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INTERNATIONAL/174: Pakistan - Zwangskonversionen von Frauen und Mädchen zum Islam (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. Mai 2014

Pakistan: Zwangskonversionen von Frauen und Mädchen zum Islam - Minderheiten weitgehend machtlos

von Ashfaq Yusufzai


Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Christliche Schülerinnen in Peshawar, der Hauptstadt der Provinz Khyber Pakhtunkhwa
Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Peshawar, Pakistan, 26. Mai (IPS) - In Pakistan haben Minderheiten, die zehn Prozent der 180 Millionen Einwohner zählenden Bevölkerung stellen, seit jeher einen schwierigen Stand. Deren Mitglieder sind häufig Marginalisierung, Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt. Ein besonders düsteres Kapitel sind die Zwangskonversionen ihrer jungen Frauen und Mädchen.

"Die Lage ist ernst. Etwa 1.000 hinduistische und christliche Mädchen werden in Pakistan jedes Jahr entführt, verheiratet und zum Übertritt zum Islam gezwungen", berichtet Ramesh Kumar Vankwani vom Pakistanischen Hindurat (PHC).

Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen, die diese Verbrechen seit Jahren beobachten, ist das Ausmaß des Problems weitgehend unbekannt. Das hat vor allem damit zu tun, dass viele Familien die Vorfälle nicht anzeigen können oder wollen und sich die betroffenen Mädchen selbst nicht trauen, gegen die Täter auszusagen.

Im Dezember letzten Jahres verschwanden die sechsjährige Jumna und ihre zehnjährige Schwester Pooja aus ihren Elternhaus in Mirpur Kahs, einer Stadt in der südostpakistanischen Provinz Sindh. Die Eltern setzten Himmel und Hölle in Bewegung, um die Kinder zu finden, und spürten sie schließlich bei einem Mann namens Rajab Pathan auf.


Geringe Rückgabechancen

Wie Soma, die Mutter der beiden Mädchen, gegenüber IPS berichtete, kam es zwar zu einer Gerichtsverhandlung, doch ihre Töchter bekam sie nicht zurück, weil die Mädchen erklärt hatten, freiwillig zum Islam konvertiert zu sein. Solche Aussagen sind üblich, weil sie erzwungen werden, geht aus einem Bericht der Bewegung für Solidarität und Frieden in Pakistan hervor. Man könne davon ausgehen, dass die Opfer von ihren Entführern eingeschüchtert würden.

"Sobald sich das jeweilige Mädchen in der Hand eines Entführers befindet, drohen ihm sexuelle Gewalt, Vergewaltigung, Zwangsprostitution, Menschenhandel, Verkauf und andere häusliche Übergriffe", heißt es in dem Report, der sich auf die Entführung junger Christinnen konzentriert.

Der Untersuchung zufolge sind etwa 700 der jährlich entführten Mädchen Christinnen, während "konservative Schätzungen" die Zahl der hinduistischen Opfer mit 300 angeben. Die meisten Betroffenen sind zwischen zwölf und 25 Jahre alt. Da die Fälle nicht gern von den Medien aufgegriffen werden und die Sicherheitskräfte nur ungern Details über die Fälle bekannt machen, gehen die Autoren der Studie von einer deutlich höheren Dunkelziffer auf.

In den Fällen, in denen Familien Entführungen oder Vergewaltigungen weiblicher Mitglieder bei der Polizei anzeigen, kontern die Entführer in der Regel mit schriftlichen Gegenanzeigen im Namen der Opfer, aus denen hervorgeht, dass die Konversionen freiwillig erfolgt seien und die glücklich verheirateten Mädchen von ihren Angehörigen belästigt würden. Die Fälle werden dann eingestellt.

Vankwani vom PHC ist unzufrieden mit der Art und Weise, wie die Behörden mit dem Problem umgehen. "Die Regierung hat Angst vor Vergeltungsmaßnahmen von Seiten fundamentalistischer Gruppen", betont er.

Tatsächlich sind die Drohgebärden radikaler Organisationen eindrucksvoll, wie ein Fall von 2012 zeigt. Im Februar jenen Jahres wurde Rinkle Kumari aus ihrem Elternhaus in der Sindh-Provinz entführt. Später erklärte sie gegenüber einem Richter in Anwesenheit Dutzender bis an die Zähne bewaffneter Männer, dass sie ihren Entführer Naveed Shah aus freien Stücken geheiratet habe.


Turbulente Geschichte, harte Zeiten

Christen machen nur 1,6 Prozent der muslimisch dominierten pakistanischen Gesellschaft aus. Sie leben traditionell in der südlichen Hafenstadt Karachi und in den Dörfern der Provinz Punjab sowie in größeren Industriestädten wie Lahore und Faisalabad. Rund 200.000 Christen sind in der nordpakistanischen Provinz Khyber Pakhtunkhwa beheimatet, davon 70.000 allein in Peshawar.

Hindus bilden mit sieben Millionen Mitgliedern oder einem Bevölkerungsanteil von 5,5 Prozent die größte Minderheit in dem südasiatischen Land. Viele leben in den städtischen Gebieten der Provinz Sindh. Mindestens die Hälfte konzentriert sich auf den südöstlichen Bezirk Tharparkar an der Grenze zu Indien.

Die demographische Zusammensetzung des heutigen Pakistans ist die Folge von Invasionen, Eroberungen und Besiedlungen. Die Hindus zum Beispiel stellten einst die Mehrheit in Sindh, wurden dann aber durch die Invasionen der Perser, Araber und Osmanen zerstreut.

Der blutigen Teilung Indiens und Pakistans im Jahr 1947 folgten Gewaltwellen, die dazu führten, dass tausende Hindus in Städte wie Neu-Delhi und Mumbai flohen. Auch wenn christliche Gemeinschaften vor vergleichbaren Übergriffen verschont blieben, sahen aber auch sie sich Gewalt und einer systematischen Diskriminierung ausgesetzt.

Für viele Beobachter bedeutet die jüngste Welle der religiösen Intoleranz eine weitere Belastungsprobe für ein Land, das bereits von Fundamentalisten gespalten wird, die nach Aussagen von Vankwani mit "ungebildeten Geistlichen" geheime Absprachen treffen.

Der Vorsitzende der Organisation für die Rechte aller Hindus, Kishan Chand Parwani, erklärte gegenüber IPS, dass ihn die Zwangskonversionen von Mädchen religiöser Minderheiten zutiefst beunruhigten.

"Unsere Probleme werden mit jedem weiteren Tag, den die Regierung ungenutzt verstreichen lässt, größer", meint er. Die Behörden seien seit 2008 eine Verabschiedung des Hinduistischen Ehegesetzes schuldig geblieben, das der größten religiösen Minderheit Pakistans erlauben würde, die Heiraten der eigenen Glaubensgemeinschaft zu registrieren.

Regierungsvertreter weisen den Vorwurf, nicht gegen die Übergriffe zu reagieren, zurück. So meinte der Bundesminister für religiöse Angelegenheiten und interreligiösen Frieden, Sardar Muhammad Yousaf, dass sein Amt längst Anweisungen an alle Provinzregierungen herausgegeben hat, rechtliche Schritte gegen die Zwangskonversionen zu unternehmen.

"Die Regierung hat uns grünes Licht für konkrete Schritte gegeben, die Rechte von Minderheiten zu schützen", betonte er. "Wir sind dabei, das Hinduistische Ehegesetz in die Nationalversammlung einzubringen."

Religionswissenschaftlern zufolge verstoßen die Zwangskonversionen gegen die islamischen Grundsätze von Frieden, Liebe und Brüderlichkeit. "Die Menschen müssen ihre gewählten Religionen frei ausüben dürfen", meinte der Gelehrte Ghulam Rahim aus Peshawar. "Der Islam verbietet, Menschen zum Übertritt zu einem anderen Glauben zu zwingen. Das verstößt gegen die Lehren des Propheten Mohamed, der Friede möge mit ihm sein." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/05/minorities-pakistan-fear-forced-conversion-islam/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Mai 2014