Schattenblick →INFOPOOL →RELIGION → FAKTEN

BERICHT/101: Christlich-muslimischer Dialog wohin? (Herder Korrespondenz)


Herder Korrespondenz
Monatshefte für Gesellschaft und Religion 3/2009

Islam: Christlich-muslimischer Dialog wohin?

Von Stefan Orth


Wo steht der christlich-muslimische Dialog? Bei den Feierlichkeiten zum 30-jährigen Bestehen von CIBEDO, der entsprechenden Fachstelle der Deutschen Bischofskonferenz, wurden Ende Januar die Perspektiven diskutiert.


*


Der Islam ist in den meisten westlichen Ländern ein vergleichsweise junges Thema. Die katholische Kirche hat demgegenüber als Weltkirche den Vorteil, früh schon mit der Vielfalt der Weltreligionen intensiv in Kontakt gekommen zu sein. So gehört die Auseinandersetzung mit dem Islam für die Afrikamissionare ("Weiße Väter"), die im 19. Jahrhundert in Algerien gegründet worden sind, zur Ordensgeschichte von Anfang an dazu.

In Deutschland, einem Land praktisch ohne koloniale Vergangenheit, hat es immerhin bis in die siebziger Jahre gedauert, bis die Kirche die Beschäftigung mit dem Islam institutionell verankert hat - vorangetrieben von deutschen Ordensmitgliedern der Afrikamissionare. Nicht zuletzt als Reaktion auf die aus der Türkei kommenden Gastarbeiter wurde im September 1978 in Köln die "Christlich-islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle" (CIBEDO) gegründet und Hans Vöcking, selbst "Weißer Vater", als Leiter eingesetzt (vgl. auch von ihm: "30 Jahre CIBEDO. Die Gründungsgeschichte", CIBEDO-Beiträge Nr.4/2008, 4-9).

Als CIBEDO 1997 zur Fachstelle der Deutschen Bischofskonferenz wurde, hat Barbara Huber-Rudolf die Leitung übernommen. Seit 2004 wird die Einrichtung, die im Wesentlichen dokumentieren, informieren, beraten und vernetzen will, vom Politikwissenschaftler Peter Hünseler geleitet (vgl. zuletzt: Die offiziellen Dokumente der katholischen Kirche zum Dialog mit dem Islam, Hg. CIBEDO, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2009 [im Erscheinen]).

Wie sich die Kontexte der Arbeit in der Zwischenzeit massiv gewandelt haben, stand beim Festakt zum 30-jährigen Jubiläum der Einrichtung Ende Januar in Frankfurt im Mittelpunkt. Neben dem großen Zuspruch kirchlicher Spitzenvertreter war auch ein bemerkenswertes Interesse auf Seiten der Politik festzustellen.


Neuer Schwung für das interreligiöse Gespräch?

Hünseler hob bei dieser Gelegenheit hervor, dass das Leitwort von Cibedo "Klugheit und Liebe", der an jenem Abend viel zitierten Erklärung "Nostra Aetate" des Zweiten Vatikanischen Konzils entnommen, so aktuell sei wie nie. Auf der einen Seite sei bei den Initiativen von CIBEDO das Wohlwollen gegenüber den Gesprächspartnern zentral, auf der anderen Seite verpflichte die Mahnung zur Klugheit, auch die strittigen Fragen anzusprechen. Immerhin hob Hünseler mit Blick auf die Zeit nach dem 11. September 2001 hervor, dass nach Jahren der Sprachlosigkeit und fehlender Kommunikation auf beiden Seiten "ermutigende Gesten" festzustellen seien, die dem interreligiösen Gespräch wieder neuen Schwung geben könnten.

Ermutigen wollte beim Festakt neben Kardinal Jean-Louis Tauran, Präfekt des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog, Kardinal Karl Lehmann, der die Geschichte von CIBEDO würdigte. Lehmanns Überzeugung nach zeige CIBEDO exemplarisch, dass für die katholische Kirche die Begegnung und der Dialog mit dem Islam keine vorübergehende, gar politisch-taktische oder modische Angelegenheit sei.

Tauran warb engagiert für den Dialog und forderte dazu auf, mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil die positiven Aspekte der anderen Religionen zu sehen. Das interreligiöse Gespräch gehöre zur Essenz des christlichen Glaubens: Man sei geradezu zum Dialog "verdammt". Durchaus selbstkritisch fügte er hinzu, dass der Dialog oft genug lediglich eine Sache der Eliten sei, hingegen viel stärker noch an der Basis geführt werden müsse.

Bei diesem im Grundsatz positiven Duktus seiner Ausführungen verschwieg er die gegenwärtigen Probleme nicht. So beklagte er die schwierige rechtliche Situation von Christen gerade in einigen muslimischen Ländern und mahnte, dass jede Anerkennung der Religionsfreiheit auch die Freiheit zur Konversion einschließen müsse.


In Deutschland kein Zusammenprall der Kulturen

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble würdigte die Arbeit von CIBEDO aus Sicht der Politik, indem er sich grundsätzlich zum Verhältnis von Staat und Religion äußerte. Der religionsneutrale Staat sei mit Blick auf die Vielfalt der Weltanschauungen nicht Partei, er interessiere sich allerdings sehr wohl für die Religionen. Im Unterschied zu laizistischen Verfassungen gehe es dem deutschen Grundgesetz gerade nicht um die Verbannung der Religionen aus dem öffentlichen Raum. Unabhängig davon, was man selbst glaube, sei die spirituelle Autorität der Religion anzuerkennen - wie im Gegenzug die Religionen die politische Autorität des Staates zu respektieren hätten. Der Staat fördere aus diesem Grund den Dialog unter und mit den Religionen und sei deshalb auch auf zivilgesellschaftliche Akteure wie CIBEDO angewiesen. Ein Verdienst dieser Konzeption des Verhältnisses von Staat und Religion sei, dass es hierzulande nicht zum gelegentlich beschworenen Zusammenprall der Kulturen komme.

Ausdrücklich forderte Schäuble dazu auf, die gegenseitigen Beziehungen zu vertiefen, weiterhin vorherrschende Ängste abzubauen und die Muslime bei der Selbstorganisation zu unterstützen. Der Staat wolle, dass die Muslime in Deutschland heimisch werden.

Es liege aber auch an den Muslimen, sich nach dem geltenden Recht zu organisieren. In diesem Zusammenhang müsse auch bei den Muslimen um Verständnis für das deutsche Modell geworben werden. So setze eine stärkere Anerkennung der Muslime als Religionsgemeinschaft zwangsläufig voraus, dass das Kriterium der Dauer einer solchen Gemeinschaft nach deutschem Recht maßgeblich ist. Dieser Nachweis brauche nun per Definition Zeit. Wer das nicht akzeptiere, nehme in Kauf, dass die bestehenden Vorurteile verstärkt würden, so die sanfte Mahnung des Bundesinnenministers.

Erol Pürül, derzeitiger Sprecher des Koordinierungsrates der Muslime, beklagte demgegenüber in seinem - wegen Erkrankung nur verlesenen - Grußwort, dass viele Muslime in Deutschland immer noch nicht heimisch seien. Notwendig dafür sei die Veränderung der negativen Wahrnehmung des Islam; der Islam dürfe nicht als Bedrohung angesehen werden. Zu diesem Zweck sei der Dialog wichtig. Allerdings dürfe es nicht nur darum gehen, bestimmte Themen zu besprechen, es müsse auch über ein gemeinsames Handeln Einigkeit erzielt werden.


Schieflage im Dialog

Damit benannte Pürül freilich auch eine Schieflage des Dialogs, die am Folgetag bei einem wissenschaftlichen Symposium mehrfach angesprochen wurde: während die christliche Seite im Dialog oft genug Interesse an den theologischen Differenzen hat, ist den muslimischen Gesprächspartnern vielfach in erster Linie an der Verbesserung ihrer Lebensbedingungen gelegen - wie der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke, Vorsitzender der Unterkommission für den interreligiösen Dialog der Deutschen Bischofskonferenz, aufgrund seiner Erfahrungen bestätigte.

Immerhin haben inzwischen fast zwei Drittel der 27 deutschen Diözesen einen Beauftragten oder eine Beauftragte für die Begegnung mit dem Islam - wobei zu berücksichtigen ist, dass es in den ostdeutschen Diözesen nur vergleichsweise wenige Muslime gibt.

Umso wichtiger war es, beim Symposium Gegenwart und Zukunft des christlich-muslimischen Dialogs zu diskutieren. Man tat dies weitgehend ohne die muslimischen Gesprächspartner und nahm dafür die unterschiedlichen Kontexte in den verschiedenen europäischen Ländern in den Blick.

Eindrucksvoll wurde durch die Referenten aus den verschiedenen Ländern die Differenzen der jeweiligen Kontexte transparent. So werden schon in der vergleichsweise kleinen Schweiz unter anderem aufgrund der verschiedenen staatskirchenrechtlichen Bezugssysteme "Frankreich" beziehungsweise "Deutschland" ganz unterschiedliche Akzente gesetzt. Hinzu kommt die Bedeutung der Herkunftsländer für die jeweilige Ausprägung des Islam: Während man sich in der Westschweiz mehr mit Einwanderern aus dem Maghreb auseinandersetzt, überwiegen in der Ostschweiz die türkischen Migranten.

In Italien wiederum sind die muslimischen Gesprächspartner so vielfältig wie die Ethnien der Herkunftsländer, die Situation in Bosnien-Herzegowina hingegen ist durch eine muslimische Mehrheitsbevölkerung gekennzeichnet - einschließlich einer Universitätsfakultät für islamische Theologie. In Österreich gibt es wegen der bosnischen Muslime seit der Doppelmonarchie eine lange Tradition des Miteinanders. Und während in Spanien und Frankreich historisch bedingte Besonderheiten ins Auge stechen (Reconquista/Laizismus), stehen die britischen Katholiken vor dem Problem, dass die dialogbereiten Muslime im Land sich nicht für eine andere Minderheit interessieren, sondern sich mit ihren Gesprächswünschen an die anglikanische Kirche wenden.


Gemeinsam gegen den neuen Atheismus?

Mit Blick auf die Situation in Deutschland zeichnete Hansjörg Schmid, Studienleiter an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, nach, wie sich die Ausgangslage in den vergangenen Jahren verbessert habe. Die Muslime hätten einerseits erkannt, wie wichtig die Kontakte zur Mehrheitsgesellschaft sind: auf allen Ebenen, angefangen von den Moscheegemeinden gebe es heute vielfach Dialogbeauftragte.

Andererseits insistierten sie auch darauf, dass die Gespräche auf Augenhöhe stattfinden. Immerhin sei heute Konsens, dass den meisten Dialogen an der Balance von Gemeinsamkeit und Abgrenzung gelegen sei. Schmid bekräftigte, dass im Wesentlichen die Muslime die Themen des Dialogs vorgeben und dabei die Kirchen um Vermittlung oder Anwaltschaft bitten. "Während Dialoge für manche Christen Bildungsveranstaltungen sind, stellen sie für viele Muslime existentielle Emanzipationsmittel dar", betonte Schmid (vgl. auch HK, September 2008, 470ff.).

Die Dialogversuche, so wurde auf dem Symposium in diesem Zusammenhang beklagt, leiden in jüngerer Zeit jedoch darunter, dass auf der vom Bundesinnenministerium installierten Deutschen Islamkonferenz jene Themen verhandelt werden, die für die Muslime von zentraler Bedeutung sind. Die Gespräche mit Kirchenvertretern hätten dadurch offenkundig an Reiz verloren.

Christian Troll monierte darüber hinaus die theologische Bildung auf beiden Seiten. Genauso wie auf christlicher Seite während der theologischen Ausbildung bereits verstärkt auf den Dialog mit Muslimen vorbereitet werden müsse, fehlten auf muslimischer Seite ausgewiesene "Christianologen", die etwa auf der Höhe der Diskussion in der biblischen Exegese an den Gesprächen teilnehmen könnten. Dies alles nütze freilich nicht viel, wenn man sich nicht auf die Aufrichtigkeit der Gesprächspartner verlassen könne. Gerade dies sei weiterhin eine offene Frage.

Letztlich aber, darauf wies Günther Risse, der in Vallendar Religionswissenschaft lehrt, hin, müsse es auch darum gehen, in religiösen Fragen Gemeinsamkeiten zu entdecken. So sei die Auseinandersetzung mit dem aggressiven Neo-Atheismus eine gemeinsame Herausforderung, die anzugehen sei.


*


Stefan Orth, Dr. theol., geboren 1968 in Duisburg. Studium der Katholischen Theologie in Freiburg, Paris und Münster. 1998 Promotion. Seit 1998 Redakteur der Herder Korrespondenz.


*


Quelle:
Herder Korrespondenz - Monatshefte für Gesellschaft und Religion,
63. Jahrgang, Heft 3, März 2009, S. 115-116
Anschrift der Redaktion:
Hermann-Herder-Straße 4, 79104 Freiburg i.Br.
Telefon: 0761/27 17-388
Telefax: 0761/27 17-488
E-Mail: herderkorrespondenz@herder.de
www.herder-korrespondenz.de

Die "Herder Korrespondenz" erscheint monatlich.
Heftpreis im Abonnement 10,40 Euro.
Das Einzelheft kostet 12,00 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2009