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SCHACH-SPHINX/04773: Kühler Kopf und scharfe Augen (SB)


Boris Spasski, der 1969 den Weltmeistertitel errang, diesen 1972 aber wieder an den Amerikaner Bobby Fischer verlor, wurde von zwei Trainern geformt, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Zuerst kam Spasski unter die Fittiche von Großmeister Alexander Tolusch, der für seinen wilden leidenschaftlichen Angriffsstil berüchtigt war. Während dieser Phase seiner Ausbildung lernte Spasski vor allem die taktische Seite des Schachspiels kennen. Sein Spiel wurde reichhaltiger an interessanten Wendungen. Die Kunst, den Sturm in eine Stellung hineinzutragen, verdankte er seinem ersten Lehrmeister. Ein Angriffsspieler neigt jedoch zuweilen zur Ungeduld. Allzu rasch will er zur Attacke ansetzen und niederreißen, was sich ihm in den Weg stellt. Diese Schwäche wurde bei Spasski schließlich zu einem echten Handicap. Eine Reihe herber Niederlagen bekehrte ihn vom Glauben, mit Einfallsreichtum allein jede Partie meistern zu können. 1963 begann daher die Zusammenarbeit mit Großmeister Igor Bondarewski, der Ruhe und Standfestigkeit in Spasskis Spiel brachte. Leidenschaft auf der einen Seite vereinigte sich so mit beherrschter Kaltblütigkeit auf der anderen Seite. Diese janusköpfige Gabe seiner beiden Mentoren verhalf Spasski schließlich im zweiten Anlauf, nachdem er 1966 gescheitert war, drei Jahre später dazu, den eisernen Willen von Tigran Petrosjan zu brechen. Das heutige Rätsel der Sphinx stammt aus der ungestüme Epoche von Spasski, einer Zeit, wo er gerne zum Königsgambit griff. Das Reizvolle an dieser Partie war, daß er in David Bronstein einen ebenfalls emsigen Königsritter traf und besiegte. Eine kuriose Stellung war entstanden. Die schwarzen Figuren standen zusammengepfercht auf der siebten und achten Reihe. Allein ein übermütiger schwarzer Bauer hatte sich in die weißen Gefilde verloren. 1...e3-e2 war auch der letzte Zug Bronsteins vor Spasskis Sturmangriff. Also, Wanderer, leidenschaftlich gefühlt und kalt berechnet!



SCHACH-SPHINX/04773: Kühler Kopf und scharfe Augen (SB)

Spasski - Bronstein
Leningrad 1960

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Die Gründlichkeit seines Studiums zahlte sich aus. Mit 1.Se5xf7! besiegelte Botwinnik das Schicksal der schwarzen Stellung. Da 1...Kg8xf7 wegen 2.Lb3xd5+ nicht anging, entschloß sich Meister Vidmar zu 1...Tf8xf7. Viel gewann er dabei nicht, nur eben drei Züge bis zur Aufgabe: 2.Lg5xf6 Le7xf6 3.Tf5xd5 Dd6-c6 4.Td5-d6 Dc6-c7 5.Td6-d7 und die Partie war aus.


Erstveröffentlichung am 12. März 2001

12. Juni 2013





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