Schattenblick →INFOPOOL →SCHACH UND SPIELE → SCHACH

SCHACH-SPHINX/04986: Buhlen mit dem Zufall (SB)


"Ein spieler ist nit gottes fründ. Die spieler sind des tüfels kind." So steht es 1494 im "Narrenspiegel" des Straßburger Juristen und Stadtschreibers Sebastian Brant. Auch wenn Brant damals nicht ausdrücklich den Schachspielern moralisierend auf die Finger schaute, so sah er im Schach doch den kupfernen Widerglanz von Satans Schlechtigkeit durchschimmern. Zu jenen Zeiten übte man sich im Schachspiel nämlich weniger aus eitlem Zeitvertreib. Vielmehr sollte ein Sieg am Brett helfen, die tiefe Ebbe des Portemonnaies zu füllen. Wettspiel war das Schach also, nicht Geistesgegenwart im wahrsten Sinnes des Wortes, sondern, und da hatte Brant den Finger durchaus in eine eitrige Wunde gelegt, ein Buhlen mit dem Zufall. Nicht überall wurde dem Schachspiel jedoch die Maske des Monetären übergezogen, auch der Kunstverstand konnte sich einen festen Platz behaupten. Trotzdem die Entwicklung des Schachspiels im Deutschland des ausgehenden Mittelalters sehr zu wünschen übrig ließ, besann man sich doch immer stärker auf die Möglichkeiten des Schachs als kreative Denkform. Mehr und mehr wurde der Gedanke des Wettens zurückgedrängt, woran der letzte Nachschub allegorischer Erbauungsschriften maßgeblichen Anteil hatte. Die Kultur des Wettspiels sollte noch im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert eine kurze Renaissance feiern, ehe es durch die legitime Form der Preisgelder ersetzt wurde. In unseren Tagen mutet es wie ein verstaubter, ungeliebter Anachronismus an, wenn hier und da noch Wettpartien ausgetragen werden. In Amerika besitzt diese Zockerkultur weiterhin eine starke Resonanz. Anders in Amsterdam, wo seit Jahrzehnten ein Schachleben floriert, das seinesgleichen lange suchen muß. Auch das heutige Rätsel der Sphinx stammt aus der holländische Schachmetropole. Der englische Meister Nigel Short war mit den schwarzen Steinen am Zuge und ließ seinen amerikanischen Kollegen Yassir Seirawan recht gekonnt ins Hintertreffen geraten, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/04986: Buhlen mit dem Zufall (SB)

Seirawan - Short
Amsterdam 1992

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Der Rigaer Meister Aaron Nimzowitsch nutzte die erhebliche Verteidigungsschwäche des schwarzen Königs zu einem Mattangriff aus, und zwar beginnend mit dem Turmopfer 1.Ta1xa7! Kb8xa7 2.De7xc7 Df2xd4 3.c2-c3! Dd4xc3. Die schwarze Dame eilte raschen Schrittes herbei, um die Gefahr vom Nacken ihres Königs abzuschütteln, aber Nimzowitsch hatte noch den Brachialzug 4.Sc5-d7!! auf Lager. Meister Netroba ließ sich daraufhin in hoffnungsloser Stellung nach 4...Dc3xc7 5.Tg1-a1+ Dc7-a5 6.Ta1xa5# mattsetzen.


Erstveröffentlichung am 22. Mai 2001

11. Januar 2014





Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang