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SCHACH-SPHINX/05766: Gespenster gesehen (SB)


Mit flinker Zunge und ironischer Feder hatte der deutsche Großmeister Siegbert Tarrasch in der damals noch neuen Kunst der Partiekommentierung seine Zeitgenossen mal erheitert, mal erbost. Auch sich selbst nahm er aus seiner wortreichen Bissigkeit nicht heraus, und so kam es, daß er am 28. Juli des Jahres 1896 in seiner Partie gegen den amerikanischen Meister Harry Nelson Pillsbury schrieb: "Der Beginn einer falschen Kombination, die, wie dies mitunter der Fall ist, zum Siege führt." Tarrasch hatte nach einem absurden Zug von Pillsbury nämlich "Gespenster" gesehen, weil er, wie es deutscher Brauch und deutsche Geisteshaltung ist, tatsächlich darüber nachgrübelte, "was sich mein Gegner wohl gedacht haben könnte". Der Verwirrung folgte der Fehlschluß und er verlor "den Kopf und damit die Partie". Am 4. August desselben Jahres hatte er jedoch die Gelegenheit, seinen spöttischen Senf zur Partie zwischen Wilhelm Steinitz und David Janowski dazuzugeben. Ins Nürnberger Turnierbuch schrieb er zum konzeptlosen Zug 28.Kb1-c1 von Steinitz: "Schwarz drohte jetzt - gar nichts, und das ist die schlimmste Drohung, denn sie läßt sich nicht parieren." Daß sich Steinitz und Tarrasch nicht unbedingt grün waren in positionellen Auffassungen, ist sattsam bekannt, und so unterließ es der deutsche Lehrmeister auch nicht, Steinitz gönnerhaft einen besseren Zug vorzuschlagen. Und damit kommen wir zum heutigen Rätsel der Sphinx, Wanderer. Mit welchem Zug glaubte Tarrasch, die weiße Stellung verstärken zu können?



SCHACH-SPHINX/05766: Gespenster gesehen (SB)

Steinitz - Janowski
Nürnberg 1896

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der päpstliche Siegeszug lautet 1.Sc4-d2!, denn darauf gab es für den schwarzen König nur zwei Möglichkeiten, und beide führten zum Matt: 1...Ke6-d5 2.Dc7-d7# oder 1...Ke6-f5 2.Dc7-f7#


Erstveröffentlichung am 20. März 2003

05. März 2016


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