Ein bärenhafter Wuchs, Pranken, die bei jedem Handschlag respektvoll zupacken können, dazu ein Gesicht mit strenger Linienführung, solch ein Erscheinungsbild schafft sich überall seinen Weg. Und manche Schachmeister scheinen dies bitter nötig zu haben. So gering ist ihre Ausstrahlung, daß sie im Meer hochaufragender Leiber fast ertrinken. Schon der begnadete Maler Marc Chagall klagte das Los seiner Unscheinbarkeit: "Mein Gott! Du hast mir zwar Talent gegeben, wenigstens sagt man dies. Aber warum hast du mir nicht eine imposante Statur gegeben, daß man mich fürchtet und respektiert?" Sein Jammer begleitete ihn fast sein Lebenlang. Und auf dem Schachfelde? Wo Gedankenhöhe nur zählen sollte, regiert auch hier das Zentimeterband? Zumindest taucht ein stattlicher Mensch wie Garry Kasparow häufiger in den Gazetten auf als ... Nein! Zur Spottgestalt nicht auch noch Spottgesang! Denn schüchterner Natur scheinen diejenigen zu sein, die sich in die Namenlosigkeit der Schatten vor dem Spiegel der öffentlichen Betrachtung flüchten. Wozu jedoch die falsche Bescheidenheit? Ein Zwergenwuchs bedeutet nichts und auch eine dicke Nase ist charmant, und erst ein krummes Knie! Ach! wie schön ist doch die Vielgestaltigkeit der Menschen. Lassen wir uns aus dem Munde des deutschen Erzählers Wilhelm Raabe belehren: "Wie viele treue und besorgte Blicke aus lieben Augen gehen einem verloren, während man auf das Zwinkern, Schielen und Blinzeln der Welt rundum nur zu genau achtet." Nun jedoch zurück zu Kasparow und damit zum heutigen Rätsel der Sphinx. Im belgischen SWIFT-Turnier spielte er gegen seinen Landsmann Michail Tal. Und obgleich sich beide ganz sicherlich nicht wie ein Ei dem anderen glichen, von Statur und Charakterbild verschiedener nicht sein konnten, verband beide doch eine tiefe Freundschaft. Nichtsdestotrotz, auf dem Brett waren sie erbitterte Rivalen, und so konnte Kasparow mit den weißen Steinen nun "hundsgemein" den Sieg erringen. Wie schaffte er dies, Wanderer?
Kasparow - Tal
Belgien 1987
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Bedrohlich sah die Lage in der Tat für Meister Vidmar aus. Schlimmer
jedoch stand es um Euwes König, denn mit 1.Te1-e8+ Lg7-f8 2.Te8xf8+!
Kg8xf8 3.Sd6-f5+ Kf8-g8 4.Da3-f8+!! Kg8xf8 5.Td1-d8# war dieser einen
Zug früher Matt als sein Gegenüber.
Erstveröffentlichung am 02. September 2002
13. August 2015
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