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SCHACH-SPHINX/05615: Trinität des Bösen (SB)


In allem spiegelt sich der Mensch, und nichts beunruhigt ihm mehr als die gestaltlose Finsternis. In allem fühlt er sich zu Hause, nur das gedankliche Nichts verabscheut er zutiefst. In allem findet er Ruhe und innere Betrachtung, verargt ist ihm jedoch die Stille. Ein Mensch, und sei er auch Schachspieler, will überall den Stempel seiner Identität hinterlassen, sonst wird er seinem Bild von sich selbst nicht gerecht. Also spielt er entweder verwegen, wenn er sich für verwegen hält, oder meidet Risiken, wo Gefahren drohen. Öffne die Büchse der Pandora nicht, die Hoffnung könnte sonst noch entfliehen! Nicht wahr, und noch am Grabe, so Schiller, pflanzt er die Hoffnung auf. Spielen Schachmeister wirklich nur nach dem Buchstaben ihres Charakters? Zumeist jedenfalls, Ausnahmen sind rühmlich und selten, aber nicht ohne Wert. Über keine bessere Waffe verfügt der Mensch nämlich, als andere zu überraschen, und wenn's geht, nicht überrascht zu werden, das ist der Grundtenor aller Spiele von Verstandeskraft und Logik. Offenbar hatte dies der französische Schriftsteller Julien Green nicht erkannt, denn er schrieb in sein Tagebuch: "Beim Schach spielt man das Spiel des Lebens. Der Draufgänger beim Schach zeigt sich auch als Draufgänger im Leben, der Vorsichtige ist vorsichtig, der Schleicher ein Schleicher." Die Seele des Schachspielers kennt noch andere Abgründe. In die jedoch wagt sich der Allgemeinverstand nicht hinein. Finsternis, Nichts und Stille sind Sendboten eines anderen Bewußtseins, das allerdings in kein Theoriewerk paßt. Ein Meister dieser Domäne war unstrittig Michail Tal, der wie aus dem Nichts finstere, stille Züge hervorzaubern konnte. Im heutigen Rätsel der Sphinx erfuhr dies der deutsche Großmeister Wolfgang Unzicker, der zuletzt 1.Td4-a4 gezogen hatte. Wohl sah er die Möglichkeit der Fesselung durch 1...Tf6-f1! Er unterschätzte jedoch die Verwicklungen, die sich aus der Trinität des Bösen ergeben, und zahlte den Preis für seine Voreingenommenheit. Kannst du es nachvollziehen, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05615: Trinität des Bösen (SB)

Unzicker - Tal
Tallinn 1977

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Aljechin durchbrach den Ring der Verteidigung mit 1.e4-e5! f6xe5 2.Lf1- d3! Die Drohung 3.f5xe6+ nebst 4.Ld3-f5 oder 4.Th1-f1 war fürchterlich und nicht zu verhindern, also flüchtete sich sein Kontrahent Grünfeld in den Abtausch 2...e5-e4 3.Sc3xe4 Sd6xe4 4.Ld3xe4 Sd7-f6. Nun begann jedoch der letzte Reigen: 5.f5xe6+ Te8xe6 6.Le4-g6+ Kf7-e7 7.Le3xg5 b5- b4 8.Lg6-f5 Te6-e2 9.Th1-e1 und Grünfeld gab sich geschlagen angesichts der Möglichkeiten 9...Te2xe1 10.Td1xe1+ Ke7-d8 11.Da2-f7 oder aber 9...Da5-b5 10.a3-a4 Db5-a6 11.Lf5-d3.


Erstveröffentlichung am 21. Oktober 2002

02. Oktober 2015


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