Schattenblick →INFOPOOL →REPRESSION → FAKTEN

INTERNATIONAL/051: Burma - Vergewaltigung als Waffe, Armee will Widerstand der Minderheiten brechen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Dezember 2011

Burma: Vergewaltigung als Waffe - Armee will Widerstand der Minderheiten brechen

von Preethi Nallu


Bangkok, 13. Dezember (IPS) - Um aufständische ethnische Minderheiten unter Kontrolle zu bringen, vergewaltigen Soldaten in Burma systematisch Frauen. Diesen Vorwurf erhebt die 'Kachin Women's Association of Thailand' (KWAT) in einem Bericht, demzufolge allein im Juni und Juli mindestens 37 Frauen sexuell missbraucht wurden.

Im Frühjahr waren erneut heftige Kämpfe zwischen der Rebellenbewegung 'Kachin Independence Army' und dem Militär ausgebrochen. Frauengruppen im Grenzgebiet zwischen Thailand und Burma dokumentierten in den vergangenen acht Monaten 81 Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen. 36 der Opfer wurden von den Soldaten getötet.

Der Dachverband 'Women's League of Burma' (WLB) hat in den letzten zehn Jahren Hunderte solcher Fälle untersucht. Er kommt zu dem Schluss, dass Vergewaltigungen keine Randerscheinungen des Krieges sind, sondern Teil der Kampfstrategie der burmesischen Armee.

"Wir sind sicher, dass die Armee Vergewaltigungen als Waffe gegen Frauen einsetzt", erklärte die KWAT-Chefin und Witwe des Gründers der 'Kachin Independence Army', Shirley Seng, im IPS-Gespräch. "Das haben die Soldaten ihren Opfern selbst gesagt." Die Organisation verfolgt das Ziel, Informationen über sexuelle Gewalt zu sammeln, die Ursachen zu ergründen und die Ergebnisse international zu verbreiten.


Täter werden nicht zur Rechenschaft gezogen

Die Täter gingen straffrei aus, warnten lokale Beobachter. Die Opfer selbst seien ein Leben lang gezeichnet. Nicht nur, dass sie mit den körperlichen und seelischen Verletzungen fertig werden müssten, auch werden sie in ihren eigenen Gemeinschaften diskriminiert.

Die Konflikte im Norden und Osten des südostasiatischen Land waren im März und Juni in den Gebieten den Shan und Kachin erneut aufgeflammt und führten zur Vertreibung von 30.000 Zivilisten.

Soldaten verfolgen außerdem regelmäßig ethnische Rohingyas, die von der burmesischen Regierung nicht als Bürger des Landes anerkannt werden, obwohl sie seit Generationen im westlichen Bundesstaat Arakan leben. Seit der Gründung des Staates Burma 1948 sind ethnische Minderheiten wie die Karen, Shan und Kachim, die ihr Recht auf Selbstbestimmung einfordern, mit Vertreibungen, Gewalt und Verfolgungen konfrontiert.

Als sich in den von den Minderheiten bewohnten Gebieten bewaffnete Gruppen formierten, reagierte die Regierung mit der Entsendung von Truppenverbänden, die gewaltsam gegen die Ethnien vorgingen. Bereits in der Vergangenheit wurden Verfolgungen, Vertreibungen und Vergewaltigungen bekannt. Die sexuellen Übergriffe auf Frauen zielen auch darauf ab, das soziale Gefüge der unterschiedlichen ethnischen Gruppen zu zerstören.

"Ich war erst vier Jahre alt. Meine Mutter sagte, dass wir fliehen mussten, um nicht getötet zu werden", erinnerte sich die 21-jährige Rahima, die aus Arakan stammt. Auf dem Weg zur Grenze nach Thailand suchten Rahima und andere Flüchtlinge in Bahnhöfen Zuflucht, die oft vom Militär gestürmt wurden. Die Soldaten hätten viele Frauen mitgenommen und sie hinterher mit sichtlichen Anzeichen körperlicher Misshandlung wieder zurückgebracht, erzählte sie. Die seelischen Wunden durch sexuelle Gewalt und Folter habe jedoch niemand erkennen können.

Rahimas Schwester wurde von Militärangehörigen vergewaltigt. Ihre Familie schwieg jedoch dazu, um sich nicht sozialer Diskriminierung auszusetzen. "In meiner Kultur ist die Scham so groß, dass nicht über Vergewaltigungen gesprochen wird. Ich habe miterlebt, dass Dutzende Frauen missbraucht wurden. Nicht eine einzige von ihnen hat je ein Wort darüber verloren."

Inwieweit die Vergewaltigungen von den Militärbefehlshabern angeordnet werden, ist schwierig zu überprüfen. Erwiesen ist aber, dass der erneute Ausbruch des Konflikts zu einer deutlichen Zunahme sexueller Gewalt geführt hat.


Sogar schwangere Frauen vergewaltigt

Die Vorsitzende des 'Shan Women's Action Network', Charm Tong, ist die Ko-Autorin des 2002 veröffentlichten Berichts 'License to Rape', der 173 Fälle von Vergewaltigungen und anderen Formen sexueller Gewalt dokumentiert. Mehr als 600 Frauen und Mädchen wurden demnach von burmanischen Soldaten im Shan-Staat vergewaltigt. Tong und ihre Kolleginnen fanden heraus, dass auch Schwangere bei Überfällen der Armee auf Dörfer sexuell misshandelt wurden.

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag behandelt systematische Vergewaltigungen, sexuelle Versklavung und "andere Formen sexueller Gewalt von ähnlicher Schwere" als Kriegsverbrechen. WLB sucht nun Unterstützung, um eine Untersuchung durch eine internationale Organisation in die Wege zu leiten.

Tomás Ojea Quintana, Berichterstatter der Vereinten Nationen für Burma, äußerte sich besorgt über "fortgesetzte Menschenrechtsverstöße wie Zwangsarbeit, Beschlagnahmung von Land und Vergewaltigungen Angehöriger ethnischer Minderheiten".

Während eines Besuchs in Burma im September forderte er den Einsatz einer unabhängigen Untersuchungskommission. Laut einem Bericht der staatlichen Zeitung 'New Light of Myanmar' bildete die Regierung daraufhin eine Nationale Menschenrechtskommission, die "die Rechte der Bürger schützen soll". Menschenrechtsgruppen halten eine Ahndung der Verbrechen allerdings erst dann für möglich, wenn die Militarisierung der Gebiete, in denen die Ethnien leben, endet. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://womenofburma.org/
http://www.kachinwomen.com/
http://www.shanwomen.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106173

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 13. Dezember 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Dezember 2011