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SCHACH-SPHINX/03021: Geduld, Gedankentiefe, Gelassenheit (SB)


Tugend ist gewissermaßen ein Anhängsel der Moral, ihr zweiter Schatten sozusagen, und so verfehlten die mittelalterlichen Moralbücher nicht ihr Ziel, als sie ins Schachspiel jene Regungen des Geistes hineinlegten, die dem Ansatze zur Besserung des Menschen am förderlichsten schienen: Geduld, Gedankentiefe, Gelassenheit. Der Einfluß dieser Werke schwand wohl in den Wirren der Renaissance, was jedoch nicht für ihre Leitmotive galt. Die neue Bürgerlichkeit, die den Platz des Althergebrachten später für sich beanspruchte und mit ihrer Spargroschenmentalität zuallererst das Gebot der Genügsamkeit predigte, nahm sich dieser verblaßten Tugenden an und stellte sie in einen biederen Rahmen. Der Schachspieler, der mit der Neuzeit nicht unwesentlich aus dieser aufstrebenden Klasse rekrutiert wurde, verinnerlichte im Schach, ohne es vielleicht zu wissen oder zu ahnen, jene mittelalterlichen Moralauffassungen und bildete sie um zum kleinkrämerischen Clubspieler, der noch bis in unser Jahrhundert hinein das Geschehen in den Turnierhallen prägte. Erst allmählich mit dem Aufkommen neuer unverbrauchter, vielleicht auch unkonventioneller Geister sollte das Schachspiel aus dieser Klammer befreit werden. Der Ideenreichtum der Zwanziger Jahre ist aus dieser jungen Erdschicht hervorgegangen. Ihr verdanken wir auch den ungehemmten Willen, selbst das scheinbar Absurde noch einer Prüfung zu unterziehen. Im heutigen Rätsel der Sphinx freilich ließ Schwarz bei seinem letzten Zug 1...Tc6- f6 den kritischen Blick vermissen, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/03021: Geduld, Gedankentiefe, Gelassenheit (SB)

Podolsky - Ketola
Fernpartie 1973

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Schwarz forcierte seinen Angriff mit dem Bauernopfer 1...h5-h4!, um die Partie schließlich nach 2.Lg3xh4 Te7-e2 3.Lh4-g3 Se3-f4 4.Da5xc7 Te2xg2+ 5.Kg1-h1 mit dem brillanten Opfer 5...Tg2xh2+!! abzuschließen. Weiß gab auf, da er nach 6.Kh1xh2 Te8-e2+ 7.Tf1-f2 Te2xf2 8.Lg3xf2 Dg6- g2# oder 7.Kh2-h1 Dg6xg3 das Matt nicht mehr verhindern konnte.


Erstveröffentlichung am 30. August 1999

19. Juni 2010