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SCHACH-SPHINX/04519: Fesselnde Konzepte (SB)


Wie marode Denkansätze Generationen von Schachspielern in ihrem Entfaltungsdrang lahmlegen können, beweist die Eröffnungstheorie. In den Anfängen war sie gedacht und konzipiert worden, um bestimmte Spielsysteme analytisch zu erforschen. Nach ihrer Etablierung jedoch wechselte das Motiv. Nicht mehr die Entdeckung von Neuem stand im Mittelpunkt, sondern die Durchforstung des vorhandenen Eröffnungswaldes. Ihr Ziel war fortan, Wege aufzuzeichnen, mit denen Weiß seinen Anzugsvorteil erhalten konnte, während Schwarz nach Ausgleich fahndete. Die Balance der Kräfte wurde so zum Leitmotiv der Analytiker. "Das Spiel steht gleich" oder "mit ausgeglichenen Chancen", wer kennt sie nicht, diese Bemerkungen hinter langen Analyseketten. Es dauerte lange, bis das Siechtum dieser Zielsetzung endlich erkannt und durch eine vitalisierende Medizin kuriert wurde. Im Zenit der neueren Forschung stehen nicht mehr ausgeglichene, sondern interaktive Systeme, in denen der Nachziehende um ein vollwertiges Gegenspiel bemüht ist. Nicht Starre, sondern Dynamik, nicht Ausgleich im alten Sinne, sondern virulente Auffangstellungen werden zum Prinzip erhoben. Doch Krankheiten kehren immer wieder zurück, und so sei der Novize davor gewarnt, seinen Forschergeist in die alten Fesseln balancegestützter Ordnungen zu legen. So ist das heutige Rätsel der Sphinx auch der dynamischen Opferpartie zwischen den Meistern Gligoric und Bidew gewidmet, wobei Ersterer die Zügel der Initiative in Händen hielt. Also, Wanderer, wie riß Gligoric mit Weiß den Sieg an sich?



SCHACH-SPHINX/04519: Fesselnde Konzepte (SB)

Gligoric - Bidew
Belgrad 1946

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Der neuralgische Punkt in der schwarzen Stellung war der Bauer f6. Nachdem Tal dies erkannt hatte, war das Aufdecken der gewinnbringenden Kombination ein Kinderspiel für den geborenen Taktiker: 1.Tf1xf6! Tf8xf6 2.Dg3xe5 a4xb3 3.a2xb3 b7-b6. Bileks letzter Zug in der Partie sollte auf 4.Td1-f1 wenigstens noch 4...Ta6-a5 erwiderbar machen, zumal 3...Kg7-f7 4.Se4xf6 De7xf6 5.De5-c7+ völlig chancenlos war. Tal spielte auf 4...b7-b6 jedoch 5.b2-b4!, worauf gegen das drohende 6.Td1- f1 nichts Vernünftiges mehr in Sicht war.


Erstveröffentlichung am 21. Dezember 2000

30. September 2012





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