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STANDPUNKT/323: Die Welt kann sich Kürzungen im Gesundheitsbereich nicht leisten (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Pressemitteilung vom 19. Februar 2009

Wie schlimm die Krise auch ist - die Welt kann sich Kürzungen im Gesundheitsbereich nicht leisten

Von Dr. Manoj Kurian


Wie sich die Lage für die Volkswirtschaften nach der gegenwärtigen Finanzkrise darstellt, wird in großem Maße davon abhängen, inwieweit Regierungen und Zivilgesellschaft in der Lage sind, für das Wohl und die Gesundheit ihrer Bevölkerung während der Krise zu sorgen.

Eine ständige Sorge der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Frage, wie sich die Finanzkrise auf Gesundheitsausgaben in der ganzen Welt auswirkt. Dieses Problem beschäftigt auch zivilgesellschaftliche und religiöse Organisationen. Ein gutes Zeichen sind die zwei wichtigen Treffen, die das Thema demnächst in den Blick der Öffentlichkeit rücken werden.

Im April werden Mitglieder der Europäischen Region der WHO in Oslo zusammenkommen, um über die Auswirkungen der Finanzkrise auf Gesundheitsfragen zu diskutieren. Im Juli wird sich das African Religious Health Assets Program in Kapstadt mit Berührungspunkten zwischen Religion und Gesundheit befassen. Thema der Konferenz: "Wo sich Religion und Gesundheit treffen: Mobilisierung religiöser Gesundheitsdienste für eine Veränderung der Gesellschaft ". Die WHO hatte bereits für die Sitzung ihres Vorstandes im Januar 2009 eine hochrangig besetzte Konsultation zu diesem Thema vorgesehen.

Auch wenn reiche Länder schwer von der Finanzkrise getroffen sind, kann sich die Welt Kürzungen bei den Gesundheitsausgaben nicht leisten. Es ist absolut kein Spielraum vorhanden, wenn es um Kürzungen bei den sozialen Ausgaben von Regierungen oder zivilgesellschaftlichen Organisationen geht.

Die Lage der menschlichen Gesellschaft ist zunehmend prekär. Schon vor der Finanzkrise litten ein Drittel der Bevölkerung des subsaharischen Afrikas und über 20 Prozent der Bevölkerung Südasiens Hunger.

Vorausgegangene Wirtschaftskrisen wie beispielsweise die weltweite Finanzkrise der frühen 80er Jahre, die asiatische Wirtschaftskrise der späten 90er Jahre und die lateinamerikanische Krise von 2000 haben gezeigt, dass zivilgesellschaftliche Organisationen beim Wiederaufbau eine wichtige Rolle spielen können.

Wenn Gemeinschaften von einer Krise bedroht werden, steht ihnen die Zivilgesellschaft zur Seite. Genossenschaften, Gemeindezentren, Moscheen, Tempel und Kirchen verschwinden nicht einfach. Sie sind weiterhin vor Ort und helfen den Betroffenen, mit der Krise umzugehen. Auch Regierungen dürfen sich nicht aus der Verantwortung zurückziehen.

In Krisenzeiten tragen die Dienstleister im Bereich der Nichtregierungs- und gemeinnützigen Organisationen, wie religiöse und kirchennahe Organisationen, Genossenschaften und Bewegungen wie das Rote Kreuz und der Rote Halbmond, eine zusätzliche Last.

Die von religiösen Organisationen auf dem Gesundheitssektor geleisteten Beiträge erfahren immer mehr Anerkennung. Eine vom African Religious Healh Assets Programm 2006 durchgeführte Studie schätzte, dass zwischen 30 und 70 Prozent der in Afrika geleisteten Gesundheitsdienste von religiösen Organisationen geleistet wurden.

Obwohl die Leistungen von Nichtregierungs- und gemeinnützigen Organisationen unschätzbar sind, werden sie in den Haushalten von Regierungen nicht unbedingt berücksichtigt. Regierungen müssen die Vorteile und Leistungen der Zivilgesellschaft anerkennen, sie als Teil ihrer nationalen Strategie einbeziehen, sie unterstützen und von ihnen Rechenschaft fordern.

Noch ist es zu früh für genaue Zahlen, aber Berichte aus mehreren Ländern weisen auf Kürzungen bei der Zahl der Mitarbeiter und auf andere kostensparende Maßnahmen bei einer Reihe von NROs hin, während gleichzeitig die Nachfrage für deren Dienste beträchtlich gestiegen ist. Einige Länder kürzen die staatlichen Subventionen für private gemeinnützige Organisationen, darunter religiöse Organisationen, die im Gesundheitssektor tätig sind.

Viele der wichtigsten Kampagnen gegen Krankheiten und zur Erreichung globaler Gesundheitsziele sowie der Millenniumsziele sind in großem Ausmaß von internationaler Zusammenarbeit und Unterstützung abhängig. Mittelkürzungen würden die Behandlung von Millionen von Menschen in Gefahr bringen, die an Krankheiten wie HIV oder Tuberkulose leiden. Dies würde nicht nur grundlegende Rechte dieser Menschen verletzen, sondern womöglich auch katastrophale Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit mit sich bringen.

Gleichzeitig müssen die zivilgesellschaftlichen Organisationen Antworten auf schwierige Fragen finden. Wenn sie zu Recht das Handeln der Regierungen und der Staatengemeinschaft hinterfragen, müssen sie sich selbst offen und ehrlich prüfen: Arbeiten sie mit der weiter gefassten Zivilgesellschaft zusammen? Arbeiten sie eng mit den Regierungen zusammen? Stellen sie ihre institutionellen, menschlichen und finanziellen Ressourcen unvoreingenommen in den Dienst der Gesellschaft?

Diese Fragen müssen auf allen Ebenen ehrlich beantwortet werden. Die Lektion, die die Gesellschaft aus der weltweiten Finanzkrise lernen sollte, ist ein erhöhtes Bewusstsein dafür, was letztlich ihr größtes Gut ist: die Menschen.


Dr. Manoj Kurian ist Arzt. Er kommt aus Malaysia und ist Programmreferent für Gesundheit und Heilen im Ökumenischen Rat der Kirchen.

Weltgesundheitsorganisation: Finanzierung von Gesundheitssystemen (auf Englisch)
http://www.who.int/healthsystems/topics/financing/en

Weltgesundheitsorganisation: Hochrangige Konsultation zur Finanz- und Wirtschaftskrise und zu globalen Gesundheitsfragen (auf Englisch)
http://www.who.int/mediacentre/events/meetings/financial_crisis_20090113/en/index.html

African Religious Health Assets Program (auf Englisch)
http://www.arhap.uct.ac.za/index.php

Die Meinungen, die in ÖRK-Features zum Ausdruck kommen, spiegeln nicht notwendigerweise die Position des ÖRK wider.

Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 349 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pfr. Dr. Samuel Kobia, von der Methodistischen Kirche in Kenia. Hauptsitz: Genf, Schweiz.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 19. Februar 2009
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2009