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SCHACH-SPHINX/05729: Ob Hof oder biedere Bürgersstube, ... (SB)


Wenn die Staats- und Hofgeschäfte erledigt und die Nebenbuhler unterwegs ins Jenseits waren und wieder einmal eine Handvoll Intrigen im Keim erstickt wurde, wenn also der König sich wieder sicher fühlen konnte auf seinem wankenden Thron, dann widmete er sich selbstredend dem Königlichen Spiel. Ein leidenschaftlicher Diener der Göttin Caissa war beispielsweise Heinrich IV. von Frankreich (1553-1610). Am liebsten spielte er gegen den Edelmann François de Bassompierre wegen seiner tadellosen Manieren und weil er - anders als seine Hofkamarilla - nicht absichtlich verlor, was dem französischen Monarchen ein Greuel war. Die guten Sitten jedoch hin und her, auch die Natur verlangt zuweilen ihr Recht, und so geschah es, daß de Bassompierre, als er sich gerade vorbeugte, um mit dem Springer zu ziehen, in die Stille der angespannten Gedanken hinein einen Furz - um es gleich ordinär zu sagen - fahrenließ. Der König hob anklagend den Kopf und in seine Augen stahl sich ein gefährlicher Glanz. Um seine ungeziemende Verfehlung wissend, denn seit wann durften Untertanen, und wenn sie noch so adlig waren, den Standesunterschied auf so allzu menschliche Weise mißachten, sprang dem bedrängten Edelmann sogleich und schlagfertig eine kavalierhafte Entgegnung auf die Zunge, und er sagte also: "Eure Majestät, dieses Pferd rührt sich ohne Trompetensignal nicht von der Stelle." Wodurch die Peinlichkeit der Situation in einen Scherz herübergerettet war. Der König, milde gestimmt, lächelte wölfisch, nahm, um der kunstvollen Erwiderung willen, jedoch die unausgesprochene Entschuldigung an und verzieh damit das natürliche Bedürfnis seines Hofadligen. Unverzeihlich war im heutigen Rätsel der Sphinx dagegen der Ausrutscher des schwedischen Meisters Sköld, der in seiner Partie gegen Wolfgang Unzicker zuletzt 1...Le6-c4? gezogen hatte. Auf den Fehlzug folgte sogleich der ernüchternde Tadel. Also, Wanderer, ob Hof oder biedere Bürgersstube: Eine Unschicklichkeit muß gerächt werden!



SCHACH-SPHINX/05729: Ob Hof oder biedere Bürgersstube, ... (SB)

Unzicker - Sköld
Dubrovnik 1950

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Speelman, nun wieder klar sehend, spaltete die Deckungsdiagonale zwischen Turm und Dame mit 1.Lb3-e6!! und hoher Materialverlust war unvermeidbar. Auf 1...f7xe6 geht der Turm verloren, und auf 1...Dh3xe6 2.De4xe6 f7xe6 nicht minder.


Erstveröffentlichung am 11. Februar 2003

28. Januar 2016


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