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SCHACH-SPHINX/05479: Ungarische Naschkatze (SB)


Ein kleiner Vorfall erregte im italienischen Reggio Emilia schachweltweites Gelächter. Angetreten zum Sieg war der ungarische Großmeister Lajos Portisch. Strengen Blickes musterte er die Phalanx seiner Gegner. Doch sein Auge blieb kühl. Kein Angstschimmer trübte das blendende Weiß. Gemächlichen Schrittes ging er zu seinem Stuhl, setzte sich nieder in würdeloser Gelassenheit, rückte die Figuren zurecht und machte schließlich, als Ruhe im Saal eingekehrt war, seinen ersten Zug. Danach griff er in seine Jackentasche und - erblaßte jäh. Was war geschehen? Das Brett schien zur Nebensache zu werden, so fieberhaft stand er auf und eilte durch die Turnierhalle. Das Quietschen seiner Schuhsohlen brachte ihm die zornigen Blicke seiner Mitstreiter ein. Er aber eilte weiter, bis er endlich den Turnierleiter fand. An ihn herantretend, beugte er seinen Mund zu dessen Ohr und flüsterte ihm scheinbar etwas sehr Wichtiges zu. Wozu die ganze Aufregung? Turnierspieler dürfen während einer Partie nämlich nicht den Saal verlassen. Es sei denn in Begleitung. Also marschierte der Turnierleiter hinter Portisch her, der eilig sein Hotelzimmer aufsuchte und nach kurzer Zeit wieder zurückkehrte zu seiner verlassenen Partie. Was Portisch so Wichtiges vergessen hatte? Nun, als der ungarische Großmeister mit einem glückseligen Lächeln erneut in die Halle trat, umkrampften seine Finger eine Tafel Schokolade. Auch Großmeister sind offenbar Kinder, die nie erwachsen werden. Dem Süßen nicht abgeneigt war auch der russische Meister Mark Taimanow. Beim Kandidatenturnier 1953 spielte er das heutige Rätsel der Sphinx mit den weißen Steinen. Mit der einen Hand zog er, mit der anderen biß er vor Nervosität in seinen Schokoladenriegel. Aber sein Gegner, der argentinische Meister Miguel Najdorf, kannte an diesem Tag kein Erbarmen, und während Taimanow beinah das Stanniolpapier mit herunterschluckte, gelang dem Argentinier nach 1.De1-e2 ein prächtiger Sieg. Also, Wanderer, wie gewann Najdorf und warum hatte Taimanow nicht einfach 1.g2xh3 gezogen?



SCHACH-SPHINX/05479: Ungarische Naschkatze (SB)

Taimanow - Najdorf
Schweiz 1953

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Morphys Glanzjahre schenkten der Nachwelt unvergeßliche Partien; ein schönes Andenken von einem Meister der Schachkunst, dessen Leben mit dem Schweif eines Kometen verglichen wird. Seinen Gegner und Anoynmus setzte er "blind" mit 1.Th3xh6+! Kh7xh6 2.Td1-d3 Kh6-h5 - 2...Dc8xd7 3.Td3-h3# - 3.Dd7-f7+ g7-g6 4.Df7-h7+ Kh5-g4 5.Dh7-h3# Matt.


Erstveröffentlichung am 09. Juni 2002

19. Mai 2015


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