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SCHACH-SPHINX/04448: Caissas Glücksfälle (SB)


Es gibt da eine Kavalierstugend im Schach. Büßt man einen Bauern ohne positionellen Ersatz ein, so hat man die Partie bereits zur Hälfte verloren. Mit einer Figur weniger noch weiter zu spielen, ist schon fast unehrenhaft, zumindest auf hoher Schachebene. Daß man aber mit einem ganzen Turm in der Kreide steht und nicht ans Aufgeben denken will, ist einfach eine Frechheit und verletzt die guten Schachsitten. Nun, so zwangsläufig ist es nun wieder nicht, daß man mit hohem Materialnachteil verlieren muß. Nichts ist so schwer, heißt es in der Schachfibel, wie eine gewonnene Partie zu gewinnen. Und kein Geringerer als David Bronstein, dessen Haupt immerhin weltmeisterlicher Lorbeer schmückte, hatte es beim WM-Kampf gegen Michail Botwinnik fertiggebracht, eine Partie mit einem Minusturm noch zu remisieren. Nun gut, wird man sagen, das Glück hilft dem Tüchtigen, und wenn man Milch lange genug schlägt, wird Sahne daraus, aber daß ein Spieler von hohem Format mit einem Mehrturm zuletzt noch verliert, ist sicherlich etwas Einmaliges und spottet aller Vergleiche. In der vorletzten Runde des Moskauer Interzonenturniers hatte Alexander Beljawski mit Weiß gegen den Holländer Van der Wiel beim 22. Zug einen Turm gewonnen. Die Stellung bot dem Nachziehenden zwar noch einige Möglichkeiten, von Kompensation konnte allerdings nicht im mindesten die Rede sein. Aber nur 19 Züge später - welch ein Wandel - zwang der verloren geglaubte Holländer seinen Kontrahenten in die Knie und zum Aufgeben. Hinterher machte sich ein Heer von Analytikern daran, Gewinnwege für Weiß aufzuzeigen, aber am Brett ist der Teufel immer der dritte Spieler, und mit Irritationen geizt er nie. Jedenfalls entstand nach wildem Hin und Her schließlich die Diagrammstellung im heutigen Rätsel der Sphinx, wo Beljawski - mittlerweile besaß er nur noch einen Mehrspringr - mit 1.Sa8-b6? den letzten Fehler beging. Also, Wanderer, warum hätte der Springer auf c7 ziehen müssen?



SCHACH-SPHINX/04448: Caissas Glücksfälle (SB)

Beljawski - Van der Wiel
Moskau 1982

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Es rächte sich bitter, daß der schwarze König nicht längst rochiert hatte, denn nach Gheorghius neidlos schlechtem Zug 1...a7-a6 konnte Kasparow mit 2.Lc1-f4! Dc7xf4 3.Lb5xd7+ Ke8xd7 4.Td1xd5+ Kd7-c7 5.Ta1- e1 Le7-d6 - 5...Le7-f6 6.Te1-e4 mit Damenfang - 6.Td5-f5 Df4-c4 7.Te1- e4 Dc4-b5 8.Tf5xf7+ Kc7-b8 9.Te4-e6 Th8-d8 10.c3-c4 Db5-c6 11.Sf3-e5 Dc6-c8 12.Dc2-b1! generalstabsmäßig zur siegreichen Offensive übergehen.


Erstveröffentlichung am 27. November 2000

21. Juli 2012