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STANDPUNKT/034: Papst Franziskus blieb auf der Synode bei der Strategie des Hinhaltens (Gerhard Feldbauer)


Von moderner und offener kann keine Rede sein

Papst Franziskus blieb auf der Synode bei seiner Strategie des Hinhaltens

von Gerhard Feldbauer, 21. Oktober 2014



Nach zweiwöchigen Beratungen hat die von Papst Franziskus zum Thema Ehe und Familie einberufene Synode am Sonnabend ihre Arbeit beendet. Mit der Familiensynode wollte Franziskus angeblich die katholische Kirche moderner und offener machen. Wollte er das wirklich, oder ist sie wiederum nur ein Bestandteil seiner Strategie, Hoffnungen auf Reformen zu nähren, um die nach Zehntausenden zählenden Kirchenaustritte zu stoppen, aber grundsätzlich nicht vom Pfad der Tugenden abzuweichen. Im Mittelpunkt stand, welche Haltung künftig gegenüber denjenigen eingenommen wird, die von den Heiligen Sakramenten der Ehe abweichen, das heißt, sich scheiden lassen oder lesbische bzw. homosexuelle Beziehungen eingehen. Zum Abschluss fehlten an der erforderlichen Zwei Drittel-Mehrheit zwei von 120 Stimmen, um "gütige Willkommen zu lesbischen und schwulen Menschen" zu verkünden und dass diese die christliche Gemeinschaft bereichern, wie es zunächst in einem Zwischenbericht geheißen hatte. Dass es im Vatikanstaat den höchsten Anteil an gleichgeschlechtlich orientierten Bewohnern gibt, wurde geflissentlich ignoriert. Zur Frage, ob wiederverheiratete Geschiedene als vollwertige Kirchenmitglieder gelten dürfen, sei "nachgedacht" worden, heißt es sibyllinisch im Abschlussdokument. "Nachgedacht" haben hier, dass sollte nicht übersehen werden, 180 Kirchenobere, die (wenn sie sich denn daran halten) im Zölibat leben und damit im ständigen Unterdrücken natürlichster menschlicher Bedürfnisse.


Fragende mit theologischen und pseudophilosophischen Konstrukten abgespeist

Ausgeklammert wurde die Fragen der Verhütung, deren Verbot bei Aids Hundertausende mit Siechtum und Tod bezahlen oder der Geburt von nicht gewollten Kindern, die in der dritten Welt dann zu den rund 40.000 stoßen, die täglich sterben. Kein Wort fiel über die unzähligen Familien, die durch wachsende Armut und elende Lebensbedingungen zu einem erbärmlichen Dasein verurteilt sind. Die Fragenden und Fordernden wurden mit theologischen und pseudophilosophischen Konstrukten abgespeist, die schon fast dem Weltbild der Kirche des Mittelalters, in der die Erde jahrhundertelang eine Scheibe war, ähnelten. Mit Stillschweigen wurde auch übergangen, dass viele Gläubige verhüten, Geschiedene und Wiederverheiratete zu ihren Freunden zählen, schwule Beziehungen nicht verurteilen. Selbst viele Bischöfe erklären inzwischen, Verhütung sei letztlich Gewissenssache.

Die Abstimmung über das Abschlussdokument war sehr knapp und es sei keine endgültige Entscheidung, denn Franziskus verbreitet schon neue Hoffnung, dass die Diskussion nicht zu Ende ist und setzte zum Thema "Herausforderung der Familie", zwei weitere Zusammenkünfte der Synode an: eine "außerordentliche" für Oktober und eine "ordentliche" mit Entscheidungskompetenz für den Oktober kommenden Jahres.

Nun könnte man Franziskus zu Gute halten, dass er es auf der Synode mit Geistlichen zu tun hatte, die fast ohne Ausnahme von seinen erzreaktionären Vorgängern Johannes Paul II und Benedikt XVI in ihre hohen Ämter berufen wurden und dafür bedingungslos gehorsam waren. Vatikankenner fragen in Rom indessen, ob es wirklich die Bischöfe sind, die zu einem Aufbruch nicht bereit sind, oder ist es nicht eher Franziskus, der gar keine wirklichen Reformen will. Denn er hätte durchaus von seiner Autorität Gebrauch machen und ein Machtwort sprechen können. Stattdessen setzte er am letzten Tag der Synode ein entgegengesetztes Zeichen und sprach Paul VI. selig, unter dem die Rückgängigmachung der tatsächlich von Johannes XXIII. auf dem zweiten Vatikanischen Konzil eingeleiteten Reformen begann. Ein noch stärkeres Zeichen hat er bereits im Frühjahr dieses Jahres mit der Heiligsprechung des Polen Karel Wojtyla alias Johannes Paul II. gesetzt, eines Papstes, der wie kein zweiter vorher alle von der offiziellen oder selbst offiziösen Linie der Kurie abweichenden Meinungen rigoros unterdrückte, den von Johannes XXIII. eingeleiteten Aufbruch stoppte und eine regelrechte Gegenreformation einleitete. Seine reaktionäre Wende zeigte sich in Fragen wie Zölibat, Scheidung, Frauenpriestertum, Sexualmoral und vielen weiteren. Eine auch nur andeutungsweise Distanzierung von dieser Praxis war auf der Synode nicht zu erkennen.

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Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2014