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KIRCHE/472: Zur Diskussion über die "Bibel in gerechter Sprache" (EKD)


Evangelische Kirche in Deutschland - Pressemitteilung vom 31.03.2007

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat auf seiner Sitzung am 30. und 31. März 2007 folgende Stellungnahme beschlossen:

Die Qualität einer Bibelübersetzung hängt an der Treue zum Text
Stellungnahme des Rates der EKD zur "Bibel in gerechter Sprache"


Der Rat nimmt die derzeit stattfindende kritische Diskussion über die "Bibel in gerechter Sprache" zum Anlass, auf folgende Gesichtspunkte hinzuweisen:

1. Er erinnert an seine "Empfehlungen zur Stellung und zum Gebrauch der Lutherübersetzung", die unter dem Titel "Die eine Bibel und die Vielfalt der Bibelübersetzungen" am 30. Juni 2001 veröffentlicht wurden. Danach haben die Evangelische Kirche in Deutschland und ihre Gliedkirchen für den liturgischen Gebrauch die Lutherbibel empfohlen. Die Lutherbibel in der Fassung von 1984 ist - so heißt es in den Empfehlungen - "der maßgebliche Bibeltext der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Gliedkirchen für Gottesdienst, Unterricht und Seelsorge".


2. Der Rat sieht in der "Bibel in gerechter Sprache" eine ergänzende Bibelausgabe. Auch für sie gilt, was die "Empfehlungen" von 2001 so ausgedrückt haben:

"Die Vielfalt der vorhandenen Bibelübersetzungen stellt einen großen Reichtum dar. Er ergänzt die Lutherbibel und erschließt dem Wort der Heiligen Schrift den Weg zu einer Hörer- und Leserschaft, die durch nur eine einzige Bibelübersetzung nicht in dieser Weise erreichbar wäre."

Der Rat achtet die Kraft und die Leidenschaft, mit der das Vorhaben einer "Bibel in gerechter Sprache" begonnen und in einem jahrelangen Prozess vorangebracht wurde. Er bedauert jedoch, dass diese Anstrengung durch die der Übersetzung zugrundeliegenden problematischen Grundsätze und Kriterien fehlgeleitet und so weithin um ihre Früchte gebracht wurde. In Übereinstimmung mit dem Beschluss der Bischofskonferenz der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) vom 6. März 2007 stellt der Rat fest: Die "Bibel in gerechter Sprache" eignet sich nach ihrem Charakter und ihrer sprachlichen Gestalt generell nicht für die Verwendung im Gottesdienst.

Die Kritik an der "Bibel in gerechter Sprache" ist keine Absage an Bemühungen, in der Auslegung der Bibel den theologischen Einsichten zum Verhältnis von Israel und Kirche Rechnung zu tragen, die Bedeutung von Frauen in den biblischen Texten stärker sichtbar werden zu lassen und für die Gebetssprache die biblische Vielfalt von Gottesanreden und Gottesbildern fruchtbar zu machen.


3. Das entscheidende Qualitätskriterium jeder Übersetzung ist - zusammen mit der Verstehbarkeit für die Leserinnen und Leser - die Treue zum Ausgangstext. Im Blick auf die "Bibel in gerechter Sprache" erhebt der Rat in dieser Hinsicht insbesondere folgende Bedenken :

a) Das Konzept der "Bibel in gerechter Sprache" wird mit dem Hinweis begründet, jede Übersetzung sei unweigerlich immer auch Interpretation. Dieser Hinweis vermag das bei ihrer Erarbeitung praktizierte Vorgehen jedoch nicht zu rechtfertigen. Denn er bezieht sich nicht auf jedwede Interpretation. Gemeint ist vielmehr diejenige Interpretation, die den Sinn dessen, was dasteht, klärt und verdeutlicht. Nicht gemeint ist dagegen eine Interpretation, die in den zu übersetzenden Text etwas hineinträgt, was einem Übersetzer oder einer Übersetzerin aufgrund ihrer eigenen Vorstellungen als wünschenswert erscheint.

b) Das Konzept einer "gerechten Sprache" oder eines "gerechten Sprachgebrauchs" ist unklar. Es ist nicht deutlich, warum es gerade mit den drei ausgewählten Kriterien der "geschlechtergerechten Sprache", der "Gerechtigkeit im Hinblick auf den christlich-jüdischen Dialog" und der "sozialen Gerechtigkeit" gelingen soll, "dem biblischen Grundthema Gerechtigkeit in besonderer Weise zu entsprechen". Als Übersetzungskriterien bekommen diese Gesichtspunkte den Charakter von vorgefassten Meinungen, die in den Text hineingetragen werden. Dem Verständnis des biblischen Textes wird auf diese Weise gerade nicht gedient.

c) Wenn man im Zusammenhang mit der Aufgabe einer Übersetzung von Gerechtigkeit sprechen will, dann in dem Sinne, dass eine Übersetzung dem zu übersetzenden Text gerecht werden muss. Nicht zuletzt darum geht es beim reformatorischen Schriftprinzip. Es ist auf die Formel gebracht worden: sola scriptura, "die Schrift allein". Die Bibel ist nach reformatorischem Verständnis kritisches Gegenüber und Korrektiv allen kirchlichen Handelns und theologischen Redens. Diese Funktion aber kann sie nur erfüllen, wenn ihr Inhalt und ihre Aussageabsicht durch eine Übersetzung sachgemäß und unverfälscht zur Sprache gebracht werden.

d) Der Umgang mit den Namen und Bezeichnungen Gottes in der "Bibel in gerechter Sprache" erschwert, dass zwischen den glaubenden und betenden Menschen und Gott eine persönliche Beziehung entstehen kann. Bei der Wiedergabe und damit dem Verständnis der Hoheitstitel Jesu (insbesondere im Falle von "Herr", "Menschensohn" und "Christus") werden zentrale Inhalte des Bekenntnisses zu Jesus Christus als unserem Heiland und Erlöser in Frage gestellt.

e) Texttreue bei der Übersetzung der Bibel ist auch die Voraussetzung dafür, dass die Glieder der christlichen Gemeinde in Fragen der Auslegung der Bibel selbst urteilsfähig sein können. Jede Auslegung der Bibel bedarf der kritischen Überprüfung am biblischen Text selbst. Eine Übersetzung soll genau dies ermöglichen, nicht aber an die Stelle der Auslegung treten.

Hannover, 30. März 2007


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Quelle:
Pressemitteilung 67/2007 vom 31.03.2007
Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Pressestelle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2007