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INTERNATIONAL/157: Eritrea - Folter und Tod nach der Flucht vor der Diktatur (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. Juni 2013

Eritrea: Folter und Tod nach der Flucht vor der Diktatur

von Saikou Jammeh



Banjul, 25. Juni (IPS) - Im vergangenen Februar ist der 20-jährige Eritreer Mohamed* vor der Diktatur in seinem Heimatland in den benachbarten Sudan geflohen. Doch die Hoffnung auf ein besseres Leben hat sich nicht erfüllt. Mohameds Eltern gehen davon aus, dass der Sohn tot ist.

Wie aus dem Weltbericht 2013 der internationalen Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' (HRW) hervorgeht, sind Folter und willkürliche Verhaftungen in Eritrea an der Tagesordnung. Die Rede-, Versammlungs- und Religionsfreiheit sind eingeschränkt, und es gilt eine unbegrenzte Wehrpflicht.

"Seit 21 Jahren wird Eritrea von Präsident Isaias Afwerki regiert, der das Land in ein riesiges Gefängnis verwandelt hat. Es ist regional und international isoliert", berichtet Elsa Chyrum, die Gründerin von 'Human Rights Concern Eritrea' mit Sitz in Großbritannien.

Die internationale Pro-Demokratie- und Menschenrechtsorganisation 'Freedom House' hat Eritrea in ihrem Bericht 'Freedom in the World 2012' als einen der neun repressivsten Staaten der Welt eingestuft. Die UN-Flüchtlingsorganisation (UNHCR) berichtete 2011, dass 220.000 der 5,4 Millionen Eritreer vor der politischen Unterdrückung in ihrem Land geflohen sind.


Über die Grenze in die Hände von Menschenhändlern

Mohamed war es zwar gelungen, die Grenze zum Sudan heil zu überqueren. Das hatte er seiner Mutter in einem Telefongespräch mitgeteilt. Doch einige Tage später berichtete er ihr in einem weiteren Telefonat, entführt worden zu sein. Seine Kusine Eden* glaubt, dass er von Kriminellen verschleppt wurde, die mit den sudanesischen Sicherheitskräften zusammenarbeiten.

"Seine Mutter ist verzweifelt", berichtete Eden gegenüber IPS bei einem kürzlichen Besuch in der gambischen Hauptstadt Banjul. "Die Entführer verlangten ein Lösegeld in Höhe von 30.000 US-Dollar. Doch die Familie ist arm, und seine Mutter versuchte das Geld durch Spenden aufzutreiben."

Das letzte, was die Familie von Mohamed hörte, war, dass er an Beduinen in Ägypten verkauft wurde. Bei seinem letzten Anruf teilte er seiner Mutter mit, dass es keinen Grund mehr gebe, ihn auszulösen. Er sei verstümmelt worden und werde nicht mehr lange leben. Die Familie nimmt an, dass er inzwischen tot ist.

Wie Elsa Chyrum in einem Vortrag im Januar am Zentrum der eritreischen Gemeinde in Boston in den USA erklärte, sind Entführungen von Flüchtlingen gängige Praxis.

"Das geschieht, wenn die arglosen Flüchtlinge an die Meistbietenden der Rashaida übergeben werden", berichtete sie. Die Rashaida sind eine arabische Volksgruppe in Eritrea und im Nordsudan, die ihre Geiseln mit Waffengewalt bis in den ägyptischen Sinai bringen.

"Dort werden sie dann an arabische Beduinen weitergereicht und gefoltert, damit sie die Namen der oft in der Diaspora lebenden Familien preisgeben, die dann um Lösegeld angegangen werden. Den Angehörigen teilt man mit, dass die Geiseln sterben werden, sollte ein gewisser Betrag nicht zusammenkommen."

Chyrum zufolge werden die entführten Flüchtlinge gefoltert, vergewaltigt und ermordet und ihre Leichen für den Organhandel ausgeschlachtet. "Diejenigen, die es sich leisten können, zahlen riesige Beträge an Schmuggler oder hochrangige Beamte, damit diese für die Rückkehr der Verschleppten sorgen."

Die Menschenrechtsaktivistin beschuldigt den Sudan, die Lösegelderpressungen von Seiten des sudanesischen Militärs nicht zu unterbinden. Die Sicherheitskräfte machten gemeinsame Sache mit den Entführern und verbreiteten im Umfeld der Flüchtlingslager Unsicherheit. Die Entführer würden von den ägyptischen Behörden nicht festgenommen.

Dennoch wollen viele Menschen raus aus Eritrea. "Die eritreische Verfassung mit ihren umfangreichen Schutzbestimmungen wird einfach ignoriert", so Chyrum. Die Nationalwahl, die eigentlich 2001 stattfinden sollte, wurde auf unbestimmte Zeit verschoben, die Nationalversammlung ausgeschaltet. Etliche Regimekritiker sitzen im Gefängnis.


Hochrangige Häftlinge in Eritrea hinter Gittern

Zu den Häftlingen gehören 20 prominente Oppositionelle, Journalisten und 15 hochrangige Regierungsvertreter, die seit einem Jahrzehnt keinen Kontakt zur Außenwelt haben. Vermutet wird, dass einige von ihnen nicht mehr leben.

Bei den Gefangenen handelt es sich Chyrum zufolge um zwei ehemalige Außenminister, Stabschefs und Armeegeneräle, die viel für ihr Land getan und auf der Seite des Präsidenten gekämpft hätten. Das einzige 'Verbrechen', das sie begangen hätten, sei die Aufforderung an Afwerki gewesen, die Verfassung in Kraft zu setzen.

Neben Einschränkungen der Rede- und Bewegungsfreiheit ist es auch um die religiöse Toleranz im Land am Horn von Afrika schlecht bestellt. "Nur vier Glaubensrichtungen sind erlaubt. Ausgeübt werden dürfen nur der sunnitische Islam, der eritreisch-orthodoxe Glauben, die römisch- katholische und die protestantische Religion."

Eine UNHCR-Vertreterin, der sich Anonymität ausbat, erklärte gegenüber IPS, dass die UN-Organisation ohne die Hilfe der Regionalregierungen kaum in der Lage sein werde, den Menschenhandel mit eritreischen Flüchtlingen zu unterbinden.

"Wenn Menschen verschleppt werden, müssten wir natürlich viel mehr tun. Doch ohne die Regierungen des Sudans oder Ägyptens sind wir machtlos. Aus diesem Grund reden wir mit diesen Staaten. Sie müssen den Weg vorgeben."

Doch das wird nicht so schnell geschehen. "Wir sprechen seit September 2012 über die Notwendigkeit, endlich ein Treffen mit den Regierungen abzuhalten. Doch noch immer wird verhandelt", so die Quelle.

Wie Sheila Keetharuth, die UN-Sonderberichterstatterin zur Menschenrechtslage in Eritrea, gegenüber IPS erklärte, steht sie selbst vor einer Mammutaufgabe. Bisher seien ihre Bemührungen, sich Zugang zu dem Land zu verschaffen, vergeblich gewesen. "Von Anfang an habe ich an alle Türen der eritreischen Behörden geklopft. Doch die Türen haben sich keinen Spalt geöffnet." (Ende/IPS/kb/2013)

* Die Namen wurde geändert, um die Identität der Betroffenen zu schützen.


Links:

http://www.hrw.org/world-report/2013/country-chapters/eritrea
http://hrc-eritrea.org/
http://www.ipsnews.net/2013/06/trapped-between-political-persecution-in-eritrea-and-misery-of-refugee-camps/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 25. Juni 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2013