsucht folgen

"Man kann sich auch in Gott verlieben. Das geht genauso schnell und gründlich wie bei einem Menschen." Es liegt ein heiterer, fast mädchenhafter Ton in der Stimme von Schwester Eva-Maria Saurugg, wenn sie das sagt. Das Verlieben war so stark und anhaltend, dass sie seit sechs Jahren im Kloster Nonnberg in Salzburg lebt. Der Rhythmus von Schweigen, Ruhe, Arbeit und Gebet bestimmt ihr Leben. Um sechs Uhr früh steht Tag für Tag die Laudes auf dem Programm, das Morgengebet. Heilige Messe, Mittagsgebet, Nachmittagsgebet, Abendgebet, Nachtgebet folgen und ab 20.15 Uhr bleibt das Alleinsein in der Zelle. Geredet wird in der Mittagspause und bei der Arbeit, wenn es nötig ist, geschwiegen auch bei Tisch. In der Mitte ihres Seins steht, wie Schwester Eva-Maria es ausdrückt, "das Zwiegespräch mit Gott", bei dem alles zur Sprache kommt, Persönliches und die Sorgen der Welt.

Von Schwester Eva-Maria bekommt die Umwelt nur die Hände und das Gesicht zu sehen und auch das nur im Besucherzimmer des Klosters. Die Benediktinerinnen vom Nonnberg leben in strenger Klausur in uralten Gemäuern. Kino, Baden, Ausgehen, all das hat die 31-Jährige schon vor sechs Jahren aus ihrem Leben gestrichen. "Es fehlt mir nicht", sagt sie. Die Sehnsucht nach dem kontemplativen Ordensleben sei von Jugend an stärker gewesen als alles andere. Am liebsten wäre die evangelisch Getaufte gleich nach der Matura Nonne geworden. Ihren Eltern zuliebe verbarg sie ihren Wunsch, wollte sich ein Theologiestudium lang prüfen. Doch dann war kein Halten mehr. Es musste Nonnberg sein. Erst langsam, sagt Schwester Eva-Maria, gewöhnen sich ihre Eltern an den Entschluss der Tochter.


Die passende Gemeinschaft suchen

Die Zahl der Ordensfrauen nimmt auch in Österreich kontinuierlich ab. Von rund 5.000 Ordensfrauen sind nur 253 unter 40 Jahre alt. Im Jahr 2005 kamen auf 162 Todesfälle nur 24 Novizinnen und 20, die sich als Postulantinnen den Ordenseintritt überlegen. "Ich wollte eine Gemeinschaft, wo es auch junge Frauen gibt", begründet Ruth Pucher ihre Entscheidung für die "Missionarinnen Christi". Die noch junge Kongregation lebt sehr beweglich. Statt großer Häuser und vieler Güter gibt es Wohngemeinschaften zu viert, die wie jene von Schwester Ruth in einem Reihenhaus in Wien leben. Jede Schwester geht einem Beruf nach. Schwester Ruth etabliert sich gerade als Fremdenführerin in Wien, ihre Mitschwester Christine Rod ist als Organisationsberaterin tätig. Rein äußerlich könnte man höchstens das kleine Kreuz um den Hals der jugendlichen Schwester Ruth ihrem geistlichen Lebensstil zuordnen. Einfach und solidarisch wollen die Schwestern leben, auch im gemeinsamen Haushalt. "Was gar nicht so unkompliziert ist, weil ältere Schwestern einfach oft mit billig gleichsetzen, wir jüngeren aber einfach eher mit nachhaltig verbinden und daher manchmal auch teurer kaufen."


Reibungsfläche Gemeinschaft

Nirgends rückt die Gemeinschaft einem so nahe wie in einem klausurierten Kloster. Ihre 24 Mitschwestern hat Schwester Eva-Maria nicht ausgewählt. Sie ist die Jüngste im Haus, die Altersverteilung der anderen zeige ein "Bild wie das der Gesellschaft draußen auch". Die Schwestern auf dem Nonnberg sprechen einander mit "Sie" an und schweigen im Zweifelsfall: "Wenn ich eine Schwester auf dem Gang treffe, ist es eine Frage der Ehrfurcht, dass ich sie nicht einfach anquatsche. Ich respektiere ihr Schweigen." Konflikte macht Schwester Eva-Maria vor allem mit sich selbst aus oder "trägt sie im Gebet vor Gott".

Der Gehorsam, eine wichtige Grundregel jedes Ordenslebens, wird bei den Franziskanerinnen als "gemeinsames Horchen auf das, was gerade dran ist", interpretiert. Das Brechen des freien Willens durch eine demütigende Interpretation von Gehorsam gehört der Vergangenheit an, erzählt Schwester Johanna.

"Wir sind eine moderne, basisdemokratische Gruppe. Gehorsam heißt bei uns, aufeinander zu hören", erzählt Schwester Ruth. Die Gemeinschaft der Schwestern erlebt sie als "das Schönste und Mühsamste zugleich". Immer wieder komme man an seine Grenzen, könne sich nicht verständlich machen oder bliebe unverstanden. Was hält sie dann trotzdem? "Dieser Reichtum unserer verschiedenen Persönlichkeiten. Und dass wir gemeinsam erkannt haben, dass dieser Jesus lebt und mit uns gemeinsam unterwegs ist."


Frausein im Ordenskleid

Im Besucherzimmer des Klosters Nonnberg pfeift der Wind durch die alten Fenster. Die Ordenskleidung von Schwester Eva-Maria ist die des Mittelalters: schwarzer Habit, darüber das Skapulier, ein weißer Brustschleier und ein langer schwarzer Schleier. Für die junge Frau ist das alles ein Attribut der Tradition, sie findet diese Kleidung praktisch, denn "man ist immer gut angezogen". Diskussionen über eine Reform der Kleiderordnung oder über das Selbstverständnis von Frauen heute spielen im Leben der Nonne eine untergeordnete Rolle. Was die Welt rund um den Nonnberg bewegt, scheint weit weg. Bei den Franziskanerinnen hat sich dagegen eine sehr gemischte Kleiderordnung durchgesetzt. Wer will, trägt Ordenskleid und Schleier, wer mit Zivil besser zurande kommt, kauft Rock und Hosen ein. "Es kommt auch darauf an, wo und wie wir im Einsatz sind, was besser passt", erzählt Schwester Johanna. Sie selbst hat sich für die Ordenstracht entschieden, weil es in Kasachstan noch etwas Besonderes ist, nach den Jahren des Verbots der Kirche die Zugehörigkeit zum Orden zu zeigen.


Leben als Frau im Orden

Ordensfrauen verzichten freiwillig auf Partnerschaft und Kinder, die wichtigsten Ziele von Menschen des zivilen Lebens. Schwester Eva-Maria empfand diese Entscheidung nicht als Verzicht. Sie meint, sie könne und wolle auch in ihrer Lebensform "ganz Frau sein. Das muss möglich sein, sonst verkrüppelt man." Mütterlichkeit, Fraulichkeit, Liebenkönnen seien für ein Leben im Orden heute unverzichtbar. "In früheren Zeiten hat man über die Menschen oft fromme Hüllen gestülpt, wo kein Leben drinnen war."

Als Schwester Johanna kurz vor den ewigen Gelübden stand, sah sie "plötzlich überall Kinderwägen und Schwangere". Der Abschied von dieser Form der Fruchtbarkeit war auch mit Trauer verbunden. "Aber ich war überzeugt, dass der Weg in die Gemeinschaft für mich der richtige ist." In ihrem Leben habe Fruchtbarkeit andere Facetten. Etwa, wenn sich Menschen öffnen, dass es noch eine andere als die innerweltliche Dimension des Lebens gibt, oder wenn das Vertrauen in sich selbst und in Gott wächst. Denn mit ihnen im Bunde, da sind alle drei jungen Ordensfrauen sich einig, sei immer einer, der alles trägt.


*


SCHWESTER EVA-MARIA SAURUGG, 31,
Benediktinerin der Abtei Nonnberg in Salzburg

Der heilige Benedikt selbst war es, der Schwester Eva-Maria schon lange fasziniert hat, "seine weise Maßhaltung, dass er keine Übertreibungen mag, weder bei der Askese noch bei der Arbeit". Die früher sehr schüchterne junge Frau hat in der Abtei zu einem neuen Selbstbewusstsein gefunden. "Ein Ordensleben ist sicher keine Flucht vor sich selbst. Wenn man klausuriert lebt, ist man ganz auf sich selbst zurückgeworfen und kann nicht ausweichen. Man braucht die sechs Jahre bis zur feierlichen Profess, um alles, was an früheren Verletzungen hochkommt, wahrnehmen und heilen zu können." Bei einem ersten Besuch im Kloster Nonnberg hatte Schwester Eva-Maria bereits das sichere Gefühl, an diesen Ort zu gehören. Was sie immer suchte, findet sie hier reichlich: gemeinsames Gebet, Stille, Schweigen. Die fünf Stunden Arbeit täglich ordnen sich dem unter.


SCHWESTER JOHANNA POBITZER, 37
Franziskanerin von Vöcklabruck, lebt in Kasachstan

Gott und die Menschen sind für Schwester Johanna nicht voneinander zu trennen. In allen Begegnungen sei Gott da. Sie bemüht sich im postsowjetischen Kasachstan, wo ein Großteil der Menschen mit Religion und Glaube nicht viel anfangen kann, um ein Zeichen der Nächstenliebe. Ihr großes Vorbild ist der heilige Franziskus, der auch im Aussätzigen seinen Bruder sah. "In dieser Nachfolge wollte ich leben." Dazu brauche es eine starke Verwurzelung in Gott als dem Lebensgrund aller. Dieser Gott gebe ihr auch die Gelassenheit, nicht alles machen zu wollen oder am Übermaß der Anforderungen nicht zu verzweifeln. "Die Gewissenserforschung, wo stehe ich und wohin gehe ich weiter, ist im geistlichen Leben besonders wichtig." Schwester Johanna hat ihren Weg gefunden, "denn es gibt kaum etwas Wichtigeres im Leben eines Menschen, als zu wissen, wozu man auf der Welt ist." Um das herauszufinden, brauche es Ruhe, Stille und immer wieder das Gebet. Dann geht es wieder hinaus zu den Menschen. "Uns hilft nicht ein Gott der großen Ideale, sondern einer, der sehr klein und sehr konkret ist und der uns zu Konkretem herausfordert."


SCHWESTER RUTH PUCHER, 33
Missionarin Christi in Wien

Schwester Ruth lebt seit fünf Jahren in ihrer Gemeinschaft. "Das Leben in Gemeinschaft hilft mir, meine Ideale, die hoch sind, dass ich solidarisch leben will, mit den Armen teilen will, meine Umwelt schützen will, zu leben." Nicht immer, sagt sie, sei Christus als die Mitte ihres Lebens spürbar. Da helfe ihr das Gebet, sich zu verankern in der Gewissheit, "da ist einer, der mich so mag, wie ich bin, und der mich immer wieder auf den Weg schickt". Schwester Ruth ist in Wien häufig mit dem Rad anzutreffen, hält Kirchenführungen und erklärt Besuchern die Stadt. Kontakte mit Freundinnen, die mit Kirche und Glauben gar nichts am Hut haben, schätzt sie besonders: "Die haben oft ganz existenzielle Fragen und Antworten." Von manchen wird sie um ihre klare Entscheidung für ihren Lebensweg beneidet. "Sich zu entscheiden und damit zufrieden zu sein, ist für viele in meinem Alter das Allerschwierigste." Das Missionarische an ihrem Ordensleben sei, "in den Beziehungen etwas spürbar werden zu lassen, was wir vom Evangelium und vom Leben Jesu verstanden haben".


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WER STRAHLT, STECKT AN

Sr. Teresa Schlackl, sds, Ausbildungsleiterin und stellvertretende Provinzleiterin der Salvatorianerinnen in Österreich, über neue Wege für Ordensfrauen.


Seit Jahren geht die Zahl der Ordensfrauen zurück. Haben die Orden die Entwicklungen im neuen Selbstverständnis der Frauen verschlafen und sich zu wenig erneuert?

Ja, zu lange wurde das Frauenbild des 19. Jahrhunderts tradiert, dabei waren Ordensgründerinnen oft ihrer Zeit voraus. "Frau sein" und erst recht selbstbewusst Frau sein war lange als Thema tabu, erst in den letzten Jahrzehnten nehmen das Frauenbewusstsein, die Freude am eigenen Frausein und auch das Bewusstsein der Solidarität mit Frauen auf der ganzen Welt zu.

Neue, vor allem kontemplative Gemeinschaften erleben mehr Zuspruch als andere in der Welt tätige Orden. Worin sehen Sie den Grund?

Viele dieser tätigen Gemeinschaften haben ihre Identität sehr stark über ihre Werke bezogen und da gibt es gerade massive Änderungen, sodass sich mehrere dringende Fragen stellen: Wie wirken wir in unseren Werken neu? Wie beleben wir unsere Gemeinschaften wieder? In welcher Weise vertiefen wir unsere Spiritualität, sodass sich daraus prägend unser Leben, unsere Gemeinschaften, unsere Liturgien, unsere Arbeit gestalten?

Welche Wege versucht Ihre Gemeinschaft, die der Salvatorianerinnen, um für junge Frauen attraktiv zu sein?

Veränderungen, die zu einem "Mehr an Leben" beitragen, in Angriff nehmen. Sich Rechenschaft darüber ablegen, was wir zurücklassen müssen, um für neue Arbeitsgebiete frei zu werden. Wir schätzen Originale und verschweigen nicht, was es dann heißt, in einer Gemeinschaft von Originalen zu leben! Zuerst und vor allem aber ist die persönliche Beziehung zu Jesus Christus im Mittelpunkt. Wenn die lebendig ist, strahlt das aus. Selber gerne Salvatorianerin sein, das steckt an und weckt Interesse.

- Eine persönliche Frage: Wie weiblich darf eine Ordensfrau sein?

Na, 100 Prozent! Gott hat jede von uns schließlich als Frau erschaffen! Ist das nicht schön?!


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Quelle:
welt der frau - Die österreichische Frauenzeitschrift,
Ausgabe 5/2007, Seite 16-19
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und der Autorin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. August 2007