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MELDUNG/006: Weibliche Flüchtlinge aus Nordkorea in China als Bräute an Bauern verkauft (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. Juli 2011

Nordkorea: Weibliche Flüchtlinge in China als Bräute an Bauern verkauft

Von Ahn Mi Young


Seoul, 5. Juli (IPS) - Immer mehr Nordkoreanerinnen setzen sich in den Norden Chinas ab. Von den rund 200.000 Flüchtlingen in den vergangenen Jahren seien etwa 70 Prozent Frauen gewesen, sagte der Überläufer Kim Tae Jin, der sich mit seiner Menschenrechtsorganisation für den Schutz seiner Landsleute engagiert.

Viele Männer scheuen laut Kim vor einer Flucht zurück, weil sie fürchteten, von Grenzern geschnappt und wieder nach Nordkorea zurückgeschickt zu werden. Außerdem hätten sie kaum eine Chance, inmitten der chinesischen Konkurrenz auf dem umkämpften Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

Junge Nordkoreanerinnen würden dagegen als Bräute an Bauern in den nordchinesischen Grenzdörfern vermittelt, erklärte Kim. "Wir schätzen, dass etwa 80 Prozent der aus Nordkorea geflohenen Frauen an chinesische Männer verkauft werden." Die Älteren erhielten dagegen Jobs in Restaurants und Karaoke-Bars.

Aus Angst, wieder in die Heimat zurückgeschickt zu werden, hielten diese Frauen still und ertrügen sogar Misshandlungen, sagte der Menschenrechtsaktivist. Einigen gelang es immerhin, sich nach Südkorea durchzuschlagen. "Mein chinesischer Mann erinnerte mich immer daran, wie viel er für mich bezahlt hatte", berichtete eine Nordkoreanerin. "Ich fühlte mich wie ein Besitzstück von ihm."

In China werden 15-Jährige Berichten zufolge für umgerechnet 463 bis 1.500 US-Dollar gehandelt. Entscheidend für den Preis ist ihre körperliche Kondition. In vielen Grenzdörfern sehe er solche Teenager-Bräute, berichtete Kim. "Sie versammeln sich am Dorfbrunnen, um sich miteinander zu unterhalten."


Manche Frauen wollen freiwillig wieder nach Hause zurück

Einige Frauen empfinden den Alltag in China jedoch als so belastend, dass sie aus freien Stücken nach Nordkorea zurückkehren wollen. "Als ich in China ankam, erlebte ich Schande, Angst und Erniedrigung", erzählte Yoh Su-Wa, die inzwischen in Südkorea lebt. "Zu Hause litt ich zwar Hunger, aber ich war dort immerhin eine Staatsbürgerin. In China hingegen musste ich unsichtbar sein." Ihr gelang es erst nach vier Jahren, sich aus der Unterdrückung durch den chinesischen Ehemann zu befreien.

Im eigenen Land wird von den Nordkoreanerinnen erwartet, tapfer mit allen Widrigkeiten fertig zu werden. Die rund 23 Millionen Einwohner des asiatischen Staates leben in tiefer Armut. Das stalinistische Regime investiert gezielt in die Entwicklung seines Atomprogramms und vernachlässigt darüber die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung.

Wie Überläufer berichten, haben in nordkoreanischen Familien allerdings vor allem die Frauen das Sagen. Dies widerspricht dem traditionell nach außen vermittelten Bild von der gehorsamen Ehefrau und Mutter. Nordkoreanerinnen erwirtschaften mittlerweile außerdem den größten Teil der Familieneinkommen.

Der chronische Hunger nach dem Zusammenbruch des staatlichen Lebensmittelzuteilungssystems in den neunziger Jahren hat die meisten Frauen dazu gezwungen, sich mit Handel über Wasser zu halten. Auf dem Schwarzmarkt kaufen und verkaufen sie, was immer ihnen in die Hände fällt. Andernfalls könnten sie ihre Familien nicht mehr ernähren, berichten Flüchtlinge.

Die Männer hingegen haben größte Schwierigkeiten, einen Job zu finden. Viele sitzen zu Hause, seit staatliche Fabriken den Betrieb stark eingeschränkt oder ganz eingestellt haben. "Mein Vater war an das bequeme System des Kommunismus gewöhnt, das jedem das Gleiche garantierte, egal wie hart er arbeitete", sagte Lee Sung-Min, der sich bereits vor gut zehn Jahren nach Südkorea abgesetzt hat. "Er fand es erniedrigend, Waren auf der Straße anbieten zu müssen."


Männer haben im Ausland größere Anpassungsprobleme

Nordkoreanerinnen, die nach Südkorea kommen, passen sich den neuen Lebensumständen dort meist rascher als die Männer an. "Sie arbeiten als Putzfrauen, Kellnerinnen oder Hausangestellte", sagte der Überläufer Kim.

Die Männer, die Arbeit finden, halten Kim zufolge oft nicht lange durch. Sie könnten sich offensichtlich nicht daran gewöhnen, auf einmal nach ihrer tatsächlichen Arbeitsleistung beurteilt zu werden, betonte er. Hinzu komme, dass die Südkoreaner meist eine robustere Konstitution hätten. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2011