Anatoli Karpow steht mittlerweile kaum in der Gunst der Medienwelt. Sein Schaffenszenit scheint der Vergangenheit anzugehören. Daß er hinter Garry Kasparow längst nicht mehr die Nummer 2 spielt, weiß auch die FIDE, weswegen sie für den kommenden Weltmeisterschaftskampf nicht mehr auf das traditionelle Zweierduell zurückgreift. Die Lorbeeren müssen sich nun verdient werden. Das Ausscheidungskarussel wird sich solange in klassischer Turnierform drehen, bis nur noch zwei Anwärter auf den Thron übrigbleiben. Wehmütig mag Karpow an die besseren Zeiten zurückdenken, wo er von der "Newsweek" noch mit den Worten gelobt wurde: "Konzentriert, diszipliniert und bescheiden, vom sowjetischen System erzogen, nicht nur Schachmeister, sondern auch Mitglied des Zentralkomitees des Kommunistischen Jugendverbandes, so zeigt sich uns Anatoli Karpow als ein willensstarker Mensch, der seine Gefühle fest im Griff hat." Dank dieser kalten Tugenden, die keinen Überschwang, keinen verzettelnden Impuls und keine Dissonanz der Gedanken zuließen, erntete Karpow in seiner Schachlaufbahn viele Siege, Pokale und Auszeichnungen. Im heutigen Rätsel der Sphinx gelang ihm ein Meisterstück der Präzision. Sein nächster Zug mußte den drohenden Einfall der schwarzen Türme ins Kalkül ziehen und durfte dennoch nicht vom gradlinigen Lauf der Logik abweichen. Beides meisterte Karpow vorbildlich. Also, Wanderer, kaltes Blut bewahren und nüchtern- analytisch ans Werk!
Karpow - Uhlmann
Madrid 1973
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Gligoric konnte gar nicht anders, das Springeropfer 1.Sg5xh7! lachte
aus der Stellung heraus. Keinen Grund zum Lachen hatte dagegen Bidew,
der nach 1...Kg8xh7 2.Sf5-e7 Lf6xe7 3.Dd1-h5+ Kh7-g8 - 3...Kh7-g7
4.Dh5-h6+ Kg7-f6 5.Lc1-g5# - 4.Lc2xg6! f7xg6 5.Dh5xg6+ Kg8-h8 6.Te1xe7
trotz seines Materialvorteils im klassischen Sinne aufgeben mußte.
Erstveröffentlichung am 09. August 2003
27. Juli 2016
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang