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SCHACH-SPHINX/05446: In voller Abendgarderobe (SB)


Wenn Schachmeister Streiche aushecken, bleibt kein Auge trocken, und das im wortwörtlichen Sinne. Erinnern wir uns an den ungarischen Großmeister Andor Lilienthal, später wählte er sich die Sowjetunion zur zweiten Heimstatt. Sein Humor war, im Gegensatz zu vielen seiner Schachkollegen, alles andere als bieder. Manche seiner Witze trieben den Zuhörern regelrecht Lachtränen in die Augen. Am liebsten gefiel er sich jedoch in der Rolle des Charmeurs. Das Zentrum zu besetzen, Anziehungspunkt zu sein, warum dies nur auf dem Brett verwirklichen? dachte er sich und geizte mit Scherz und Wortgewandtheit nie. Sein Einstieg in die internationale Welt des Schachspiels begann 1930, als er in der Tschechoslowakei gleich in seinem ersten großen Turnier als Sieger abschnitt. In den folgenden Jahren errang er einige große Preise. Befreundet war er insbesondere mit dem tschechischen, später ebenfalls sowjetischen Meister Salo Flohr. Bei einem gemeinsamen Hotelaufenthalt verfiel Lilienthal auf eine mehr als sonderbare Idee. Um 300 Kronen wettete er mit Flohr, daß er in voller Abendgarderobe unter Wasser die ganze Länge des hoteleigenen Swimmingspools entlangtauchen könne. Ob beide schon einiges gebechert hatten, ist nicht bekannt. Flohr schlug jedenfalls in die Wette ein, und prompt sprang Lilienthal ins feuchte Naß, tauchte und tauchte und tauchte und kam schließlich auf der anderen Seite des Schwimmbeckenrands mit seinem Kopf aus dem Wasser. Schon eilte das Hotelpersonal herbei und hintendrein lief der Hoteldirektor, aufgeregt wie eine Mücke im Lichtschein einer Laterne. Aber schon während er rannte, durchzuckte ihn ein Gedanke. Mit keinem Wort der Schelte drang er in Lilienthal. Ganz im Gegenteil schenkte er ihm einen neuen Anzug sowie einen ganzen Koffer neuer Unterwäsche - zu Werbezwecken für sein Hotel natürlich. Schachspieler durchschwimmt unter Wasser Hotelswimmungspool! Eine bessere Reklame hätte sich der Direktor, und das fast kostenlos, gar nicht wünschen können. Eindrucksvoll in Szene setzen konnte sich Lilienthal auch beim Interzonenturnier in Stockholm, wo er dank seines Kombinationsfleißes immerhin auf den fünften Platz landete. Im heutigen Rätsel der Sphinx besiegte er den argentinischen Großmeister Miguel Najdorf mit einer subtilen Opferwendung, die nicht leicht zu berechnen war. Lilienthal am Zuge spielte Weiß. Hast du den Rechenstift dabei, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05446: In voller Abendgarderobe (SB)

Lilienthal - Najdorf
Stockholm 1948

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Für Meister Lewitski gehörte der Sieg gegen seinen Landsmann Alexander Aljechin zu den schönsten Partien seiner Karriere. Mit 1...La7xc5! lenkte er die weiße Dame von ihrer Wächterrolle entlang der dritte Reihe ab, und so konnte er nach 2.Dc3xc5 Dg4-h3+ 3.Kf1-g1 Tf8-f5 4.Dc5-c4+ Kg8-h8 5.Dc4xf4 - 5.Lc1xf4 Dh3-g4+ 6.Kg1-f1 Tf5xf4 7.Dc4-c3 Tb8-f8 - 5...Tf5xf4 6.Lc1xf4 Tb8-f8 7.e2-e3 Tf8-f5 8.f2-f3 Dh3xf3 9.Ta1-a2 g7-g5 10.Ta2-f2 Df3-e4 11.Tf2-h2+ Kh8-g7 12.Th2-g2 Tf5xf4 Aljechin die wohl schmerzlichste Niederlage auf dem Allrussischen Kongreß in Vilnius 1912 bereiten.


Erstveröffentlichung am 07. Mai 2002

16. April 2015


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