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SCHACH-SPHINX/05292: Nihilistische Dunkelheit (SB)


Der Schweizer Dramatiker, Erzähler und Essayist Friedrich Dürrenmatt hatte zwar keine besondere Vorliebe für das Schachspiel, aber die skurrilen Einfälle, die zuweilen über das Brett hinweghuschen, hätten ihm sicherlich bei einigem Kennerverstand zu faszinieren gewußt. Auch seine Selbsteinschätzung als "nihilistischer Dichter" hätte sich aufs wärmste mit dem goldenen Gebot der Schachkunst, nämlich daß das Wenigste unumstößlich für alle Zeit Gültigkeit beanspruchen kann, im Einklang befunden. Eine seiner Romanfiguren bezeichnete Dürrenmatt, schon sein Name drückt eigentlich die Verwandtschaft zum Schach aus, als "scharfsinnigen Kauz, von dem niemand wußte, ob er dem Leben gegenüber hilflos war oder diese Hilflosigkeit nur spielte". Matt oder Nichtmatt, das ist hier die Frage, oder mit den Worten von Dürrenmatt gefragt: "Warum soll man sein?" Auf dem Schachbrett ist der Tod des gegnerischen Königs das höchste Ziel, und auch dies ging mit den Erkenntnissen unseres Schweizer Nihilisten konform: "Die Beschäftigung mit dem Tod ist die Wurzel der Kultur. Aus Angst vor dem Tod hat man das Jenseits erfunden, hat man die Götter erfunden, hat man Gott erfunden. Die ganze Kultur ist gegen den Tod gebaut." Schade nur, daß Dürrenmatt diesen Gedanken nicht auf das Schach ausgedehnt hatte. Er wäre auf eine Goldgrube reicher Einsichten gestoßen. Nihilistisch ging es auch in der Partie zwischen Matulovic und Ivkov zu. Ersterer hatte mit seinem letzten Zug 1.De3-a3+ Schach geboten, worauf Ivkov nichts Besseres zu tun hatte, als seine Stellung mit 1...Df6-e7? dem Tod zu überantworten. Nach dem simplen Königsrückzug 1...Kf8-g8 wäre die Partie längst nicht entschieden gewesen. Nun liegt es an dir, Wanderer, durch die nihilistische Dunkelheit im heutigen Rätsel der Sphinx die Frage nach dem Ursprung der Sinnlosigkeit zu klären!



SCHACH-SPHINX/05292: Nihilistische Dunkelheit (SB)

Matulovic - Ivkov
Sousse 1967

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Der Poet irrte nicht, als er mit 1...Df3-g2+!! alle Verse zu einem grandiosen Mattepos zusammenband. In forcierter Leichtigkeit ging es weiter: 2.Tg1xg2 Sh4-f3+ - die Schlinge des Schicksals zog sich zu - 3.Kh2-h1 Td8-d1+ und Matt in Kürze.


Erstveröffentlichung am 12. Dezember 2001

13. November 2014





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