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STANDPUNKT/062: Die Bank des Papstes (Gerhard Feldbauer)


Die Bank des Papstes

Von Gerhard Feldbauer, 9. Dezember 2015


Die Vatikanbank IOR, die bis in die Gegenwart der Geldwäsche, des illegalen Kapitaltransfers und weiterer diverser Mafia-Praktiken beschuldigt wird, entstand als ein Produkt des Bündnisses der Kurie mit dem Faschismus. Ihr Startkapital waren die 1,75 Mrd. Lire, die Mussolini im Rahmen der 1929 mit dem Heiligen Stuhl geschlossenen Lateranverträge an Pius XI. zahlte. Mit dieser Entschädigung für die 1870 bei der Herstellung des italienischen Nationalstaates säkularisierten päpstlichen Besitztümer stattete der "Duce" seinen Dank dafür ab, dass ihn der Papst in der sogenannten Matteottikrise 1924/25 vor dem drohenden Sturz bewahrt hatte. Mit dem gleichzeitig geschlossenen Konkordat ermöglichte es Mussolini, die 1870 beseitigte weltliche Herrschaft in Gestalt des Vatikans als neuem Staat mit dem Papst als Oberhaupt wieder herzustellen. Fortan wurde die Kurie zum wichtigsten Verbündeten des Faschismus Mussolinis wie auch des Reichskonkordats der Hitlerdiktatur. Pius XI. nannte den "Duce" öffentlich "einen Mann, mit dem uns die Vorsehung zusammenführte".

7,5 Mrd. Lire dieser Zeit entsprechen heute einer Kaufkraft von zirka 13,1 Mrd. Euro. Aus diesem Startkapital war laut Die Zeit Nr. 45/2001 bis 1992 allein ein liquides Vermögen von 3,2 Mrd. US-Dollar angehäuft worden. Die 1,75 Mrd. Lire, flossen nach 1929 in das persönliche Vermögen Pius XI. ein, die dieser in streng geheim gehaltenen Transfers in London und Paris getarnt in ausländischen Unternehmenstrukturen in Imobilien und anderen Beteiligungen anlegte. Anfang der 40er Jahre wurden Erlöse zu je einem Drittel in Gold, Devisen und Aktien in den USA angelegt.

Auf der Grundlage bereits bestehender Strukturen einer Kommission für fromme Zwecke gründete Pius XII. am 17. März 1941 (andere Daten nennen den 27. Juni 1942) ein Istituto per le Opere religiose - IOR (Institut für religiöse Werke), als privatrechtliches Finanzinstitut mit eigener Rechtspersönlichkeit nach kanonischem Recht zur Verwaltung des päpstlichen Vermögens, das damit eine Bank im persönlichen Besitz des Papstes wurde, für die sich später die Bezeichnung Vatikanbank einbürgerte, was jedoch an den Besitzverhältnissen nichts änderte.

In der Nachkriegsentwicklung entstand auf der Grundlage des - mit Ausnahme von Johannes XXIII. - von allen Päpsten bis zum deutschen Ratzingerpapst Benedikt XVI. fortgesetzten Bündnisses der Kurie mit den nunmehrigen Neofaschisten, die sich schon im Dezember 1946 in der Mussolininachfolgepartei Movimento Sociale Italiano (MSI) organisierten, gegen die Linke ein Geflecht von CIA, der faschistischen Putschloge P2, dem Opus Dei, der Mafia und in- und ausländischem Kapital, in dem das IOR zum Dorado von Kapitalverbrechen unvorstellbaren Ausmaßes wurde. Mafia-Größen wie der italoamerikanische Finanzgewaltige Michel Sindona und der P2-Bankier und Präsident der riesigen italienischen Ambrosiano-Bank wurden Finanzberater des IOR und fädelten betrügerische Milliardengeschäfte ein, mit denen der Vatikan und damit die Päpste sich bereicherten.

Wenn 2001 das Vermögen der katholischen Kirche an Grundbesitz, Geldanlagen und Beteiligungen auf 270 Mrd. Euro beziffert wurde, dann dürfte ein beträchtlicher Teil aus den Geschäften mit der organisierten Kriminalität stammen. So wurde Ende der 70er Jahre der damalige Chef des IOR, Erzbischof Casimir Marcinkus, dabei ertappt, wie er gefälschte Aktien im Wert von 500 Millionen US-Dollar verkaufen wollte. Kein Geringerer als der damalige Kardinal Ratzinger vertuschte diesen wie andere Skandale und verhinderte eine Auslieferung des Betrügers an die italienische Justiz.

Obwohl das IOR als größter Finanz-Akteur des Kirchenstaates agierte, übte es nicht die Funktion einer Zentralbank aus. Eine solche wurde erst 1967 mit dem Administratico Patrimonii Sedis Apostolica - APSA (Güterverwaltung des Heiligen Stuhls) zur Verwaltung der Immobilien, Kapitalanlagen und der Liquidität der Kurie gebildet, der die Aufgaben des Schatzamtes des Vatikan übertragen wurden. Bis dahin hatte ausschließlich das IOR das alles wahrgenommen. Ausgenommen eine unter Franziskus 2013 veröffentlichte Bilanz, deren Wahrheitsgehalt angezweifelt wird, hat das IOR nie Geschäftsberichte veröffentlicht. So ist auch nichts darüber bekannt, woher die Vermögenswerte von neun bis zehn Mrd. Euro stammen, die im Vatikan verwaltet werden.

Unverändert ist in Presseberichten (Spiegl-online vom 7. Januar 2013) vom IOR als "der Bank des Papstes" die Rede. Es ist nichts bekannt, dass sich am diesbezüglichen Status des IOR etwas geändert hätte. Nun hat Franziskus eine Kommission "zur Neuordnung der wirtschaftlichen und administrativen Angelegenheiten des Vatikans" (Cosea) eingesetzt, die auch auf die Verwicklung des IOR in unverändert betriebene Geldwäsche und diverse Mafia-Praktiken stieß. In logischer Konsequenz hätte die Cosea nun auch gegen den Besitzer des IOR ermitteln müssen. Fakt ist, drei Mitglieder der Kommission gaben diese Erkenntnisse an die Journalisten Gianluigi Nuzzi und Emiliano Fittipaldi weiter, die dazu zwei Enthüllungsbücher veröffentlichten. Dafür stehen die fünf jetzt vor einem Gericht des Vatikans und werden wegen Veröffentlichung geheimer Dokumente, die "Kerninteressen des Heiligen Stuhls und des Staates" betreffen angeklagt. Cui bono?, wem nützt es? kann man da nur fragen.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2015

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