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SCHACH-SPHINX/05293: Die Legende um Sissa ben Dahir (SB)


Viele Entstehungslegenden ranken sich um die Geburtsstunde des Schachspiels. Viele von ihnen sind in ein mystisches Gewand gekleidet, andere verschmolzen mit dem religiösen Ahnenkult der frühen Schachlande Persien und Arabien zu einem wüsten Konglomerat kaum mehr auseinanderzuhaltender Ursprünge und geschichtlicher Berührungen. Die bekannteste dieser Legenden stammt aus arabischer Feder und hat als Stammvater des Schachspiels Sissa ben Dahir zur Figur. Nachdem er seinem indischen Herrscher die Weisheit der Schachkunst gelehrt hatte, erließ ihm der König einen Wunsch, über den er frei verfügen könne, ohne sich irgendeine Fessel der Bescheidenheit auferlegen zu müssen. Sissa ben Dahir dachte kurz nach, und da ihm alle Güter der Welt nichtig und bedeutungslos waren, er den König jedoch nicht unhöflicherweise zurückweisen wollte, bat er "um so viel Weizen, als die Summe betrüge, wenn er auf das erste der 64 Felder seines Schachbrettes ein Korn, auf das zweite zwei, auf das dritte vier und so fort auf jedes nächste nur das Doppelte des vorigen legte". Der König wunderte sich zunächst über die Armut dieses Wunsches und bewilligte ihn leichten Herzens, als aber die Kornkämmerer und Schatzmeister kniefällig beklagten, daß der Reichtum ganz Indiens, ja der ganzen Welt nicht ausreichen würde, um den arabischen Brahminen zufriedenzustellen, da erkannte der König Sissas tiefe Einsicht in das Wissen um die im Schachspiel zugrundegelegte Unausschöpflichkeit des Universums. Was ihm jedoch entging, war viel nüchterner gestrickt. Hätte Sissa nämlich irgendein reiches Geschenk des Königs angenommen, ein Stück Land beispielsweise mit einem prachtvollen Palast, vielen Bediensteten, einer Prinzessin als Gemahlin und so weiter und so fort, nie wäre er aus diesem Käfig je wieder herausgekommen. Ein bescheideneres Geschenk hätte er sich jedoch nicht erbitten dürfen, ohne den König zu verärgern. Wesentlich gröber ging dagegen der australische Meister Ian Rogers mit der weißen Majestät des Bulgaren Kiril Georgiew um. In der Diagrammstellung am Zuge entfachte er einen wilden Mattangriff. Löse das heutige Rätsel der Sphinx, Wanderer, und bedenke, in jeder Legende steckt eine Wahrheit, die hinkt!



SCHACH-SPHINX/05293: Die Legende um Sissa ben Dahir (SB)

Georgiew - Rogers
Biel 1993

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Nihilistisch verpatzt, könnte man sagen, hatte Meister Ivkov die Stellung mit seinem letzten Zug 1...Df6-e7?, denn nun konnte Meister Matulovic mit 2.Tg4xg7!! reichlich Kapital an Material und Position für sich herausschlagen. 2...De7xa3 war erzwungen, aber danach wich der Nihilismus nicht von Ivkov, sondern verdichtete sich paradoxerweise sogar: 3.Tg7xf7+ Kf8-e8 4.b2xa3 Lb7-c8?? Nach 4...Sd7xe5 5.Tf7xb7 Td8-d2! hätte er um das Remis noch kämpfen können, aber der letzte Patzer kostete ihm sofort die Partie: 5.La2-a4! a7-a6 6.La4-c6!


Erstveröffentlichung am 13. Dezember 2001

14. November 2014





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