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KIRCHE/1012: Materielle Hilfen für Opfer sexuellen Missbrauchs - Modell vorgestellt (DBK)


Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz vom 30.09.2010

Materielle Leistungen in Anerkennung des Leids, das Opfern sexuellen Missbrauchs zugefügt wurde

Bischofskonferenz und Orden stellen dem Runden Tisch ein Modell vor


Die Deutsche Bischofskonferenz und die Deutsche Ordensobernkonferenz haben heute dem Runden Tisch "Sexueller Kindesmissbrauch" der Bundesregierung in Berlin den Entwurf eines Modells vorgestellt, wie Opfer sexuellen Missbrauchs materielle Hilfen erhalten können. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, hatte während der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in der vergangenen Woche angekündigt, auf diese Weise die gemeinsame Urteilsbildung am Runden Tisch unterstützen zu wollen. Darum war die katholische Kirche zuvor gebeten worden. Erzbischof Zollitsch hatte dabei an die Selbstverpflichtung der Deutschen Bischofskonferenz erinnert, die über die bislang erbrachten Hilfen noch hinausgeht. Die Bischofskonferenz hatte in den letzten Wochen bereits neue Leitlinien für das Vorgehen im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch und eine Präventionsrahmenordnung erarbeitet.

Das heute in Berlin eingebrachte Modell ist auf die katholische Kirche zugeschnitten, aber exemplarisch gemeint und von der Hoffnung geleitet, dass sich die Betroffenen am Runden Tisch gemeinsam auf diese oder eine ähnliche Vorgehensweise jeweils in ihrem Bereich verständigen können. Änderungen und eine Weiterentwicklung sind möglich.

Grundsätzlich haben alle Hilfen der katholischen Kirche und der ihr zugeordneten Institutionen und Verbände das Ziel, zur Heilung beizutragen. Materielle und immaterielle Hilfen bringen zum Ausdruck, dass die Kirche das Leid und die Verwundungen anerkennt, die Opfern zugefügt wurden. Ausgangspunkt und Maßstab sind deshalb die konkreten Bedürfnisse der Betroffenen, deren Traumatisierung soweit wie möglich behoben und in Bezug auf ihre Folgen gemildert werden soll.


Das vorgeschlagene Modell umfasst folgende Leistungen:

1. Präventionsfonds: Die betroffenen kirchlichen Körperschaften sind für die Prävention gegen sexuellen Missbrauch innerhalb ihrer Einrichtungen grundsätzlich selbst verantwortlich. Eine optimale Prävention gehört auch zu den Hilfen, die Opfer aufgrund ihrer Leiderfahrung erwarten. Deshalb wird zur Förderung besonders innovativer Präventionsprojekte innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche ein Präventionsfonds eingerichtet. Dies kann auch unabhängig von gemeinsamen Absprachen am Runden Tisch erfolgen.

2. Erstattung von Kosten für Psychotherapie oder Paarberatung: Die freiwillige Übernahme von Kosten für Psychotherapie oder Paarberatung erfolgt bei akutem therapeutischem Bedarf, d.h. für akute und künftige Therapien, soweit die Krankenkassen oder andere Kostenträger die Kosten nicht übernehmen. Eckpunkte des Umfangs der Kostenübernahme sind bereits geklärt.

3. Materielle Leistung in Anerkennung des Leids: In den Fällen, in denen Opfer sexuellen Missbrauchs eine materielle Leistung in Anerkennung des Leids wünschen und wegen der eingetretenen Verjährung oder aus anderen Gründen ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nicht durchsetzbar ist, soll möglichst schnell eine finanzielle Hilfe geleistet werden. Diese soll der Täter erbringen. Subsidiär wird sie bis zu einem noch nicht festgelegten Betrag von der betroffenen kirchlichen Körperschaft aufgebracht.

4. Regelung für besonders schwere Fälle: In besonders schweren Fällen sind andere oder zusätzliche Leistungen möglich.


Das Modell der katholischen Kirche enthält zudem Hinweise auf ein mögliches Antrags- und Bewilligungsverfahren. Auf jeden Fall werden materielle Leistungen dezentral, d.h. von den Tätern bzw. den betroffenen Bistümern oder Ordensgemeinschaften erbracht. Die Finanzierung von Leistungen wird nicht aus Kirchensteuermitteln erfolgen. Eine Festlegung der Höhe des Betrages, der die Anerkennung des Leids ausdrücken soll, das Opfern zugefügt wurde, wird im Interesse der gemeinsamen Meinungsbildung am Runden Tisch - wenn möglich in Übereinstimmung mit den anderen am Runden Tisch vertretenen Organisationen - erfolgen. Eine Vergleichbarkeit der Leistungen in den verschiedenen Bereichen ist aus Gründen der Gerechtigkeit wichtig. Die katholische Kirche ist an einem gesamtgesellschaftlichen Vorgehen interessiert. Dass dieses möglich erscheint, unterscheidet die Situation in Deutschland von der in anderen Ländern. Die Übernahme von Kosten für Therapien und Paartherapien durch Bistümer und Orden erfolgt schon jetzt unabhängig von dem vorgelegten Modell und würde durch seine Umsetzung eine klarere Regelung erhalten.

Es ist ein wichtiger Schritt, dass die Deutsche Bischofskonferenz und die Deutsche Ordensobernkonferenz heute diesen Vorschlag in Berlin eingebracht haben. Die Bischofskonferenz und die Orden drängen darauf, dass möglichst noch in diesem Jahr die abschließende Entscheidung über ein zufriedenstellendes Vorgehen bei materiellen Hilfen nach der Meinungsbildung im Rahmen des Runden Tischs erfolgt.


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 158 vom 30. September 2010
Herausgeber: P. Dr. Hans Langendörfer SJ,
Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
Deutsche Bischofskonferenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Oktober 2010