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BERICHT/134: Wiederkehr der Götter oder Rückgang des Religiösen? (idw)


Exzellenzcluster "Religion und Politik" an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster - 15.05.2015

Wiederkehr der Götter oder Rückgang des Religiösen?

• Religionssoziologe Detlef Pollack legt eine der umfassendsten empirischen Untersuchungen religiöser Trends in der Moderne vor
• Internationales Zahlenmaterial von 1945 bis heute ausgewertet
• "Bedeutungsrückgang des Religiösen in vielen modernen Gesellschaften festgestellt"
• Buchvorstellung am 20. Mai in Münster


Wiederkehr der Götter oder Rückgang des Religiösen: In der Debatte um die Rolle der Religion in der Moderne ist am Exzellenzcluster "Religion und Politik" eine der bislang umfassendsten empirischen Untersuchungen internationaler religiöser Entwicklungstrends von 1945 bis heute entstanden. Die Religionssoziologen Prof. Dr. Detlef Pollack und Dr. Gergely Rosta werten in dem Grundlagenwerk ein so reichhaltiges Datenmaterial für mehrere Kontinente aus wie kaum eine andere Religionsstudie zuvor und filtern Einflussfaktoren auf Religion heraus.


"Glaube und Spiritualität sind nicht nur Ergebnis individueller Vorlieben und Abneigungen oder privater Erfahrungen, sondern hängen auch von sozialen Bedingungen ab", erläutert Prof. Pollack. "Länderübergreifend stellen wir Muster des religiösen Wandels sowie kausale Mechanismen fest, die religiöse Auf- und Abschwünge beeinflussen. So lässt sich zwischen Religion und Moderne ein Spannungsverhältnis nachweisen, das zu einer Abschwächung der sozialen Bedeutung von Religion führt, auch wenn es Gegenbewegungen gibt."

Die Abnahme des kirchlichen Bestandes in Westeuropa vollzieht sich den Forschern zufolge "lautlos, nicht eruptiv und erweckt den Eindruck eines alternativlos voranschreitenden Prozesses". Beobachtbare Zuwächse alternativer außerkirchlicher Religiosität, etwa esoterisch-spirituelle Glaubensformen, blieben demgegenüber vergleichsweise schwach. Zu den Faktoren, die die Vitalität von Religionen negativ beeinflussen, gehören nach der Studie ein hohes Wohlstandsniveau in einer Gesellschaft, ein hoher Grad an Individualisierung, ein breites Freizeit- und Unterhaltungsangebot sowie ein hohes Maß an kultureller und weltanschaulicher Vielfalt einer Gesellschaft. Positiv wirkt sich dagegen aus, wenn das religiöse Leben in Gemeinschaften eingebettet ist oder wenn sich religiöse Identitäten mit politischen, nationalen oder wirtschaftlichen Interessen verbinden. "Zugleich liegt hier ein Konfliktpotential, besonders wenn kleine, aggressive Religionsgruppen beteiligt sind, die dieses Konfliktpotential für sich ausnutzen und auf Kosten von Mehrheiten Attraktivitätsgewinne erzielen können", sagt Prof. Pollack.

Weitere Auskünfte zu Mechanismen des religiösen Wandels finden sich unten unter Zentrale Ergebnisse.

"Die Gegenwart erlebt eine explosionsartige Vervielfältigung des religiösen Feldes", erläutert der Soziologe. "Fundamentalistische Bewegungen ergreifen hochgebildete Jugendliche, Christen wenden sich millionenfach von ihrer Kirche ab, esoterische Weltbilder stoßen in Medizin und Wissenschaft zunehmend auf Resonanz. Durch den Aufweis von Mustern und Faktoren des Wandels lässt sich das unübersichtlich gewordene religiöse Feld ordnen." Die Soziologen streben keine Universaltheorie wie die Säkularisierungsthese an, sondern bieten Theorie-Bausteine, die in der Forschung auf verschiedene Weise kombiniert werden können.

Die Studie "Religion in der Moderne. Ein internationaler Vergleich", die soeben im Campus Verlag erschienen ist, zeichnet detailreich ein lebendiges Panorama des religiösen Wandels in verschiedenen Gesellschaften. Aktuelle Analysen werden durch historische Perspektiven ergänzt. Prof. Pollack: "Viele gegenwärtige religiös-soziale Konstellationen lassen sich nur aus ihrer Vorgeschichte verstehen." Ebenso benutzt die Studie theoretische Gesichtspunkte für den Vergleich von religiösen Entwicklungen in unterschiedlichen Gesellschaften.

Die Forscher nehmen Fallstudien für Italien, die Niederlande, Deutschland, Polen, Russland, die USA, Südkorea und Brasilien vor und ziehen aus dem Vergleich zwischen Ost- und Westeuropa, den USA, asiatischen und südamerikanischen Ländern verallgemeinerbare Schlussfolgerungen. Einbezogen ist eine Vielzahl an repräsentativen Datensätzen aus verschiedenen Zeiträumen: World Values Survey (WVS), International Social Survey Programme (ISSP), Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS), Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung, General Social Survey (GSS), Pew Forum sowie kirchliche und staatliche Statistiken.

Die Autoren stellen das Buch am 20. Mai 2015 in Münster vor und diskutieren es mit Wissenschaftlern des Exzellenzclusters, mit dem Historiker Prof. Dr. Olaf Blaschke, dem islamischen Theologen Prof. Dr. Mouhanad Khorchide und dem Politikwissenschaftler Prof. Dr. Ulrich Willems. Die Monografie ist als erster Band einer neuen Schriftenreihe "Religion und Moderne" des Centrums für Religion und Moderne (CRM) erschienen, das aus dem Exzellenzcluster "Religion und Politik" hervorgegangen ist. (vvm/ska)

Hinweis:
Detlef Pollack, Gergely Rosta:
Religion in der Moderne. Ein internationaler Vergleich
("Religion und Moderne", Band 1),
Frankfurt am Main/New York: Campus Verlag 2015, 39,90 Euro.


Zentrale Ergebnisse der Untersuchung

1) Funktionale Diffusion: Wenn sich religiöse Identitäten mit politischen, wirtschaftlichen oder nationalen Interessen verbinden, trägt das oft zur Stärkung von Religion und Kirche bei.

Die Studie weist diesen Zusammenhang etwa am Beispiel der USA nach, in denen Religion und Politik in vielerlei Hinsicht eng verknüpft sind. So gehören zur amerikanischen Zivilreligion nicht nur Rituale wie das gemeinsame Gebet im Kongress, die Vereidigung des Präsidenten auf die Bibel oder die Verehrung der amerikanischen Flagge, sondern auch die religiöse Aufladung von amerikanischen Militäraktionen in der Welt oder die Sicht auf die US-Nation als God's chosen people. Derartige Verbindungen von Religion und Politik fördern die Verankerung der Religion im gesellschaftlichen Leben der USA.

Auch der religiöse Aufschwung nach 1990 in Russland stellt vor allem eine Folge von politischen und nationalen Erwartungen dar, die auf die Russisch-Orthodoxe Kirche projiziert werden, und verdankt sich in hohem Maße der Vermischung religiöser mit politischen, nationalen und moralischen Funktionen.

Aus dieser Forschungsperspektive lässt sich auch die Attraktivität der Pfingstkirchen in Lateinamerika und der protestantischen Kirchen in Südkorea erklären, die bei ihren Mitgliedern mit disziplinierter Lebensführung für mehr Wohlstand und Aufstieg sorgen.


2) Funktionale Differenzierung: Häufig schwächen sich religiöse Bindungen wieder ab, wenn die mit religiösen Mitteln verfolgten politischen, wirtschaftlichen oder nationalen Ziele erreicht wurden.

Mit höherem Wohlstandsniveau oder dem Ausbau des Sozial- und Bildungssystems besteht für die Nutzung kirchlicher Kanäle oft keine Notwendigkeit mehr, da für politische Partizipation, berufliche Ausbildung und soziale Hilfe nun auch andere Wege offenstehen.

Dies gilt für die meisten Länder in Westeuropa in den Jahrzehnten nach 1945, auch für die deutsche Kirche. In Deutschland waren die Gottesdienste nach der nationalen, sozialen und moralischen Katastrophe des Nationalsozialismus überfüllt. Religiöse und nicht-religiöse Interessen verbanden sich: Die Kirchen waren ein Hort der sozialen Ordnung, der moralischen Orientierung und der politischen Wegweisung. In einer Zeit der Not, der sozialen Unsicherheit und der Angst vor einem neuen Krieg boten sie geistige und emotionale Heimat.

Wenige Jahre später waren die Kirchen in den Augen vieler zu einer autoritären Institution geworden, von der sich auf Autonomie bedachte Bürger zu emanzipieren hatten. Ende der 1960er traten Jahr für Jahr Hunderttausende aus der Kirche aus, vor allem Hochgebildete, Männer, Städter und Gutverdienende. Die Kirche galt als geldgierig, undialogisch und machtversessen. Sie war nicht mehr Bestandteil des allgemein geteilten Konsenses.

Soziologen sprechen, um diese Prozesse zu erfassen, von funktionaler Differenzierung, die in ihren Augen ein wichtiges Merkmal moderner Gesellschaften darstellt: Verschiedene soziale Bereiche wie Recht, Religion, Politik und Wirtschaft treten mehr und mehr auseinander und gewinnen an funktionaler Autonomie. Dadurch vermindern sich für Religion und Kirche die Chancen, Einfluss auf die nichtreligiösen Sphären der Gesellschaft zu nehmen und das gesellschaftliche Leben religiös zu überwölben. Auch wenn funktionale Differenzierung nicht automatisch zum Bedeutungsrückgang des Religiösen führt, ist ein solcher Zusammenhang doch sehr wahrscheinlich.

Ebenso schwächt sich die intensive Bindung an die Kirche ab, wenn sie aufhört, Funktionen der nationalen Selbstbehauptung gegenüber fremden Nationen und Kulturen zu erfüllen, wie in Irland, Spanien oder der kanadischen Provinz Quebec in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu sehen. In all diesen Fällen verlieren Religion und Kirche durch Prozesse der funktionalen Differenzierung an sozialer Relevanz.


3) Funktionale Absorption: Kommen Religion und Politik sich allerdings zu nah, wirkt sich das häufig wiederum negativ auf die religiöse Integrationsfähigkeit aus.

In diesem Fall droht die religiöse Identität, in nicht-religiösen Funktionen aufzugehen und durch sie okkupiert zu werden. Wenn etwa in den USA in breiten Bevölkerungskreisen die Abwehr gegenüber Religionen wächst, wie seit Jahren zu beobachten ist, dann hat das viel mit der engen Verschmelzung von Kirche und politischem Konservatismus zu tun. Gerade der Erfolg der politisch engagierten Evangelikalen treibt viele aus den Kirchen und Religionsgemeinschaften heraus.

Bieten sich Religionen und Religionsgemeinschaften als nützlich für politische, soziale oder ökonomische Zwecke an, bringt das zwar oft zunächst Zulauf. Doch langfristig ist darin die Gefahr angelegt, die eigenen Heilsgüter zu entwerten. Eine Religion, die ihre Relevanz an ihren nichtreligiösen Nutzen bindet, setzt sich der Vergleichbarkeit und Ersetzbarkeit aus.

Auch in den postkommunistischen Ländern Osteuropas, in denen sich vor 1989 hohe politische Erwartungen an die Kirchen gerichtet hatten, besteht die Mehrheit der Bevölkerung nach dem Systemumbruch auf einer deutlichen Trennung von Religion und Politik und entzieht den Kirchen das Vertrauen, wenn sie vordergründig politisch handeln. Das gilt selbst für ein so hochreligiöses Land wie Polen.

In den Niederlanden brachen die konfessionellen Gruppenkulturen, die mit ihrem Einfluss auf Politik, Diakonie, Universität und Schule das Leben jahrzehntelang stark bestimmt hatten, nach 1950 wie ein Kartenhaus zusammen, da sie die säkularen Institutionen nicht nur okkupiert hatten, sondern von diesen auch abhängig geworden waren und sich damit von ihren eigenen religiösen Motiven abgeschnitten hatten.

Und auch in Südkorea ist der atemberaubende Erfolg der protestantischen Kirchen mit ihren Versprechungen von Gesundheit, Aufstieg und Wohlstand inzwischen in eine Stagnation des Wachstums umgeschlagen. Die religiöse Identität wurde durch nicht-religiöse Interessen mehr und mehr aufgesaugt.


4) Existentielle Unsicherheit: Der Einfluss existenzieller Krisen wie Armut, Krieg oder Naturkatastrophen auf die individuelle Religiosität lässt sich nicht eindeutig bestimmen.

Zwar kommen große ländervergleichende Analysen zu dem Ergebnis, dass in Staaten mit scharfen sozialen Ungleichheiten, geringem Wohlstandsniveau und systemrelevanter Korruption das Religiositätsniveau höher ist als in wohlhabenden Gesellschaften mit ausgeprägter existentieller Sicherheit. Doch in manchen Gegenden und Zeitepochen sind es vor allem die ökonomisch schlechter gestellten Bevölkerungsschichten, die der Kirche besonders entfremdet gegenüberstehen.

Im England des 19. Jahrhunderts zeigten die entwurzelten Teile der Arbeiterschaft, die kaum Aufstiegsaussichten hatten, die größte Skepsis gegenüber der Kirche und ihren Lehren. Sie haderten mit der Verkündigung eines gerechten und guten Gottes, dessen Wirken sie in ihrem Leben nicht wiederfinden konnten.


5) Vergemeinschaftung: Religiöse Vorstellungen gewinnen an Überzeugungskraft, wenn der Einzelne sie mit anderen teilt, wenn er am Gottesdienst teilnimmt und rituelle und institutionelle Stützung erfährt.

Mit der Einbindung des Einzelnen in kommunale, nachbarschaftliche und familiäre Netzwerke erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass er sich als religiös und spirituell definiert. Wenn aber der institutionelle Druck auf das Individuum zu groß wird und Kirchen als bevormundend erlebt werden, sinkt die Glaubensbereitschaft.


6) Individualisierung: Je mehr die Menschen auf Selbstbestimmung, Lebensgenuss und Selbstverwirklichung Wert legen, desto distanzierter stehen sie den Kirchen gegenüber.

Auch wenn eine Mehrheit in Deutschland meint, ganz individuell ohne Kirche gläubig sein zu können, lässt sich das statistisch nicht nachweisen. Nur wenige leben den christlichen Glauben ohne kirchliche Institution und Gemeinschaft. Wie wichtig die soziale Einbindung für den Glauben ist, lässt sich auch daran erkennen, dass Formen einer hochindividuellen esoterischen Spiritualität außerhalb von Kirche und Christentum oft stark fluktuierend und wenig stabil sind.


7) Religiöse und weltanschauliche Vielfalt: Im Unterschied zur oft vertretenen Annahme, Wettbewerb tue der Vitalität religiöser Gemeinschaften gut, geht die Intensität des Glaubenslebens bei hoher religiöser Pluralität oft zurück.

So hat in konfessionell derart geschlossenen Ländern wie Polen, Italien, Irland oder Dänemark Religion einen höheren sozialen Stellenwert als in den religiös pluralen Niederlanden oder Großbritannien. Auch die hohe Religiosität in den USA kann unter anderem darauf zurückgeführt werden, dass das Land religiös viel homogener ist als oft angenommen: Die oft bestaunte Vielzahl an Denominationen besteht fast ausschließlich aus christlichen Gemeinschaften. Nur etwa fünf Prozent der Bevölkerung gehören nichtchristlichen Religionen an.


8) Konflikt und Diasporaeffekt: Religiöse Vielfalt kann unter bestimmten Umständen religiöse Leidenschaften aber auch anheizen, dann nämlich, wenn sich Minderheiten durch die Mehrheit herausgefordert fühlen. Minderheiten, die sich gegen eine andersgläubige Mehrheit behaupten müssen, engagieren sich oft mehr in ihren Gemeinschaften, als wenn sich ihre Gemeinschaft in der Mehrheit befindet.

Das lässt sich bei Protestanten beobachten, die von einer katholisch geprägten Mehrheit umgeben sind, oder bei Evangelikalen in einem protestantisch-landeskirchlichen Umfeld. Minderheiten inszenieren dann gern den Konflikt, von dem sie sich Aufmerksamkeitsgewinne versprechen und von dem sie nicht selten auch tatsächlich profitieren. Der Konflikt erlaubt es ihnen, unzufriedene Mitglieder der Mehrheitskonfession anzuziehen. Man könnte von "Plünderung durch parasitäre Anlagerung" sprechen.


9) Religion in der modernen Freizeit- und Unterhaltungskultur: Je mehr berufliche und außerberufliche Verwirklichungsmöglichkeiten bestehen, umso mehr verschiebt sich bei vielen Menschen die Aufmerksamkeit von religiösen zu säkularen Praktiken.

Während religiöse Lehren und Praktiken in vormodernen Gesellschaften oft selbstverständlich gültig waren, bedürfen sie in modernen Gesellschaften der Legitimation und Begründung. Oft legen sich Menschen heute über ihre religiösen Überzeugungen jedoch gerade keine Rechenschaft ab. Wichtiger als die Reflexion über transzendente Bedeutungsgehalte oder den Sinn des Lebens ist ihnen die Erfüllung ihrer beruflichen Pflichten, die Suche nach dem privaten Glück oder die Wahrnehmung von Angeboten der modernen Freizeit- und Unterhaltungskultur.

Die Abschwächung religiöser Bindungen ist oft nicht das Ergebnis einer bewussten Entscheidung zwischen religiösen und nichtreligiösen Angeboten, sondern mehr ein schleichender, kaum reflektierter Prozess der Umakzentuierung von Wertpräferenzen. Sich zur Kirche zu halten, bedarf der bewussten Gegensteuerung, zu der sich aber immer weniger motiviert fühlen.


10) Das Mobilisierungspotenzial der Religion: Die Kirchen sind der Abwendung der Gläubigen häufig machtlos ausgeliefert.

Professionelle Gegenmaßnahmen von Seiten der Kirchen richten da wenig aus, denn die Gläubigen verlassen die Kirchen ja oft nicht aufgrund von Kosten-Nutzen-Abwägungen, sondern weil ihnen die Kirche gleichgültig geworden ist. Daher beeinflussen auch weniger kircheninterne Gründe wie Unzufriedenheit mit kirchlichen Stellungnahmen oder die Erfahrung schlechter Predigten ihre Distanzierung von der Kirche. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass es Wichtigeres gibt als Kirche und Religion, dass man zum Beispiel während der Gottesdienstzeiten schlichtweg Besseres zu tun hat. Die Abnahme des kirchlichen Bestandes in Westeuropa vollzieht sich lautlos, nicht eruptiv und erweckt den Eindruck eines alternativlos voranschreitenden Prozesses.


Theoretische Grundlagen

Die Säkularisierungstheorie hat über Jahrzehnte das Bild von Religion in der Moderne bestimmt. Danach führt die Modernisierung unweigerlich zum Bedeutungsverlust von Religion und Kirche in der Gegenwart. Unter Sozial- und Geschichtswissenschaftlern ist die Theorie seit zwei Jahrzehnten stark umstritten. Viele bezeichnen sie als deterministisch und halten Behauptungen von der Rückkehr der Götter für plausibler. Die Autoren Detlef Pollack und Gergely Rosta stellen diese Debatten zu Beginn ihres Buches dar und diskutieren ausführlich die für ihre Studie zentralen Konzepte von "Religion" und "Moderne". Sie diskutieren die gängigen religionssoziologischen Ansätze und leiten daraus die Fragen ab, die sie ihren empirischen Analysen zugrunde legen. Ziel ist es nicht nur, die bestehenden Theorie-Konzepte empirisch zu überprüfen, sondern auch neue theoretische Einsichten zugewinnen.


Neue Schriftenreihe "Religion und Moderne"

Die Monografie "Religion in der Moderne. Ein internationaler Vergleich" ist der erste Band einer neuen Schriftenreihe "Religion und Moderne" des Centrums für Religion und Moderne (CRM), das aus dem Exzellenzcluster "Religion und Politik" hervorgegangen ist. Herausgeber der Reihe im Auftrag des CRM sind vier Cluster-Wissenschaftler, der Zeithistoriker Prof. Dr. Thomas Großbölting, der Religionssoziologe Prof. Dr. Detlef Pollack, die Frühneuzeit-Historikerin Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger und der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Ulrich Willems.


Die Autoren

Der Religionssoziologe Prof. Dr. Detlef Pollack ist Sprecher des Exzellenzclusters "Religion und Politik" an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU). Seit 2008 hat er den Lehrstuhl für Religionssoziologie an der WWU inne. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen das Verhältnis von Religion und Moderne, die Geschichte der DDR und politische Kultur. 2010 stieß seine internationale Studie über Religionsvielfalt in Europa auf nationale und internationale Resonanz. Prof. Pollack leitet am Exzellenzcluster das Forschungsprojekt C2-15 "Zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Kulturelle und soziale Integration im Selbstbild türkischstämmiger Muslime in Deutschland".
Dr. Gergely Rosta ist seit 2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Exzellenzcluster und war zuvor Universitätsdozent in Budapest. Er befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Verhältnis von Religion und politischen Einstellungen, methodologischen Problemen in den Sozialwissenschaften und Jugendsoziologie.


Weitere Informationen unter:
http://www.uni-muenster.de/Religion-und-Politik/aktuelles/2015/mai/PM_Religion_in_der_Moderne.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1807

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Exzellenzcluster "Religion und Politik" an der Westfälischen
Wilhelms-Universität Münster, Viola van Melis, 15.05.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Mai 2015

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