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SCHACH-SPHINX/04547: Im Spannungsfeld der Nerven und Kompromisse (SB)


Ein kalter Wind wehte durch die Moskauer Gassen an diesem 24. November 1984, als Garry Kasparow mit einem unguten Gefühl den Weg zum Säulensaal des Moskauer Gewerkschaftshauses antrat. In Gedanken ging er noch einmal die nächtlichen Vorbereitungen und Pläne durch, was jedoch nicht verhindern konnte, daß das beklemmende Drücken in seinem Nacken blieb. Kasparow war unterwegs zur 27. Wettkampfpartie gegen den Weltmeister Anatoli Karpow. Nach nur neun Partien schienen all seine Hoffnungen, mit 21 Jahren als jüngster Weltmeister in die Schachgeschichte einzugehen, zerstoben zu sein. Mit 0:4 lag er schier unrettbar verloren zurück. Und auch dieser Tag reihte sich in die Phalanx seines Unglücks ein. Kasparow verlor seine fünfte Partie. Nur noch einen Sieg brauchte Karpow, um seinen Titel erfolgreich zu verteidigen. Doch es kam ganz anders, als die Weltöffentlichkeit und Karpow gedacht hatten. Nach einer Reihe belangloser Remispartien, die vor dem 20. Zug wegen spielerischer Lustlosigkeit beendet wurden, begann sich mit der 34. Partie ein Wandel in Kasparows bisherigem Verhalten abzuzeichnen. Es stand 5:1 gegen ihn, und doch sollte es Karpow bis zum skandalösen Abbruch des Wettkampfes nicht mehr gelingen, seinen jungen aufstrebenden Herausforderer ernstlich in Bedrängnis zu bringen. Mehr noch: Karpow verlor nach und nach alle Fäden seiner Besonnenheit und zwei weitere Partien, bis zuletzt entgegen der anfänglichen Euphorie unter seinen Anhängern niemand mehr an eine Titelverteidigung glauben mochte. Das heutige Rätsel der Sphinx stammt aus der 48. und letzten Partie dieses Wettkampfs, in der Karpow bereits weit unter Niveau spielte. Im Diagramm zog Kasparow mit Weiß 1.f4-f5 und mußte noch einen mühsamen Weg bis zum Sieg gehen. Welchen kürzeren Gewinnweg fand später der sowjetische Großmeister Mark Taimanow, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/04547: Im Spannungsfeld der Nerven und Kompromisse (SB)

Kasparow - Karpow
WM 1984/85

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Bronstein forcierte den Angriff mit 1.Te1-e4!, so daß er nach 1...La4- e8 2.Te4-d4+ Kd5-c6 3.Lf1-e2 Sb8-d7 4.Le2-f3+ Kc6-b6 5.Th1-b1+ Kb6-a5 6.Tb1xb7 auf Gewinn stand. Statt die noch beste Fortsetzung 6...Ta8-b8 zu wählen, strangulierte sich Waisman selbst mit 6...h7-h6? 7.Tb7xc7 Ta8-b8 8.Sg5xf7! Le8xf7 9.Tc7xd7 und der Rest war nur noch Handwerk, so daß Schwarz sofort aufgab.


Erstveröffentlichung am 29. Dezember 2000

29. Oktober 2012





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