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SCHACH-SPHINX/05353: Die Zeit ... die Drängende, die Nörgelnde (SB)


Blitzturniere sind eine Hektik für sich. Nichts ist quälender für einen langmütigen Verstand, als die Figuren quasi übers Brett zu schleudern, sie irgendwohin zu setzen, eben weil die Zeit, die Drängende, die Nörgelnde einem im Nacken sitzt. Denn länger als fünf Minuten Bedenkzeit hat der Spieler nicht. Nun behaupten die Freunde des Blitzens, ihr Auge werde enorm geschult, da Hunderte von Möglichkeiten an der Pupille vorbeisausen würden, man jedoch in dieser Kürze den 'sinnträchtigsten' Zug finden müsse. Nun, was von dieser blitzgescheiten Optik zu halten ist, wußte der deutsche Großmeister Kurt Richter einst in einer netten Anekdote zu erzählen. Da zuviele Blitzschacher sich zu einem Turnier angemeldet hatten, sah die Direktion keinen anderen Ausweg, als die Bretter eng an eng nebeneinander zu stellen, bis alle Teilnehmer, den gesamten Saal in bester ökonomischer Manier ausnutzend, wie Dosenheringe Platz gefunden hatten. Dann erteilte der Schiedsrichter das Startzeichen. Wer nie ein Blitzturnier in natura miterlebt hat, der wird nicht wissen können, was sich nun zutrug. Um sich dennoch ein ungefähres Bild zu machen: Unter hastigem Stöhnen und flackerndem Stirnrunzelgewitter fielen die Blitzer über die Bretter her, machten, mal zitternd Figuren umstoßend, dann wieder wie gehetzt an den Nägeln kauend, ihre Züge, wobei sie mit krachendem Getöse auf den Schachuhren herumhämmerten. Gerade hatte ein Blitzer seinen Königsturm über h3 nach e3 entwickelt und eilte zwei Züge später weiter zum Damenflügel hin, wo ein neuer Brandherd am Entstehen war. Etliche Züge, aber kaum eine halbe Minute später, führte dieser Blitzfreund die kurze Rochade aus. Weder ihm noch seinem Gegner war im blinden Eifer aufgefallen, daß der Damenturm vom Nachbarbrett dafür herhalten mußte. Aber auch der Kollege von nebenan ließ sich in seinem Fieberwahn nicht im geringsten dadurch beirren, daß er nun mit einem Turm weniger spielte und kurze Zeit darauf wegen eklatanter Materialarmut aufgeben mußte. Unser Schachfreund hingegen hatte es nicht schwer, mit seinen drei Turmkalibern den Sieg in die Tasche zu stecken. Bemerkt wurde dies kuriose Schauspiel nur, weil der Schiedsrichter seinen Rundgang zwecks Schneuzen der Nase ausgerechnet zwischen beiden besagten Brettern unterbrechen mußte, zu alledem jedoch schwieg - wer hätte ihm die Geschichte auch abgenommen. Nach diesem Spaß nun zurück zum heutigen Rätsel der Sphinx. Und obwohl Meister Furman nicht blitzte, sondern alles in allem erschöpfend über Sinn und Unsinn seines letzten Zuges nachgegrübelt hatte, ging er zuletzt dennoch mit 1.Df3xb7? in die Damenfalle. Also, Wanderer, wie verfing sich die weiße Madam?



SCHACH-SPHINX/05353: Die Zeit ... die Drängende, die Nörgelnde (SB)

Furman - Osnos
Leningrad 1964

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Meister Sibarevic hatte die Schottische Partie recht zimperlich behandelt und sich von seiner großmeisterlichen Kollegin je und je ins Hintertreffen drängen lassen. Maja Tschiburdanidse beendete das weiße Dilemma mit 1...Le6xh3! Die Annahme des Läuferopfers verbot sich nun wegen 2.g2xh3 Dh4-g3+ 3.Kg1-h1 Dg3xh3+ 4.Kh1-g1 Dh3-g3+ 5.Kg1-h1 Te8- e6 und gegen die Drohung 6...Te6-h6+ wäre nichts zu erfinden gewesen. Also zog Meister Sibarevic 2.Ta1-e1, was sicherlich besser war, jedoch den Dorn im Fleische der weißen Stellung nicht herausziehen konnte. Weiter geschah: 2...Lh3-g4 3.e4-e5 Te8-e6 4.Te1-e3 Te6-h6 5.Sd2-f3 d6xe5! 6.f4xe5 Lg4xf3 7.Dd4xh4 Th6xh4 8.g2xf3 Th4-f4 9.Kg1-g2 Tf8-e8 10.Kg2-g3 g7-g5 11.Tf1-h1 Te8xe5 12.Ld3xh7+ Kg8-g7 13.Te3-d3 Sd7-f6 14.Lh7-e4 Sf6xe4+ und Weiß verging die Lust zum Weiterspielen.


Erstveröffentlichung am 08. Februar 2002

13. Januar 2015





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