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SCHACH-SPHINX/06109: Grammatik des Herzens (SB)


Einblick zu nehmen in die Seele eines Menschen, in sein Innenleben, und darin die Achse ausfindig zu machen, um welche ein Kosmos von persönlichen Ordnungen und Prioritäten kreist, galt schon seit jeher als große Herausforderung. Nicht immer standen hinter diesem Ziel berufständische Interessen wie die der Priester und Psychologen. Die Absicht, im anderen den Triebkräfte des Lebens überhaupt zu erkennen, motivierte ganz allgemein den menschlichen Forscherdrang. Weil man indes nur über Äußerlichkeiten zum Kern eines Menschen vordringen kann, fiel im ersten Vorgriff das Augenmerk auf sein individuelles Handeln und seine persönlichen Vorlieben. Beim Schachspiel ist es in diesem Sinne die Partie, von der man sich Antworten über den Charakter des Spielenden erhofft. Schon 1835 schrieb daher der polnische Schachautor Karol Krupski: "An den Taten des Menschen erkennt man seinen Charakter, seine geistigen Fähigkeiten und seine Leidenschaften. Da man aber nicht immer Zeuge seines Tuns sein kann, wollen die einen seine seelischen Eigenschaften aus seinen Gesichtszügen, aus der Schädelform, andere sogar aus seiner Handschrift erraten. Unserer Ansicht nach kann man, da beim Schachspiel Verstand und Wille überaus wirksam sind, über die Eigenschaften eines Menschen aus seinem Spiel viel treffendere Schlüsse ziehen als aus sämtlichen anthropologischen und graphologischen Studien. Jedes Spiel, insbesondere aber das Schachspiel, ist eine sprechende Grammatik des Menschenherzens." Ein rührender Gedanke, aber wer kann schon wissen, wie tief ein Mensch graben müßte, um auf das Eigentliche zu stoßen. Im heutigen Rätsel der Sphinx mußte der holländische Großmeister Jan Timman jedenfalls nicht lange überlegen, bis er den Gewinnweg für Weiß fand. Also, Wanderer, hast du schon einmal in die Seele einer Schachpartie geblickt?



SCHACH-SPHINX/06109: Grammatik des Herzens (SB)

Timman - Quinteros
Amsterdam 1973

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der Zug 1.Sc3-d5? war eines Laien wert, denn nach 1...g7-g5! wurde dem weißen Gaul die einzige Möglichkeit eines Rückzugs genommen, so daß er verlorenging und damit die Partie.


Erstveröffentlichung am 20. Februar 2004

12. Februar 2017


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