Mit lässiger Gebärde schreitet der berühmte Meister die Simultanbretter ab. Seine Gedanken sind geteilter Natur. Einesteils denkt er über die Stellungen auf dem Brett nach. Andererseits langweiligen sie ihn auch. Er läßt seinen Geist schweifen. Was war es noch gewesen, daß ihn seine Frau zu tun ans Herz gelegt hatte? Er kann sich nicht besinnen, ärgert sich über den drohenden Ehekrach, geht weiter, blickt aufs Brett, zieht und wandert wieder weiter. So läuft er seine Bahn ab, ist mit tausenderlei Dingen beschäftigt und versäumt dabei, die Stellungen mit Ernst und Würde zu behandeln. Zum Schluß wundert er sich. Statt Siege am laufenden Band hat er etliche Niederlagen eingefahren, muß sich zuletzt sogar eingestehen, daß er von der Schar seiner Gegner regelrecht über den Tisch gezogen wurde. So trug es sich bei einem Simultanturnier in Leningrad 1949 zu, als der ungarische Meister Gereben von 25 Partien nur kümmerliche drei gewann, jedoch 15 verlor und in sieben Begegnungen über ein Remis nicht hinauskam. Ob er wirklich an die Wünsche seiner Frau gedacht hatte, wissen wir natürlich nicht. Nur daß Großmeister doch etliche Male an Simultanbrettern geschlagen worden sind, ist versiegelt und verbrieft, wird aber gern unter den Teppich gekehrt. Es scheint, daß die Kluft zwischen großen Meistern und kleinen Knirpsen zuweilen gar nicht so groß ist, wie es aller Welt scheinen will. Im heutigen Rätsel der Sphinx belehrte der zehnjährige Komarow den ungarischen Meister, daß die schwarze Partie, nur weil die Dame nicht mehr entfliehen konnte, alles andere als verloren war. Also, Wanderer, folge den Spuren der heranwachsenden Jungmeister!
Gereben - Tomarow
Leningrad 1949
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Richard Teichmann war in seinem Element. Wenn er wollte, wie er
konnte, gelangen ihm herrliche Siege. In der Partie gegen Rubinstein
setzte er mit 1.h3-h4! fort. Der Bauer war tabu wegen 2.Sg3-h5 nebst
3.Dc1-h6, also baute Schwarz eine Verteidigungsfront mit 1...h7-h6
auf, aber schon nach 2.Sg3-h5 Df6-d8 3.f5-f6 Kg8-h7 4.h4xg5 Lc8-g4
5.Sh5-g7 Kh7-g6 6.Lc2-d1! Dd8-d7 7.Sg7-f5 Lg4xf5 8.e4xf5+ war von der
Front kaum mehr als ein Fuzzel übrig und Rubinstein gab angesichts der
Folge 8...Kg6-h7 9.Ld1-h5 sofort auf.
Erstveröffentlichung am 06. März 2003
20. Februar 2016
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