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SCHACH-SPHINX/05740: Kreatürliche Instinktbesessenheit (SB)


Ehrgeiz ist das Naturgesetz für den Erfolg. Ohne Biß, fast schon kreatürliche Instinktbesessenheit kann kein Meister die Stufen nehmen hin zum Weltmeisterthron. So ist eine gesunde Rivalität immer schon der Schatten des Aufstiegs gewesen. Daher hatte Wilhelm Steinitz in Johannes Hermann Zukertort seinen natürlichen Gegenpol, als er die höchste Ehrung der Schachwelt errang. Und Siegbert Tarrasch wäre nie zu einem leuchtenden Stern geworden, wenn er sich nicht an Emanuel Lasker gerieben hätte. Beide profitierten durch die gegenseitige Mißgunst voneinander. Alle Weltmeister waren Sklaven ihrer eigenen Seele. Zeitlebens kamen sie nicht los vom teilweise irrsinnig getriebenen Wunsch, der Zeit ihren persönlichen Stempel aufzudrücken. Alexander Aljechin, Aaron Nimzowitsch, Michail Botwinnik - die Liste ließe sich unschwer ins Endlose führen. Nur einer unter den Großmeistern tanzt aus dieser Reihe: Boris Spasski. Der liebenswürdige Russe ist von Grund auf ein Faulpelz. Sich stundenlang hinter dem Brett verschanzen, wenn draußen der Frühling rief, ist ihm zuwider, und nur der Hartnäckigkeit seiner Trainer war es zu verdanken, daß Spasski schließlich den Weltmeistertitel errang. Als er die letzte Stufe genommen hatte, nutzten auch die Anfeuerungen seiner Trainer nichts. Spasski überließ sich seiner lächelnden Betrachtung aller Dinge des Lebens und verlor schließlich gegen seinen amerikanischen Herausforderer Bobby Fischer, der, in alter Manier, sich im Ehrgeiz regelrecht zerfleischte. Spasski sagte einst: "Die Bürde des Weltmeisters ist psychologischer Art. Es fällt schwer, Kraft und Energie aufzubringen, sobald es keinen Ansporn mehr gibt, da man doch das höchste Ziel schon erreicht hat." So kam es nicht von ungefähr, daß Spasski in der fünften Wettkampfpartie gegen Fischer mit seinem letzten Zug 1.Dd3-c2? sich selbst ins Abseits stellte. Also, Wanderer, wie ist das heutige Rätsel der Sphinx mit erfinderischem Witz zu lösen?



SCHACH-SPHINX/05740: Kreatürliche Instinktbesessenheit (SB)

Spasski - Fischer
Reykjavik 1972

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der deutsche Meister Lothar Schmid löste das Stellungsproblem auf bestechende Weise mit 1.Lc1-h6! Wegen der Abzugsdrohung 2.Tf5-g5+ mit Damenfang verbot sich 1...Lg7xh6. Also spielte sein Kontrahent Szabados 1...f7-f6, was die Partie jedoch nicht retten konnte: 2.Ta1- f1 Kg8-h8 3.Se4-g5! Tf8-g8? 4.Tf5xf6! und Schwarz gab auf, denn nach 4...Dd7xh3 oder 4...Se8xf6 5.Dh3xd7 Sf6xd7 hätte der weiße Springer auf f7 mattgesetzt. Statt des fehlerhaften Turmzugs hätte Szabados wenigstens 3...Lg7xh6 4.Dh3xh6 Dd7-g7 versuchen müssen, wenngleich auch dann seine Rettungschancen illusorisch gewesen wären.


Erstveröffentlichung am 22. Februar 2003

08. Februar 2016


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