Schattenblick → INFOPOOL → SCHACH UND SPIELE → SCHACH


SCHACH-SPHINX/05532: Dreigespaltene Wurzel (SB)


Kulturgeschichtlich gesehen, wozu nicht minder die Entwicklung der Geistes- bzw. Bewußtseinsdisziplinen zählt, sind wir vor allem durch die antiken Griechen geprägt. Schon ein flüchtiger Blick und eine kurze Erinnerung genügt. Für jeden Eintretenden sichtbar, stand in der Vorhalle des delphischen Tempels die Weisheit eingemeißelt: "Erkenne dich selbst". Wer kam, um dem Orakel zu lauschen, fand in diesen Worten den Tenor hinter aller Prophetie vorweggenommen. Und dann, auf der Agora, dem Marktplatz altgriechischer Städte, diskutierten die Gelehrten über den Sinn der Worte: "Der Mensch - das Maß aller Dinge". Und dann sannen jahrhundertelang alle Schüler, die den Aristoteles lasen, über die Keckheit nach: "Wir selbst müssen uns zu Unsterblichen machen!" Verwirrend, fragezeichenwürdig, nachdenklich stimmend. Wie sehr das Altgriechische in unserem Denken festwurzelt, läßt sich am deutlichsten ausmachen, wenn wir uns das dreigeteilte Denken als Körper, Geist und Seele vor Augen führen. Später sollte dies religiös umkleidet werden. Hören wir jedoch dem größten Philosophen der Antike zu, nämlich Sokrates, und lesen hierzu bei Platons "Phaidon" nach, denn Sokrates selbst schrieb nicht ein einziges Wort nieder. Es hätte wohl seiner Lehre widersprochen: "Denn solange wir den Körper haben und unsere Seele mit einem solchen Übel verwachsen ist, werden wir nie befriedigend erreichen können, wonach uns verlangt; und das ist doch, sagen wir, die Wahrheit. Denn der Körper macht uns tausenderlei zu schaffen vermöge der unentbehrlichen Ernährung. Wenn sich dann ferner noch Krankheiten einstellen, so hindern uns diese, dem wirklich Seienden nachzujagen. Ferner erfüllt uns der Körper mit Liebesgelüsten und Begierden, mit Besorgnissen und mancherlei Trugbildern und vielen Kindereien." Was dies Teilungsdenken mit Schach zu tun hat? Brett, Figuren, Auge, Kopf, Verstand, Geist, Intuition, ach die Liste der geteilten Ungereimtheiten ließe sich schier endlos fortsetzen. Endlos waren auch die Schachgebote in der Partie zwischen Schirow und Iwantschuk beim Paul-Keres-Gedächtnisturnier 1996. Schirow zog im heutigen Rätsel der Sphinx nun angriffslustig 1.Sc3-d5!? e6xd5 2.e5- e6. Nun, Wanderer, wie konnte sich der listige Ukrainer ins Remis retten?



SCHACH-SPHINX/05532: Dreigespaltene Wurzel (SB)

Schirow - Iwantschuk
Estland 1996

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Kortschnoj biß sich fast die Unterlippe blutig, so fassungslos wütend war er, daß er die simple Angriffsfortsetzung 1.Lg6-f7+ Kd5-c6 2.Dh3- e6+ Kc6-b7 3.De6xe7+ übersehen hatte.


Erstveröffentlichung am 31. Juli 2002

11. Juli 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang